Das legendäre WM-Orakel Paul und seine mehr oder weniger erfolgreichen Erben

In Oberhavel soll es ein Zwergpony werden, in Stuttgart ist es eine Elefantenkuh, in Dortmund ein Microschwein vom Biobauernhof, in Neunkirchen ein Schneeleopard und in Russland ein taubes Kätzchen: Kurz vor der Fußballweltmeisterschaft werden die WM-Orakel aus ihrer Tierwelt hervorgeholt. Was den Fußballern der Traum vom WM-Pokal, ist dabei den Tierhaltern der Traum von Paul.

Seit der Krake Paul aus einem kommerziellen Großaquarium in Oberhausen 2010 bei allen sieben Spielen der deutschen Nationalmannschaft sowie für das Finale treffsicher den Sieger Spanien tippte, wurden vermeintlich tippsichere Tiere zu einem festen Bestandteil von Großturnieren. Mit einem entscheidenden Nachteil: Seit Paul liegen die Tiere meist enttäuschend deutlich daneben.

Da ist etwa Elefantenkuh Zella, die im Stuttgarter Zoo bei der WM ihre Tipps abgibt. Der wenige Monate nach der Südafrika-WM eines natürlichen Todes verstorbene Paul würde sich angesichts von Zellas bisheriger Vita vermutlich im Grabe umdrehen. Die Elefantenkuh hatte vor der Europameisterschaft 2016 Nordirland als Europameister prognostiziert – die Nordiren fuhren aber aus vier Spielen drei Niederlagen ein und schieden im Achtelfinale aus.

In Stuttgart glauben sie dennoch weiter an Zella, immerhin hatte sie sich vor zwei Jahren im Turnierverlauf immer weiter gesteigert und auch den Finalsieg von Portugal gegen Frankreich richtig getippt. Vielleicht ist es auch ein gutes Omen, dass Zella eine zweite Chance bekommt: Denn auch Paul war bei seinem ersten Tipp nicht zu hundert Prozent treffsicher, bei der EM 2008 lag er bei sieben Spielen zweimal daneben.

In Spanien wurde sogar eine Straße nach dem WM-Paul benannt

Die Hysterie um Paul wuchs bei der WM 2010 auch erst in Richtung des WM-Finales – dies dann allerdings in einem beispiellosen Ausmaß. Weltweit wurden seine Tipps im Fernsehen übertragen. Im Land des späteren Weltmeisters Spanien diskutierte die Regierung über Paul, sogar eine Straße wurde nach ihm benannt.

Das Geheimnis des Octopus vulgaris konnte nie entschlüsselt werden. Während Mathematiker den Hinweis bemühten, dass diese Treffsicherheit zwar nicht wahrscheinlich, aber immer noch deutlich wahrscheinlich als ein ja regelmäßig vorkommender Lottogewinn sei, wähnten andere menschliches Fachwissen als Hintergrund. Tintenfische lassen sich mit einem wohlriechenden Futter lenken, ein fußballkundiger Mensch hätte Paul also bei seinen Tipps beeinflussen können.

Das wahre Geheimnis von Paul dürfte hingegen ein anderes gewesen sein. Ein Jahr nach der WM erhielt eine PR-Agentur den Internationalen Deutschen PR-Preis für ihre Idee von einem orakelnden Octopus, die dem Oberhausener Großaquarium eine unbezahlbare Dauerwerbung einbrachte.

Russlands Orakel: die Katze Achillis

In Russland hoffen sie nun, dass die Katze Achilles als offizielles WM-Orakel ähnliche Aufmerksamkeit weckt. Diese ist schneeweiß und außerdem taub, was ihr einen entscheidenden Vorteil verschaffen soll. Die Taubheit bringe Achilles eine unschlagbare Intuition, „er kann mit seinem Herzen sehen“, sagt Anna Kasatkina, eine für das Wohlbefinden von Achilles verantwortliche Tierärztin.

Während Paul 2010 durch die Wahl seines Futters aus zwei zur Verfügung stehenden Boxen den Tipp abgab, soll Achilles aus mit Flaggen markierten Fressnäpfen den Sieger tippen.

Für die russischen Veranstalter bringt er schon jetzt einen guten Werbeeffekt: Achilles lebt mit vielen anderen Katzen im berühmten Palastkomplex Eremitage in Sankt Petersburg.

Während der WM soll er in einem benachbarten Café leben, tippen und auch WM-Touristen treffen – ob Achilles ein Star wird, dessen Glanz auch auf die Eremitage strahlt, hängt allerdings alleine an seiner Treffsicherheit. (afp)