Verzweiflungsakt? Peking will Shenzhen als Hongkong-Ersatz – Experte hat seine Zweifel

Nach den Massenprotesten in Hongkong und der Unfähigkeit Chinas in Hongkongs System komplett einzugreifen, plant Peking Shenzhen zur Innovationsstadt zu machen. Es soll zum Zentrum für Forschung und Entwicklung in der 5G-Telekommunikation und künstlichen Intelligenz werden.
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SHENZHEN, CHINA - 28. NOVEMBER 2018Foto: Daniel Berehulak/Getty Images
Von 22. August 2019

Peking hat seine Ambitionen für die Stadt Shenzhen – der Grenzstadt im Norden von Hongkong – bekanntgegeben. Shenzhen soll eine Stadt der Spitzentechnologie und Weltdrehscheibe werden.

Die Medien in Hongkong vermuten, dass dies die Absicht des chinesischen Regimes zeige, die Stadt als wichtiges Finanz- und Handelszentrum zu ersetzen.

Der Zeitpunkt stimmt mit den jüngsten Erklärungen chinesischer Staatsmedien und der Regierung Hongkongs überein, die Hongkonger Demonstranten ermahnen und ihnen vorwerfen, der Wirtschaft der Stadt mit ihren Protesten zu stören.

Eine neue Politik

Chinas kabinettartiger Staatsrat veröffentlichte am 18. August eine neue politische Leitlinie, in der er das Ziel festlegte, Shenzhen bis 2025 zu einer „internationalen Innovationsstadt“ zu machen. Bis 2035 soll die Stadt zu einem „Modell für die Modernisierung des Sozialismus“ werden und bis 2050 zu einer „globalen Referenzstadt mit Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Einfluss“ ausgebaut werden.

Um diese Ziele zu erreichen, plant Peking, dass Shenzhen das Zentrum für Forschung und Entwicklung in den Bereichen 5G-Telekommunikation, künstliche Intelligenz (KI), biomedizinische Labors und mehr wird, so das Dokument. Insbesondere werden die Behörden ein neues staatliches Institut für biomedizinische Forschung (Academy of Medical Sciences) einrichten.

Peking plant weiters die Integration der Finanzmärkte in Shenzhen, Hongkong und Macau. Die chinesische Stadt wird dann das Fremdwährungsmanagement „öffnen“ und einige Hindernisse für ausländische Investoren beseitigen. Derzeit hat China strenge Vorgaben für ausländische Unternehmen und begrenzt den Anteil ausländischer Beteiligungen an Joint-Venture-Unternehmen [Gemeinschaftsunternehmen].

Zudem wird Shenzhen versuchen, ausländische Experten und Talente anzuziehen, indem es Ausländern den Erhalt von Aufenthaltsvisa erleichtert, was es ihnen wiederum ermöglichen würde, rechtliche Vertreter von Unternehmen in China zu werden.

Das Dokument enthält einen Abschnitt über das Sozialkreditsystem, in dem erklärt wird, dass die Stadt ein „Zentrum für große Datenmengen für die Provinzen Guangdong, Hongkong und Macau“ schaffen würde.

Seit 2014 haben die chinesischen Behörden damit begonnen, ein Sozialkreditsystem einzuführen. Damit wird die Aktivitäten der Bürger, einschließlich deren Online-Käufe und ihr tägliches Verhalten im öffentlichen Raum überwacht und ihnen „Vertrauenswürdigkeit“ zugewiesen. Personen mit schlechten Kreditwerten sind von öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen, wie z.B. dem Einsteigen in ein Flugzeug oder dem Kauf eines Zugtickets.

Ähnlich wie die im Juli veröffentlichten politischen Leitlinien der Provinz Guangdong bezieht sich der Plan für Shenzhen auf ein Sozialkreditsystem für Hongkong und Macau, obwohl Beamte aus Hongkong die Existenz solcher Pläne bestreiten.

Diese neue Politik deutet auf den Wunsch Pekings hin, Shenzhen zu einem Finanzzentrum zu machen, das in der Lage ist, Hongkong zu ersetzen. Eine Analyse der Hong Kong Economic Times ergab jedoch, dass dies aufgrund des flexiblen Finanzsystems Hongkongs und umfassenderer Rechts- und Regulierungssysteme schwer zu erreichen wäre.

Analyse

David Xia, ein chinesischer Ökonom und Gastforscher am US-amerikanischen Think-Tank [Denkfabrik] Cato Instituts, vertritt eine ähnliche Ansicht.

Ob es nun um Shenzhen oder Shanghai geht, eine Voraussetzung dafür, Hongkong zu ersetzen, ist, dass es sich um eine freie und offene Gesellschaft handeln muss, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit schützt und keine Kontrolle über ausländisches Kapital und Sprache hat, so Xia in einem Interview mit der Epoch Times am 19. August. Ohne diese Voraussetzung wird kein Plan Erfolg haben.

Hongkong biete aufgrund der garantierten Freiheiten ein günstiges Investitionsumfeld, im Gegensatz zu den Städten auf dem chinesischen Festland, wo sich Unternehmen an die Leitlinie der Kommunistischen Partei halten müssen.

Xia fügte hinzu, dass falls die Parteien ein Hongkong ähnliches System des freien Marktes in Shenzhen einführen möchte, die Doktrin von „ein Land, zwei Systeme“ umsetzen müsste – den Rahmen den Hongkong schon immer genießt.

Unterdessen bemerkte der in den USA ansässige Kommentator Jie Sen, dass diese Politik eine seltene Erklärung der Partei sei, mit der sie der Welt „zeigen wolle, dass der Sozialismus die beste Stadt der Welt bauen könne. Das ist eine Ambition, die sie [die Partei] noch nie gezeigt hat.“

Er glaubt, dass der für Shenzhen skizzierte Zeitplan ein Zeichen für Chinas größeren Plan ist, mit seinem sozialistischen Wirtschaftssystem die Welt zu dominieren.

Am 20. August veröffentlichte die Shanghaier Regierung eine ähnliche Politik, wie die in Shenzhen und kündigte eine neue „Freihandelszone“ im Raum Lingang an – mit einer Lockerung der Beschränkungen für Aufenthaltsvisa, einer günstigen Steuerpolitik und mehr.

Das Original erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von rm)
Originalartikel: Beijing Launches Plans for Shenzhen to Become World Hub, in Apparent Bid to Replace Hong Kong



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