Klosterhalfens größter und schwierigster Tag

Die Debatte um das Nike Oregon Project geht auch nach Konstanze Klosterhalfens WM-Erfolg weiter - und wird so schnell nicht verstummen. Die Ausnahmeläuferin wird gute Beratung brauchen für ihre weitere Karriere.
Titelbild
Konstanze Klosterhalfen hüllt sich nach ihrem dritten Platz über 5000 Meter in eine deutsche Fahne.Foto: Michael Kappeler/dpa/dpa
Epoch Times6. Oktober 2019

Sogar die Deutschland-Fahne, die Konstanze Klosterhalfen noch lange nach dem Rennen schützend um sich hüllte, hatte ein paar Blutflecken.

Fragen über Fragen prasselten auf die zierliche Läuferin nach ihrem dritten Platz im 5000-Meter-Finale nieder. Die Wunde am Knie und die Kratzer von der Spikes der Konkurrentinnen beachtete sie nicht, sondern schaute mit ihren großen Augen in Kameras und Mikrofone. „Ich weiß noch gar nicht, wie ich mich fühlen soll“, sagte die 22-Jährige bei der Leichtathletik-WM in Doha.

Am Ende einer Woche, wo sie im Zusammenhang mit der Doping-Sperre für Alberto Salazar, dem Starcoach des Nike Oregon Projects, in den Schlagzeilen stand, lieferte Klosterhalfen ein großartiges Rennen. Die spätere Goldmedaillengewinnerin Hellen Obiri direkt vor ihr, deren kenianische Teamkolleginnen Margaret Chelimo Kipkemboi und Lilian Kasait Rengeruk im Rücken – so kämpfte sich die Leverkusenerin durch die letzten Runden.

„Ein paar Tritte“, bekam sie dabei ab, daher die Schrammen. Erst auf der Zielgeraden musste „Koko“ Obriri und Kipkemboi ziehen lassen, ehe sie nach 14:28,43 Minuten ins Ziel kam. Es war die erste Medaille einer Deutschen überhaupt auf dieser Strecke bei einer WM oder Olympischen Spielen.

„Das Schwierigste war, ruhig zu bleiben“, sagte Klosterhalfen später. Mit der schwarz-rot-goldenen Fahne hüpfte sie freudig über die Bahn im Khalifa-Stadion und rannte zu den Zuschauerrängen, wo ihre Eltern standen – und Oliver Mintzlaff: Der Sportvorstand des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig und frühere Leichtathlet gilt als der starke Mann im Beraterteam der Ausnahmeläuferin.

Gute Beratung, das wird Klosterhalfen in den nächsten Monaten und Jahren brauchen: Will sie, dass der Salazar-Skandal wie Pech und Schwefel immer an ihren Erfolgen klebt? Will sie wirklich weiter in Oregon trainieren? Will sie wirklich einem Projekt angehören, von dem Travis Tygart, der Chef der US-Anti-Doping-Agentur, sagte: „Die Athleten waren Versuchstiere, so muss man es sagen.“

Natürlich bezogen sich die Ermittlungen der USADA auf die Zeit zwischen 2010 und 2014, lange bevor sich Klosterhalfen im Herbst 2018 nach Portland aufmachte. Darauf verwies die WM-Dritte auch am Samstag wieder. „Ich weiß, dass es keine Athleten aus unserer Truppe betrifft, und mein Trainer heißt Pete Julian. Deshalb freue ich mich schon wieder darauf, zurück nach Amerika zu gehen.“ Julian war allerdings Salazars Assistent.

Vor dem Endlauf, beteuerte Klosterhalfen, war die Causa Salazar „kein Thema für mich. Die letzten zehn, zwanzig Stunden habe ich nur an den Race-Plan gedacht“ – „keine Sekunde“ an das Doping-Thema. Dass sie jetzt in der Weltspitze mitlaufen könne, „ist ein ganz cooles Gefühl“. Dann sagte Klosterhalfen noch: „Danke nach Amerika! Das hier zeigt, was für einen guten Job das Team gemacht hat.“

Das Nike Oregon Projekt hat schon lange einen zweifelhaften Ruf, trotz und auch gerade wegen der Erfolge wie die des vierfachen Olympiasiegers und sechsfachen Weltmeisters Mo Farah aus Großbritannien. Die Amerikanerin Jenny Simpson, Ex-Weltmeisterin über 1500 Meter, hatte nach der Verkündung der vierjährigen Sperre für Salazar und Teamarzt Jeffrey Brown gesagt: „Jeder, der jetzt schockiert ist, ist nicht in diesem Sport involviert.“

Sifan Hassan, die ebenfalls in der Nike-Elitetruppe in den USA trainiert, reagierte nach den turbulenten Tagen mit einem Gefühlsausbruch. Nach ihrem Triumph über 1500 Meter in der Europarekordzeit von 3:51,95 Minuten – zuvor hatte die Niederländerin bereits Gold über 10 0000 Meter gewonnen – gab sie noch auf der Laufbahn ein tränenreiches Interview. „Ich bin sauber und werde immer sauber sein“, sagte sie später.

Auch Klosterhalfen betonte, „dass wir alle sauberen Sport machen“. Ob sie all die Fragen wegen Salazar nachvollziehen könne – schließlich studiert sie ja Sportjournalismus? „Ich hoffe, dass ich mich ein bisschen mehr auf die positiven Nachrichten konzentrieren kann“, sagte sie mit Blick auf ihre mögliche Berufswahl. (dpa)



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