FC-Coach Beierlorzer: Bundesliga «nie für möglich gehalten»

Als Profi schaffte es sein Bruder Bertram in die Bundesliga und sogar zum FC Bayern. Nun wird Achim Beierlorzer Bundesliga-Trainer. Mit 51. Der frühere Lehrer hat mit dem 1. FC Köln viel vor.
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Trainer beim Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln: Achim Beierlorzer.Foto: Marius Becker/dpa
Epoch Times14. August 2019

Ab Samstag darf Achim Beierlorzer sich Bundesliga-Trainer nennen. Dafür gibt der 51 Jahre alte Lehrer und Trainer des 1. FC Köln seinen Beamten-Status auf. Obwohl er den Traum vom Bundesliga-Coach nie hegte.

Herr Beierlorzer, Ihr Spieler Dominick Drexler erlebt mit 29 zum ersten Mal das Abenteuer Bundesliga und ist sehr aufgeregt. Wie geht es Ihnen mit 51?

Achim Beierlorzer: Genauso. Ich freue mich sehr und empfinde es als Privileg. Zumal es quasi auf dem zweiten Bildungsweg zustande kam.

Hätten Sie es vor zehn oder zwölf Jahren für möglich gehalten, irgendwann Bundesliga-Trainer zu sein?

Beierlorzer: Niemals. Vor zehn Jahren war ich Lehrer und habe einen kleinen Verein in der Bezirksliga trainiert. Es hat sich dann einfach entwickelt. Da ich in den professionelleren Bereich wollte, habe ich bei meinem Heimatverein SpVgg Greuther Fürth irgendwann die U17 übernommen. Aber den Plan, Bundesliga-Trainer zu werden, gab es nie.

Der FC hat den Ruf, in stürmischen Zeiten schnell Trainer zu verschlingen. Haben Sie Angst, dass der Traum von Bundesliga-Trainer schnell wieder vorbei ist?

Beierlorzer: Wer in diesem Geschäft arbeitet, weiß, was passieren kann. Aber ich fühle großen Rückhalt. Und ich werde sehr fleißig arbeiten. Man wird mich nicht nachmittags Golf oder Tennis spielen sehen.

Gehen Sie die Aufgabe durch Ihren besonderen Weg gelassener an? Weil sie sagen: Es gab ein Leben davor, und es wird sicher auch eines danach geben?

Beierlorzer: Zumal ich das Leben davor genossen habe. Ich war sehr gerne Lehrer. Aber der Fußball hat mich nie losgelassen. Meine Frau hat dann gesagt: Du musst unbedingt den Fußball-Lehrer machen.

In diesem Sommer haben Sie den Beamten-Status verloren. Hätten Sie diese Entscheidung auch getroffen, wenn Sie bei Jahn Regensburg in der 2. Liga geblieben wären?

Beierlorzer: Absolut. Es war eine Grundsatz-Entscheidung. Ich hatte ja in Regensburg einen Vertrag bis 2022, den ich bewusst unterschrieben habe. Es geht im Endeffekt auch nur um den Beamten-Status und nicht um meine Befähigung, Lehrer zu sein. Das Fußball-Geschäft hat mir schon in Regensburg sehr viel Freude bereitet. Und es gibt nichts Schöneres im Leben als das zu tun, woran man richtig Freude hat.

Als Spieler haben Sie einst gesagt, Sie wollten Franken niemals verlassen. Wie geht es Ihnen nun in der großen weiten Welt?

Beierlorzer: Toll. Bis ich 2014 nach Leipzig gegangen bin, war ich tatsächlich immer im Frankenland. Und 2014 wollte ich eigentlich auch nicht aus Fürth weg. Damals wollte ich die U23 übernehmen, weil ich wieder in den Herren-Bereich wollte. Aber Helmut Hack (damaliger Präsident, d. Red.) hatte eine andere Idee.

Wollen Sie sich auch in das kölsche Leben stürzen? Kölsch trinken, Karneval feiern?

Beierlorzer: Definitiv möchte ich Köln erleben. Aber ich bin niemand, der nachts um die Häuser zieht. Auf Karneval bin ich sehr gespannt. Ich war noch nie im Kölner Karneval. Aber in meinem Heimatort Neunkirchen am Brand gab es am Faschings-Dienstag einen Umzug. Das war für mich eine Pflichtveranstaltung.

Spannend ist auch die Geschichte Ihres ersten Abschieds aus Fürth 1996. Damals sagten Sie, der neue Trainer Armin Veh habe nicht mit Ihnen geplant. Nun ist dieser Armin Veh der Sportchef, der Sie nach Köln in die Bundesliga holte. Gab es da irgendetwas auszuräumen?

Beierlorzer: Manchmal schließt sich der Kreis auf einer völlig anderen Ebene (lacht). Tatsächlich haben wir bei unserem Treffen erst einmal 20 Minuten über alte Zeiten gesprochen. Da ging es natürlich auch um dieses Thema. Und wir mussten beide sehr schmunzeln. Für mich gab es nie einen bösen Gedanken, weil diese Entscheidung absolut nachvollziehbar war. Damals fusionierten Vestenbergsgreuth und Fürth. Beide Trainer waren weg, und die Mannschaft wurde zusammengestellt aus je sieben Spielern beider Vereine und sieben Neuen. Und man muss ehrlich sagen: Ich war nicht unter den sieben Besten unserer Mannschaft. Das habe ich damals genauso gesehen. Zumal Armin Veh in Domenico Sbordone einen richtig guten Spieler für meine Position mitgebracht hat. Und mir war immer klar, dass ich kein Profi werde, der mit Fußball spielen richtig viel Geld verdient.

Ottmar Hitzfeld, der wie Sie zuvor Mathematik-Lehrer zuvor war, wurde beim FC Bayern von Karl-Heinz Rummenigge einmal mit den Worten zurechtgewiesen, Fußball sei „keine Mathematik“. Ist das richtig oder findet sich viel Mathematik im Fußball?

Beierlorzer: Prinzipiell stimmt die Aussage natürlich. Das ist Logik. Fußball ist Fußball und keine Mathematik. Aber es steckt schon viel Mathematik im weitesten Sinne im Fußball. Zum Beispiel, wenn es um logische Strukturen geht, um aufeinander aufgebaute Systeme. Und wenn wir über die Besetzung von Räumen sprechen, braucht man durchaus auch ein bisschen Geometrie.

Inwiefern unterscheidet sich die Führung einer Klasse von der einer Fußball-Mannschaft?

Beierlorzer: Auch da gibt es Parallelen. Eine Fußball-Mannschaft besteht aus mehr als elf Spielern. Man darf weder vergessen, die Starken zu fördern und noch besser zu machen. Noch darf man vergessen, alle mitzunehmen. Wenn ich mich um jemanden nicht kümmere, fühlt er sich der Mannschaft nicht zugehörig. Der große Unterschied ist: In der Schule geht es nicht um eine Klassenleistung, sondern um Einzelleistungen.

Sie haben den Fußball-Lehrer als Lehrgangsbester mit einem Schnitt von 1,0 absolviert. Waren Sie da ein Streber?

Beierlorzer: Ein Streber war ich schon. Aber nicht in dem Sinne, dass es mir um die Note ging. Ich hatte auch nie den Plan, Lehrgangsbester zu werden. Ich wollte einfach alles aufsaugen. Man muss sich vorstellen: Ich gehe aus meinem Beruf heraus, wir haben investiert als Familie. Das war schon eine Verantwortung.

Für viele wurde das Etikett „Lehrgangsbester“ zum Fluch.

Beierlorzer: Mir hat es sehr genutzt. Durch das Etikett „Lehrgangsbester“ wurde man auf mich aufmerksam.

Sie waren zu Hause auch zu elft, eine komplette Fußball-Mannschaft. Und Sie waren von den neun Kinder das jüngste. Hat Sie das gelehrt, sich durchzubeißen?

Beierlorzer: Ich war eher das Nesthäkchen (lacht). Aber ich glaube, daher kommt meine brutal positive Sicht auf die Dinge. Davon lasse ich mich auch nicht abbringen. Ich bin sicher, es ist besser, positiv durch die Welt zu gehen als als Griesgram.

Sie haben auch das Saisonziel sehr positiv formuliert, indem Sie sagten, es gehe als Aufsteiger nicht um den Klassenerhalt. Sondern darum, möglichst gut abzuschneiden.

Beierlorzer: Wir wollten es vermeiden, mit dem Minimalziel „Klassenerhalt“ reinzugehen. Wenn wir das am Ende erreichen, sind wir auch zufrieden. Aber es geht darum, nicht mit der devoten, angstorientierten Einstellung heranzugehen, bloß nicht abzusteigen. Sondern mit dem Willen, das Bestmögliche erreichen zu wollen.

Ihr Bruder Bertram war Profi beim FC Bayern München und sagte: „Mein Name wird bald vergessen sein, seiner nicht.“

Beierlorzer: Seine Zeit als Profi ist lange vorbei. Dass ich nun als Trainer unseren Namen wieder in die Öffentlichkeit trage, ist eine schöne Sache. Die Familie fiebert voll mit, auch Bertram. Früher war es umgekehrt. Da habe ich als kleiner Junge im Stadion gestanden, meinen Bruder spielen sehen und war stolz wie Harry. Nun dreht sich das Ganze eben.

In Köln, so sagen viele Spieler, herrschte im Vorjahr trotz des Aufstiegs nicht die beste Stimmung. Von Ihnen hört man nichts in der Richtung. Dabei hört man oft, wenn Trainer Vereine übernehmen, direkte oder indirekte Kritik am Vorgänger. Um sich selbst zu positionieren oder auf die Schwere der Aufgabe hinzuweisen.

Beierlorzer: Ich bin, und dafür danke ich meinen Eltern, so erzogen worden, dass man immer Respekt voreinander hat. Ich bin hierhergekommen, um Dinge ab jetzt zu beeinflussen. In athletischer, taktischer, aber auch in atmosphärischer Hinsicht. Was davor war, kann ich ja gar nicht beurteilen. Und deshalb werde ich auch nicht über Dinge in der Vergangenheit reden.

Muss es da mehr Solidarität unter den Trainern geben?

Beierlorzer: Da bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Man darf eigentlich gar nicht über das reden, was vorher war, weil man nicht dabei war. Wenn man hört, eine Mannschaft sei „körperlich in einem ganz schlechten Zustand“, finde ich das schwierig. Selbst, wenn es so wäre, würde ich das umschiffen. Bearbeiten muss man es ja so oder so. Aber man muss es nicht an die große Glocke hängen.

ZUR PERSON: Achim Beierlorzer (51) schaffte es als Spieler bis in die 3. Liga. Trainer ist er schon seit 17 Jahren. In der 2. Liga trainierte er 2015 für vier Monate als Interimstrainer RB Leipzig und in den vergangenen beiden Jahren Jahn Regensburg. Am Samstag beim VfL Wolfsburg erlebt der frühere Gymnasial-Lehrer für Mathematik und Sport als Trainer des 1. FC Köln sein erstes Spiel in der Bundesliga. (dpa)



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