Bayern-Frust statt Wiesn-Lust – Coach Kovac kämpft

Was nun, Herr Kovac? Was nun, Herr Hoeneß? Was nun, Herr Rummenigge? Der schnell hochgelobte neue Bayern-Trainer muss früh um seinen Job in München kämpfen. Die Stars bekennen sich öffentlich zum Coach. Die Bosse schweigen - und lassen damit Spielraum für Spekulationen.
Titelbild
Bayern-Trainer Niko Kovac verlässt nach der 0:3-Pleite gegen Gladbach die Allianz Arena durch den Spielertunnel.Foto: Matthias Balk/dpa
Epoch Times7. Oktober 2018

Den Kater hatten Niko Kovac und die Bayern-Bosse schon vor dem ersten Prosit auf der Wiesn.

Zwar zwangen sich die Münchner Stars zum traditionellen Besuch des Oktoberfestes, doch nach dem demütigenden 0:3 (0:2) gegen Borussia Mönchengladbach und dem Absturz von den Champions-League-Rängen war die Stimmung schon vor der ersten Maß in einem Promizelt dahin.

„Ich kenne die Mechanismen im Fußball und in der Bundesliga. Ich weiß, dass die Zeit bei Bayern München anders läuft“, schätzte Coach Kovac seine persönliche Lage nach dem vorläufigen Saisontiefpunkt realistisch ein. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Entlassung von Carlo Ancelotti muss der Kroate um seinen Job beim deutschen Fußball-Rekordchampion kämpfen – und das bereits kurz vor Ablauf der 100-Tage-Schonfrist.

Präsident Uli Hoeneß („Heute Abend nix, leider“) und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schwiegen am Samstagabend in der Allianz Arena zu Krise und Kovac. Rückendeckung für den besonders von ihnen früh hochgelobten neuen Trainer gab’s keine. Er gehe davon aus, dass er diese noch habe, sagte Kovac zum Start in eine für ihn ungemütliche Länderspielpause. „Ich habe ja die Zustimmung bei den ersten sieben Spielen gehabt, jetzt nach den vier Spielen gehe ich auch davon aus“, sagte er. Es folgte ein entscheidender Zusatz: „Aber ich bin nicht derjenige, der letzten Endes diese Frage beantworten kann.“

Eine solche Negativbilanz wie die jüngste von Kovac wies zuletzt Louis van Gaal vor acht Jahren auf. Damals waren die Münchner sogar nur Zwölfter nach sieben Spieltagen und sagten kurzerhand sogar ihren traditionellen Oktoberfestbesuch ab. Van Gaal kämpfte sich zunächst aus der Krise, wurde aber ein halbes Jahr später doch entlassen.

„Wir müssen das nächste Spiel gewinnen und wieder hier rauskommen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir wieder alle zusammenrücken und sich jeder an die eigene Nase packt“, rief Sportdirektor Hasan Salihamidzic zum Zusammenhalt und zur Selbstkritik auf. Vier Pflichtspiele ohne Sieg, dazu zwei Liga-Niederlagen nacheinander ohne eigenes Tor bringen die Bayern in Bedrängnis.

„Das bedeutet nicht nur für den Trainer, sondern für den ganzen Verein nichts Gutes“, sagte Kapitän Manuel Neuer. „Es ist eine Mischung aus Fehlern, Unvermögen und einem gewissen Antilauf. Wir schießen zu wenig Tore, dazu kommt ein bisschen Verunsicherung auf“, analysierte Thomas Müller. Nur dreimal verloren die Münchner in der Bundesliga ein Heimspiel höher!

Spielwitz, Selbstverständlichkeit, Sicherheit – praktisch alles ist dem aktuell enorm tempoarmen Starensemble in wenigen Tagen abhanden gekommen. „Wir sind in einen Strudel gekommen, den wir uns nicht ausgemalt haben“, sagte Nationalspieler Niklas Süle, der vor dem 0:1 von Alassane Plea patzte. Lars Stindl nach einem groben Schnitzer von Thiago und Patrick Herrmann machten das Glück der hocheffizienten Gladbacher perfekt. „Ein 0:3 zu Hause darf uns einfach nicht passieren, egal wie effektiv der Gegner ist“, moserte Mats Hummels.

Seit Tagen rumort es in München. Daran hatte Hoeneß mit seinen provokanten Aussagen unter der Woche zur Rotation und Kovac‘ Verantwortlichkeit maßgeblichen Anteil. Dazu machten Gerüchte über Missstimmungen in der Kabine die Runde. „Wir stehen zum Trainer und haben auch in den ersten sieben Spielen zum Trainer gestanden, als der Trainer und wir auch hochgejubelt wurden“, sagte Süle.

Joshua Kimmich betonte, dass er einen „guten“ und „positiven“ Kovac erlebe. „Er versucht, uns immer wieder zu pushen. Erstaunlich wie selbstbewusst er trotzdem bleibt“, sagte der Nationalspieler, wies aber auf die branchenüblichen Gesetze hin. „Jeder Trainer in der Bundesliga und jeder Trainer in der Welt wird am Ende genauso wie wir Spieler an Erfolg und Misserfolg gemessen. So ist das auch beim FC Bayern München. Da sind wir keine Ausnahme.“

Kimmich ist nach dem Aus von David Alaba (Oberschenkelverletzung) der einzige verbliebene Außenverteidiger. Zu allem Übel fällt Kovac nun schon der vierte Spieler weg. Der ihm zur Verfügung gestellte und von den Verantwortlichen als zu groß empfundene Kader bietet gerade nicht viele Optionen. „Wir sind Bayern München und haben so viel Qualität im Kader. Da ist scheißegal, wer auf dem Platz steht“, sagte Süle.

Nach sechs Meistertiteln am Stück herrscht Ratlosigkeit. Die Protagonisten setzen auf die Länderspielpause, harte Arbeit und mehr Spielglück. „Immer Pech ist auch kein Zufall“, stellte Kimmich aber nüchtern fest. Neben den individuellen Fehlern in der Defensive ist der Mangel an erspielten Torchancen eklatant. „Wir haben Probleme, die richtigen Räume zu besetzen“, sagte Neuzugang Leon Goretzka.

Die von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus unterstellte Arbeitsverweigerung konnte man den bemühten Bayern-Stars aber nicht nachsagen. Allerdings monierte selbst Salihamidzic Mängel bei der „Körpersprache“. „Wir kommen da auf jeden Fall als Mannschaft wieder raus“, versprach Süle. Als Mannschaft – und auch mit diesem Trainer? (dpa)



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