Klassikerjubiläum im Titelkampf: «Geilstes Spiel der Saison»

Der 100. «deutsche Clásico» gilt als großes Endspiel um die deutsche Fußball-Meisterschaft. Im Duell zweier «Dirigenten» fordert Niko Kovac Handwerk statt Kunst, Lucien Favre ein «perfektes Spiel». Uli Hoeneß orakelt über ein «Zünglein an der Waage».
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Bayern-Trainer Niko Kovac (l) oder BVB-Coach Lucien Favre (r): Einer wird erstmals Meistertrainer werden.Foto: Bernd Thissen/dpa/dpa
Epoch Times5. April 2019

Megaknaller als Meisterschaftsspektakel: Der zum Endspiel um die Schale hochgehypte 100. deutsche Clásico sorgt für höchsten Nervenkitzel im Titelkampf der Fußball-Bundesliga.

Nach sechs Championaten mit erdrückender Dominanz droht dem FC Bayern gegen Spitzenreiter Borussia Dortmund der K.o. – oder gelingt eine glorreiche Rückkehr an die Tabellenspitze? Wegweisend ist der Showdown der besten deutschen Mannschaften auch für Niko Kovac (47 Jahre) und Lucien Favre (61) persönlich: Einer wird sich am Saisonende erstmals zum Meistertrainer in Deutschland küren.

„Das ist das geilste Spiel der Saison, darauf wartet ganz Deutschland. Wahrscheinlich ganz Europa“, sagte der Münchner Nationalspieler Leon Goretzka. Viele Millionen an den TV-Bildschirmen in 205 Ländern sind ebenso wie 75.000 Zuschauer in der ausverkauften Allianz Arena elektrisiert, wenn es am Samstag (18.30 Uhr/Sky) um weitere Punkte für den siebten Münchner Titel am Stück oder den ersten der Borussia seit 2012 geht.

„Für die Zuschauer ist es sicherlich perfekt, besser kann es nicht laufen“, sagte Kovac, dessen Rekordmeister-Ensemble noch kein großes Spiel in dieser Saison gewonnen hat. FC Liverpool (0:0, 1:3), Ajax Amsterdam (1:1, 3:3) oder das Hinspiel in Dortmund (2:3) – ein Sieg fehlt bei den elitäreren Kräftemessen (noch). „Wir sind am Wochenende bereit, das zu schaffen“, versicherte Kovac.

Ein Dortmunder Sieg würde den langjährigen Branchenführer Bayern aber auf fünf Punkte distanzieren – das könnte es im Titelrennen gewesen sein. „Aufgrund der Tabellensituation wird es ein spezielles Spiel“, räumte Favre ein. „Wir müssen eine perfekte Leistung liefern, wenn wir gewinnen wollen.“ Die Protagonisten beider Seiten sind aber bemüht, unabhängig vom Ausgang ein offenes Rennen für die danach noch ausstehenden sechs Spieltage zu proklamieren. „Ich glaube, dass es bis zum Ende spannend bleiben wird“, sagte BVB-Kapitän Marco Reus vor dem 100. Klassiker zwischen diesen beiden Teams in der Bundesliga.

Der irrwitzige bayerische Pokal-Auftritt zeigte einmal mehr Münchner Mängel auf, die Kovac klar benannte. „Angreifen ist Kunst, Verteidigen ist Handwerk. Das ist relativ einfach, aber man muss es unbedingt wollen“, sagte der kroatische Coach vor dem Duell gegen den BVB, den man mit „Superlativen“ loben könnte.

Vier Tore gegen Zweitligist Heidenheim beim 5:4-Spektakel im Pokal waren der jüngste Beweis, dass die in der Defensive traditionell so stabilen Bayern oft bedenklich wackeln. „Wenn Sie Kinder haben, dann reicht es nicht, das einmal zu sagen. Man muss es immer wieder von Neuem sagen“, umschrieb Kovac seine neuerliche Vorgabe. Mit seinem Plädoyer für Abwehrarbeit und verschärfter Kritik nahm er seine Stars besonders in die Pflicht.

Marco Reus, Jadon Sancho und wohl Mario Götze anstatt des angeschlagenen Paco Alcácer könnten das mitunter wackelige FCB-Kollektiv vor noch größere Probleme stellen als das Robert Glatzel oder Marc Schnatterer am Mittwoch taten. Allerdings hielten die Bayern auch schon geballte Offensivpower wie Roberto Firmino, Mohamed Salah und Sadio Mané vom FC Liverpool beim 0:0 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in Schach. Damals brillierte Javi Martínez als defensiver Mittelstratege. Er ist für das Borussia-Match eine Option. Zurückkehren sollen die genesenen Manuel Neuer und David Alaba.

Die Verletzungen von Achraf Hakimi (Mittelfußbruch) und vielleicht auch Abdou Diallo (muskuläre Probleme) könnten dagegen Löcher in das BVB-Gefüge reißen. Der Ausfall des Spaniers Alcácer, der mit 16 Saisontreffern hinter Münchens Robert Lewandowski (19) der zweitbeste Torjäger der Liga ist, würde die Gäste sehr schmerzen.

Doch letztlich ist der größte Bundesliga-Tag seit Jahren mehr eine Frage der Ein- als der Aufstellung. „Ich hoffe, dass sich jeder Spieler im Klaren ist, dass er über sich hinauswachsen muss, um einen sehr starken Gegner in den Schranken zu halten“, mahnte Uli Hoeneß. „Wenn wir gewinnen, haben wir gute Chancen, weil wir ein sehr gutes Torverhältnis haben und das Restprogramm in etwa gleich ist. Der eine Punkt, den wir dann wieder vorne wären, könnte inklusive des Torverhältnisses das Zünglein an der Waage sein.“

Nach dem Sieg-Befehl des Bayern-Präsidenten spürt Kovac keine vergrößerte Last. „Dass Uli Hoeneß den Anspruch hat, Meister zu werden und das Spiel zu gewinnen, ist klar. Das erhöht den Druck nicht, der ist immer da“, sagte der Coach. „Es liegt in der Natur des Menschen, Erster sein zu wollen, weil der Zweite schon der erste Verlierer ist.“ Der Liga-Gipfel könnte je nach Ausgang auch die Frage aufwerfen, ob Kovac trotz Vertrags bis 2021 der geeignete Mann für den im Sommer bevorstehenden größeren Umbruch ist.

„Wunderbare Arbeit“ bescheinigt der frühere Bayern-Sportvorstand und aktuelle BVB-Berater Matthias Sammer Kovac. „Er braucht ein kleines bisschen Zeit, um das Top-Level zu erreichen.“ Sammer freut sich auf ein „Dirigenten“-Duell zwischen dem Kroaten und Favre. „Es kann am Ende nur einer vorne stehen. Aber ich glaube nicht, dass der andere ein Verlierer ist“, formulierte es der Eurosport-Experte. Favre könnte weitere Argumente für eine Verlängerung des bis 2020 datierten Vertrages sammeln.

Auf neun Punkte war Dortmund enteilt, Bayern kämpfte sich bravourös zurück – und gab die Spitze vor einer Woche doch wieder an die Last-Minute-Sieger aus Westfalen her. „Es ist sicher ein besseres Gefühl, als Tabellenführer nach München zu reisen. Das sollte uns das nötige Selbstvertrauen geben“, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl erwartet „unglaublich gierige“ Bayern. „Wir müssen noch einige Berge erklimmen, aber wir sind auf gutem Weg“, umschrieb es Reus. (dpa)



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