Seehofer kommt, Merkel zögert: Deutschlands Politiker in der WM-Zwickmühle

Horst Seehofer kommt, die Kanzlerin hält sich bedeckt und Großbritannien boykottiert: Wie die Politik mit der Herausforderung WM umgeht.
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Russische Matroschkas und die Fußball-WM.Foto: iStock
Epoch Times3. Juni 2018

Deutschlands Edel-Fan Angela Merkel in Jubelpose auf der Tribüne, die Arme leicht unbeholfen in die Höhe gestreckt – ob es dieses Bild bei der Fußball-WM in Russland geben wird, ist mindestens fraglich.

Die Bundeskanzlerin muss vorsichtig sein. Denn auf politischer Ebene gleicht der Umgang mit dem skandalumwitterten Riesenreich einem Eiertanz. Kein Wunder, dass sich aus der Regierungselite bislang nur Innenminister Horst Seehofer für einen Besuch ausgesprochen hat.

„Wenn es mein Terminkalender zulässt, werde ich ein Spiel der deutschen Mannschaft besuchen“, sagte der für Sport zuständige CSU-Minister der Bild am Sonntag. „Am liebsten natürlich am 15. Juli – denn dann wäre Deutschland im Endspiel.“

Aus dem Merkel-Lager klang der Ton wesentlich nüchterner.

Über die Reisepläne der Bundeskanzlerin informiert der Regierungssprecher in der Regel am Freitag der Vorwoche. So halten wir es auch in diesem Fall.“

Statt jetzt schon eine definitive Entscheidung zu fällen, bewegt sich Merkel dieser Tage auf ungefährlicherem Terrain und kam dem Wunsch des Bundestrainers Jogi Löw nach einem Besuch im Trainingslager in Eppan/Südtirol nach. Weit weg von Diskussionen über das umstrittene Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Steinmeier, Heiko Maas und Olaf Scholz bleiben lieber zu Hause

Definitiv keine Reise zur WM haben derweil laut Bild-am-Sonntag-Umfrage Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Außenminister Heiko Maas und Vize-Kanzler Olaf Scholz (alle SPD) geplant.

Gründe, sich eine WM-Tour zumindest zweimal zu überlegen, gibt es zuhauf. Der Gift-Anschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal, die Unterstützung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad im Bürgerkrieg, der Staatsdoping-Skandal und der Ukraine-Konflikt: Es sind nur einige Beispiele auf einer langen Liste von Vorfällen, welche große Teile der Weltgemeinschaft gegen Russland aufbrachten.

Großbritannien und Island hatten bereits nach dem Anschlag auf Skripal im englischen Salisbury im März den WM-Boykott ihrer Politiker erklärt, Australien zumindest damit gedroht.

Andrea Nahles wäre gern im Finale dabei

Für Deutschland kann ein geschlossener Rückzug ausgeschlossen werden. Das Stimmungsbild unter den Parteivertretern ist durchaus heterogen. „Ich freue mich auf die Weltmeisterschaft und drücke dem deutschen Team die Daumen. Und wenn sie ins Finale kommen, wäre ich gern in Russland dabei“, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles.

Thomas Oppermann, Nahles Vorgänger als Fraktionsvorsitzender im Bundestag, wolle sich jedoch kein Spiel vor Ort ansehen. Man müsse „Differenzen, die wir mit Russland haben, klar benennen“, sagte der Bundestagsvizepräsident dem Deutschlandfunk. Dennoch solle Deutschland

gleichzeitig immer deutlich machen, dass wir wieder eine bessere Partnerschaft mit Russland wollen“.

Kritik von den Grünen

Ehrliche Kritik, das wollen auch Teile der Opposition. Grünen-Chefin Annalena Baerbock gibt die Mahnerin: „Ich hätte mir gewünscht, dass die WM auf der Grundlage von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und freier Berichterstattung ausgetragen wird.“

Zur Erinnerung: Russland liegt in der von „Reporter ohne Grenzen“ herausgegebenen Rangliste für Pressefreiheit nur auf Rang 148 (!) von 180.

AfD-Chef Gauland: Warum denn nicht?

AfD-Boss Alexander Gauland dagegen hat gegen eine WM in Russland nichts einzuwenden:

Das ist so in den zuständigen Gremien beschlossen worden und daher völlig okay. Die Vertreter der Bundesregierung sollten natürlich unsere Fußballer dort durch ihre Präsenz unterstützen.“

Merkel besucht Fußball-Nationalmannschaft im Trainingslager in Südtirol

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ihren traditionellen Besuch im Trainingslager vor der Weltmeisterschaft abgestattet.

Merkel traf am Sonntagabend im Hotel der Mannschaft in Eppan in Südtirol ein, wo sie freundlich erwartet wurde: „Ihre Ansprache war für die Mannschaft immer interessant“, beteuerte Bundestrainer Joachim Löw vor Merkels Eintreffen laut Agentur SID. „Wir freuen uns auf ihren Besuch.“

Nach der 1:2-Niederlage am Vorabend gegen Österreich hatte die Mannschaft womöglich etwas Zuspruch nötig. Löw präsentierte sich als höflicher Gastgeber: „Wir haben genug Zeit, unsere Entscheidungen zu treffen. Die Kanzlerin kommt uns auf keinen Fall in die Quere“, sagte er laut SID.

Merkel wollte den Fußballern vor der Weltmeisterschaft in Russland „viel Glück und Erfolg wünschen“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert vorab mitteilte. Auch vor früheren Turnieren hatte sich Merkel mit der Nationalmannschaft getroffen.

(SID/afp)



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