Löw verzeiht Losfee Lahm: Mega-Duelle als EM-Chance

Weltmeister 2014, Europameister 2016, Weltmeister 2018: Die Hammer-Konstellation mit Frankreich und Portugal setzt Joachim Löw unter Druck. Der Bundestrainer will aber positiv denken. Direktor Bierhoff mahnt: Die EM überstrahlt Bundesliga und Königsklasse.
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Freut sich auf die EM-Spiele in München: Bundestrainer Joachim Löw.Foto: Christian Charisius/dpa/dpa
Epoch Times1. Dezember 2019

Nach einer kurzen Nacht in Bukarest hatte Joachim Löw seinem Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm verziehen. Der erste EM-Schreck war beim winterlichen Flockenwirbel in der Hauptstadt Rumäniens rasch überwunden.

Die ausgerechnet vom Ehrenspielführer Lahm als Losfee besiegelte Hammergruppe mit den Mega-Duellen gegen Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal erkor der Bundestrainer sogar zur großen Chance auf einen außergewöhnlichen Turniersommer in München. Gedanken an ein neues frühes Scheitern nach dem WM-Desaster 2018 in Russland ließ Löw nicht zu.

„Die Vorfreude wird größer, das muss man sagen. Wir konnten die Auslosung so vielleicht nicht erwarten. Man denkt immer, dass man nicht unbedingt zwei sehr starke Mannschaften in der Gruppe vorfindet. Ich finde, die Spannung erhöht sich und die Vorfreude steigt und die Begeisterung schwappt ein bisschen über“, sagte ein energischer Löw der Deutschen Presse-Agentur.

Wie schwer die Aufgaben bei den Heimpartien in der Münchner Allianz Arena am 16. und 20. Juni gegen Weltstars wie Kylian Mbappé und Cristiano Ronaldo aber sein werden, verdeutlichte Oliver Bierhoff. Der Direktor machte in der DFB-Reisegruppe um Löw und den neuen Verbandsboss Fritz Keller den skeptischsten Eindruck. Aufschub oder eine behutsame Entwicklung gibt es jetzt jedenfalls für das junge Umbruch-Team um Serge Gnabry und Joshua Kimmich nicht mehr.

„Wir werden jetzt schon im Januar in die Köpfe der Spieler setzen, dass Meisterschaft und Champions League wichtig sind, aber dass man schon im Kopf hat, dass da im Sommer eine ganz große Aufgabe wartet. Wir dürfen in der Vorbereitung kein Prozent liegen lassen“, sagte Bierhoff. Auch Löw weiß natürlich, dass sein siebtes großes Turnier als Chefcoach ihn in bislang nicht gekannter Form fordern wird.

Noch in Bukarest setzte er sich nach der Auslosung mit Keller und Bierhoff zusammen und analysierte vor der Heimreise in den Schwarzwald in einer ersten EM-Nachtsitzung die neue Lage. Löw weiß, dass Wettkampfhärte zum Faktor wird. Testspiele gegen Spanien im März und die Schweiz im Trainingslager Ende Mai sind fest vereinbart. Ein weiterer Hochkaräter wird für die zweite März-Partie gesucht. Die EM-Generalprobe gibt es im Juni kurz vor dem Einzug ins EM-Quartier.

„Umso stärker die Gegner sind, umso besser für uns. Das sind Spiele, die wir jetzt brauchen. Die Mannschaft ist noch jung. In der Qualifikation haben wir uns gut aus der Affäre gezogen. Aber jetzt braucht die Mannschaft Gegner wie Spanien, die in der Weltklasse sind. Das sind die Herausforderungen, an die sich unsere Spieler gewöhnen müssen“, sagte Löw. „Jeder muss ans Limit gehen, wenn er da eine Chance haben will“, sagte der 59-Jährige. Noch genauer wird er den Heilungsprozess von Abwehrchef Niklas Süle und Turbo-Stürmer Leroy Sané nach deren Kreuzbandrissen verfolgen.

Die heißen Duelle der letzten drei großen Turniersieger von WM 2014 (Deutschland), EM 2016 (Portugal) und WM 2018 (Frankreich) sieht Löw als Chance auf einen speziellen Turniereffekt. Verflogen ist die Debatte um ein Fan-Desinteresse am deutschen Team. Das wird auch der Run auf die EM-Tickets belegen, wenn am 4. Dezember die nächste Verkaufsphase beginnt. „Die Leute freuen sich auf so eine Gruppe“, meinte Löw. So sieht es auch Karl-Heinz Rummenigge. „Ich wünsche ihnen ein Sommermärchen“, sagte der Bayern-Vorstandschef.

Bierhoff wies auf einen noch unbekannten EM-Faktor hin. „Man darf auch nicht den dritten Gegner vergessen, das kann auch noch Island sein. Für unsere junge Truppe wird das eine große Herausforderung“, sagte der EM-Champion von 1996. Es könnte im Gruppenfinale am 24. Juni gegen den noch zu ermittelnden Playoff-Sieger immerhin darum gehen, nach dem WM-Aus 2018 einen weiteren Gruppen-K.o. abzuwenden.

Portugal dient als Mutmacher. 2016 mogelte sich Cristiano Ronaldo mit drei Remis durch die Vorrunde, kam als Gruppendritter weiter und feierte später in Paris den EM-Titel. Kimmich will „Euphorie entfachen“, wunderte sich aber: „Ich finde es merkwürdig, dass der Weltmeister von 2014, der Europameister von 2016 und der Weltmeister von 2018 in einer Gruppe sind.“ Toni Kroos reagierte mit ironischem Unterton. „Schöne Auslosung, übrigens“, twitterte der Real-Star. Kapitän Manuel Neuer urteilte kurz: „Das sind schon Traumgegner!“

Die Titelhoffnungen hat Löw bei seinem vierten EM-Anlauf nicht aufgegeben. „Die letzten Turnierspiele sind in London, das ist unser Ziel!“ Auch Bierhoff formulierte hohe Erwartungen: „Die Ansprüche an uns sind immer groß, auch wenn du so eine Gruppe hast. Wenn man ein Turnier spielt, will man bis zum Ende marschieren.“

Löws ausgiebige Turniererfahrung bringt auch Mutmacher mit sich: Portugal (4:0) und Frankreich (1:0) wurden auf dem Weg zum WM-Triumph in Brasilien 2014 bezwungen. Gegen Portugal siegte Löw sehr zum Frust von Ronaldo zudem bei den EM-Turnieren 2008 und 2012. Frankreich hingegen war bei der letzten EM 2016 Endstation im Halbfinale (0:2). Auch in der Nations League konnte die Équipe tricolore im Vorjahr nicht bezwungen werden (0:0/1:2). Lamento oder Jammerei wollte Löw unbedingt vermeiden. Die Russland-WM endete 2018 im Fiasko, obwohl die Gruppe mit Mexiko, Schweden und Südkorea leicht erschien. 2012 hingegen überstand man schon mal eine EM-Hammergruppe mit Portugal, Dänemark und den Niederlanden als dreimal siegreicher Spitzenreiter.

Ungewollt in den Fokus war Lose-Zieher Lahm geraten. Frotzeleien von Keller, Bierhoff und Löw versuchte er charmant zu erwidern. „Als Botschafter der Stadt München muss ich sagen, dass die Auslosung ganz in Ordnung ist. Mit Frankreich und Portugal in einer Gruppe, das ist sehr interessant. Da rührt sich was vom Start weg. Das sind schöne Gegner in München. Alle Fans in Deutschland können sich freuen.“ (dpa)



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