Markus Weise lobt Bierhoff und kritisiert Olympia-Verjüngung

Markus Weise soll die deutschen Hockey-Herren in zwei Duellen mit Österreich zu den Olympischen Spielen 2020 nach Tokio führen. Eine vierte Olympia-Teilnahme strebt er nicht an. Als Stützpunktleiter in Hamburg will er den DHB-Auswahlen aber künftig zuarbeiten.
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Hat als Hockey-Bundestrainer Maßstäbe gesetzt: Markus Weise gibt ein Interview.Foto: Georg Wendt/dpa/dpa
Epoch Times17. Oktober 2019

Nach dem Rücktritt von Stefan Kermas betreut Markus Weise die deutschen Hockey-Herren bei der Olympia-Qualifikation Anfang November in Mönchengladbach gegen Österreich.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der dreimalige Gold-Trainer über seine Zeit beim DFB, über Sportpolitik und seine Hockey-Zukunft.

Sie waren fast vier Jahre beim DFB für den Aufbau der Akademie zuständig. Inwieweit konnten Sie Ihre Vorstellungen umsetzen?

Markus Weise: Es ging ja nicht nur um meine Vorstellungen. Ich war Teil eines größeren Teams, habe 15 Strategie-Prozesse mitbegleitet mit sehr unterschiedlichen Sparten und Kollegen. Das war sehr spannend. Die Akademie ist ja in der Direktion von Oliver Bierhoff gelandet und da sehr gut aufgehoben. Für die Aufbauphase bin ich sehr zufrieden. Künftig wird es darum gehen, dass die jetzt Zuständigen dranbleiben an den inhaltlichen Themen, dann kann es wirklich etwas Gutes werden.

Ist Ihr Mitwirken jetzt nicht mehr notwendig?

Weise: Nein, ich bin für die Konzeptionierungsphase eingekauft worden und hatte einen Dreijahresvertrag, der noch einmal verlängert wurde, weil sich einiges verzögert hatte. Dann waren wir erfolgreich durch. Und jetzt bin ich froh, wieder mehr in Hamburg und mehr bei meiner Familie zu sein.

Ist der DFB denn auf dem richtigen Weg?

Weise: Prinzipiell ja. Natürlich müssen im Fußball immer schon nach 25 Minuten erste Ergebnisse da sein. Das ist natürlich schwierig, da wir einen sehr strategischen Ansatz gewählt haben. Vieles wird sich erst in vier, fünf, vielleicht zehn Jahren auf der Wiese zeigen. Aber der DFB geht den richtigen Weg, auch in Zusammenarbeit mit der Liga, die ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Die Frage ist immer: Ist die politische Durchsetzungskraft hoch genug, um auch ans Eingemachte zu gehen.

Wie schwer ist es, beim Koloss DFB etwas zu verändern?

Weise: Es ist eine Frage, wie hoch ist der Wille der Führung seitens des DFB und der DFL? Wenn der Wille hoch genug ist, kann man es durchboxen. Ansonsten sind es natürlich harte politische Kämpfe.

Wie sehen Sie Bierhoffs Rolle und seinen Aufstieg beim DFB?

Weise: Oliver Bierhoff steht für den progressiven Geist, ohne ihn wäre wenig bis nichts umgesetzt worden von dem, was jetzt alles schon Wirklichkeit ist. Es fing ja mit der Ära Klinsmann an, da gab es einen ersten wirklichen Aufbruch. Den hat Bierhoff maßgeblich weiter durchgezogen. Er begibt sich in die nicht gerade einfachen politischen Gespräche, ist sehr weitsichtig und interessiert, hat ein sehr breites Spektrum und ist dadurch derjenige, der diese progressive Kraft verkörpert, die der deutsche Fußball auch durchaus gebrauchen kann. Frage: Welche Chancen haben Sportarten aus der zweiten, dritten Reihe wie Hockey, abseits der olympischen Bühne Aufmerksamkeit zu bekommen?

Wir als sehr kleine Sportart mit immer noch unter 100 000 Mitgliedern müssen gucken, dass wir zum einen organisch wachsen. Zum anderen müssen wir genau dieses Thema besser bedienen, sonst kommen wir nie raus aus diesem Kontext der Mängelverwaltung. Wir bräuchten ein Set von fünf, sechs, sieben potenten Partnern, um das schwierige Thema, die komplette Abhängigkeit von öffentlichen Geldern, das Damoklesschwert ,Du musst Erfolge liefern, sonst fliegt Dir alles um die Ohren‘, zu beenden. Da ist auch das neue DHB-Präsidium gefragt.

Klettern, Surfen, 3×3-Basketball in Tokio, Breakdance in Paris – was halten Sie vom Verjüngungskurs des olympischen Programms?

Weise: Wenn ich ganz ehrlich bin – relativ wenig! 3×3-Basketball ist eine andere Sportart – so wie Siebener-Rugby. Es geht nur darum, dass man die Kapazität im Olympischen Dorf so gering wie möglich hält und viele Trendsportarten integriert. Am Ende geht es aber wieder um Kohle. Ich kann das zwar irgendwo verstehen, auf der anderen Seite finde ich es aber schade. Vielleicht denke ich zu traditionsbehaftet, doch für mich sind Olympische Spiele etwas Außerordentliches. Mir geht das Ganze zu stark in Richtung Bespaßung und Event – und weg vom ursprünglichen Gedanken. Aber die Welt dreht sich halt weiter…

Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Sportler bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ein ?

Weise: Harte Frage! Nehmen Sie Teamsport. Bei den letzten Spielen war Teamsport auf einmal medaillenmäßig ganz vorn dabei, wir hatten aber auch schon Spiele, da war Teamsport nur in Spurenelementen existent. Eine Prognose ist also schwer. Ich habe bei uns Gott sei dank das Gefühl, dass wir noch mit am saubersten unterwegs sind und in vielen Sportarten daher vielleicht nicht ganz vorn mitspielen oder mitkämpfen können. Aber die Alternative kann ja nicht lauten, dass wir es unsauberer machen und haben dafür ein paar Medaillen mehr.

Zum Hockey und zum Herren-Team. Salopp gefragt: Kann man in der Olympia-Qualifikation eigentlich an Österreich scheitern?

Weise: Kann man schon, machen wir aber nicht. Wir müssen wieder lernen, Entscheidungsspiele zu gewinnen. Es wird der erste Test, aber den wird die Mannschaft bestehen. Das Potenzial ist da, man muss es nur auf die Wiese bekommen. Wir werden knallhart daran arbeiten und dafür sorgen, dass das Team sich qualifiziert und in Tokio nicht nur eine Touristengruppe, sondern ein echter Medaillenkandidat ist.

Und dann vielleicht doch weiter mit Ihnen als Cheftrainer ?

Weise: „Nein, ich will nicht zurück in meine alte Rolle. Ich war 15, gefühlt 20 Jahre beim DHB im Trainerjob. Da bist du Einzelkämpfer und hast keinen, mit dem du auf Augenhöhe diskutieren oder den du fragen kannst. So etwas könnte ich mir künftig vorstellen. Eine Rolle an der Mannschaft ja, aber die alte Rolle kommt nicht in Betracht.

Was bedeutet Ihr neuer Job als Stützpunktleiter in Hamburg?

Weise: Das ist ein neues, spannendes Element im System bezogen auf Hamburg, das einen extrem komprimierten und auch großen Talente-Pool hat, männlich wie weiblich und in allen Altersklassen. Das zentrale System, das uns früher stark gemacht, ist aufgrund der Wettkampflage nicht mehr gegeben. Diese Schwächung müssen wir dezentral auffangen. Im Idealfall kann das dank der Bundesstützpunkte im Hockey gelingen.

Zur Person: Markus Weise (56) hat als Hockey-Bundestrainer Maßstäbe gesetzt. Er führte die DHB-Damen (2004 in Athen) und die DHB-Herren (2008 in Peking und 2012 in London) zu Olympiasiegen. 2015 ging er als Konzeptionsleiter an die Akademie des Deutschen Fußball-Bundes, seit dem 1. Oktober dieses Jahres ist er Bundesstützpunktleiter Hockey in Hamburg. Zudem soll er als Interimscoach mit den DHB-Herren in der Olympia-Qualifikation am 2. und 3. November in Mönchengladbach in zwei Spielen gegen Österreich das Ticket für Tokio 2020 lösen. (dpa)



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