Naomi Osaka ist weit mehr als eine US-Open-Siegerin

1:6, 0:2 liegt Naomi Osaka im Endspiel der US Open gegen Victoria Asarenka zurück. Dann dreht die Japanerin das Match und triumphiert zum dritten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier. Doch was sich abseits des gespenstisch leeren Center Courts in New York tut, ist wichtiger.
Titelbild
Naomi Osaka aus Japan küsst nach dem Sieg die Trophäe.Foto: Seth Wenig/AP/dpa/dpa
Epoch Times13. September 2020

Ihre politischen Botschaften reichen weit über die Tenniswelt hinaus. Mit dem zweiten US-Open-Triumph und dem dritten Grand-Slam-Pokal ihrer noch immer jungen Karriere hat die 22 Jahre alte Naomi Osaka ihren Platz im Olymp ihrer Sportart gefestigt.

Sie wird in der neuen Weltrangliste auf Platz drei klettern, sie wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch mehrere der ganz großen Turniere gewinnen. Und natürlich hat sie mit dem Sieg gegen Victoria Asarenka aus Belarus nach zwischenzeitlichem 1:6, 0:2 auch wieder einen Beitrag für die Historienschreiber des Damen-Tennis geleistet.

Als erste Spielerin seit der Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario im Jahr 1994 hat die junge Frau aus Osaka ein US-Open-Endspiel nach verlorenem ersten Satz noch gewonnen. Sie wird nach den Titelgewinnen bei den US Open 2018 und den Australian Open 2019 nun als dreimalige Grand-Slam-Championesse geführt. Doch wer die vergangenen Wochen in der Tennis-Blase in New York verfolgt hat, kommt um die Erkenntnis nicht umhin: Naomi Osaka wird nicht nur das Damen-Tennis der kommenden Jahre sportlich prägen. Nein, sie hat sich – in aller Bescheidenheit und persönlichen Zurückhaltung – als wohl kraftvollste und meinungsstärkste Stimme im weltweiten Tennis-Zirkus positioniert.

Anders als noch vor zwei Jahren, als Osaka im skandalumtosten Endspiel von New York Serena Williams bezwang, gehörten diesmal die Schlagzeilen ihr alleine. Williams hatte damals den Schiedsrichter als „Dieb“ bezeichnet, ihm Rassismus und Sexismus vorgeworfen. Jetzt gehörte die Aufmerksamkeit (fast) ausnahmslos der Siegerin. Am 12. September 2020 erfuhr Osaka (die die traurige, aber gefasste Asarenka freundschaftlich tröstete) die verdiente Anerkennung.

„Der Punkt ist, dass ich wollte, dass die Leute anfangen darüber zu reden“, sagte Osaka später in der per Video übertragenen Pressekonferenz über ihre Aktionen und Auftritte im Kampf gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA. Beim von Cincinnati nach New York verlegten Vorbereitungsturnier wollte sie nicht zu ihrem Halbfinale antreten und folgte dem Vorbild der Basketball-Profis der Milwaukee Bucks. Später wurde der US-Profisport an diesem Tag abgesagt.

Mit ihrem Freund, dem Rapper Cordae, der während des Turniers auf den fast leeren Tribünen des Arthur-Ashe-Stadiums auch mal mit einem T-Shirt mit der übersetzten Aufschrift „Überall in der Kultur leiden dunklere Leute am meisten – warum?“ saß, war Osaka in Minneapolis, um sich den Protesten nach dem Tod von George Floyd anzuschließen.

Den Namen des getöteten Afroamerikaners trug sie nach dem Viertelfinale auf ihrer Mund-Nase-Maske. Sieben Namen präsentierte sie, sieben Namen wurden im Fernsehen und in sozialen Kanälen transportiert: Breonna Taylor, Elijah McClain, Trayvon Martin, Ahmaud Arbery, George Floyd, Philando Castile und zum Schluss Tamir Rice. Der damals Zwölfjährige war 2014 in der US-Stadt Cleveland von einem Polizisten erschossen worden. Der Junge hatte auf einem Parkplatz mit einer Spielzeugpistole hantiert. „Ich wollte, dass mehr Menschen mehr Namen sehen“, sagte Osaka über ihr gelungenes Vorhaben, sieben Masken nach sieben Matches zu tragen – die letzte nach dem Endspiel.

Legendär schon jetzt ihre schlagfertige Antwort im Siegerinterview auf dem Platz. „Sie hatten sieben Masken für sieben Matches mit sieben unterschiedlichen Namen dabei. Welche Botschaft wollten Sie damit zum Ausdruck bringen?“, wurde Osaka gefragt. Und entgegnete dem Reporter: „Nun, welche Botschaft ist denn bei Ihnen angekommen?“

Während der langen Pause wegen der Coronavirus-Pandemie habe sie ihre Prioritäten neu geordnet, erzählte Osaka, die sich nach ihren ersten beiden Grand-Slam-Siegen sportlich zunächst etwas vom Rummel, von Talkshows und von Interviews ablenken ließ. Nun wählt sie ihre Worte mit Bedacht – oder schweigt. Nach ihrem Viertelfinale bekam sie vom TV-Sender ESPN Videobotschaften vorgespielt, in denen sich die Mutter des 2012 in Florida erschossenen Trayvon Martin und der Vater des im Februar in Georgia getöteten Ahmaud Arbery für Osakas Unterstützung bedankten. Osaka sagte nichts, sie kämpfte mit den Tränen.

Als sie 2018 in Indian Wells ihr erstes Turnier gewonnen hatte, antwortete sie auf die Frage, ob sie in Zukunft eine Aktivistin und erfolgreiche Tennisspielerin sein könne, mit einem simplen „Ja“. (dpa)

Frank Franklin



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