Rehm und Co. feiern unerwarteten Gold-Triumph

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Die deutsche 4x100-Meter-Staffel holte in Rio Gold.Foto: Jens Büttner/dpa
Epoch Times13. September 2016
Der Ersatzläufer sah es als Erster. Im Sprinttempo rannte Heinrich Popow die Tribüne des Olympiastadions herunter und brüllte immer wieder: „Wechselfehler, Wechselfehler!“

Die deutsche Teamleitung und eine Jury schauten sich das 4×100-Meter-Finale bei den Paralympics in Rio de Janeiro auch noch einmal genauer an. Die Folge: Das Team USA wurde disqualifiziert, nachdem es gerade einen Weltrekord gelaufen war. Und die deutsche Sprintstaffel um Markus Rehm wurde zum Sieger erklärt, als sie sich auf ihrer Ehrenrunde gerade schon ausgelassen über Silber freute.

Es ist die erste Goldmedaille für den Leichtathletik-Star Rehm bei diesen Paralympics – bloß erfuhren er und seine ebenso auf Unterschenkelprothesen laufenden Teamkollegen David Behre, Felix Streng und Johannes Floors davon am Montagabend als Letzte. „Wir kamen gerade auf die Zielgerade zurück und sahen, wie auf der Tribüne alle ausflippten“, sagte Rehm. „Wir haben uns gedacht: Ja, wir haben Silber geholt, das ist toll. Aber warum rastet ihr deshalb so aus? Dann habe ich auf die Anzeigetafel geguckt. Das ist krass!“

Platz 1 Deutschland, 40,82 Sekunden, Paralympischer Rekord und auch Europarekord. Das war auf der Anzeigetafel zu lesen. Der vermeintliche Weltrekord der Amerikaner (40,61) erlangte nie Gültigkeit. Dem US-Team war der gleiche Fehler unterlaufen wie schon bei den Paralympics 2012 in London: Der zweite Läufer berührte den dritten schon vor der Wechselzone.

„Das ist die Regel. Dazu gibt es eine Wechselzone“, sagte Rehm. „Sie sind das bessere Rennen gelaufen. Sie hatten die bessere Zeit. Aber sie haben einen Fehler gemacht. Und wir sind das bessere Team!“ Ob es sich anders anfühlt, einen Titel nachträglich zugesprochen zu bekommen, als ihn auch tatsächlich auf der Laufbahn zu gewinnen? „Nein“, meinte Rehm. „Wir waren auch über Silber glücklich. Wir sind ein tolles Rennen gelaufen und haben unsere Bestzeit unterboten.“

Dieser verrückte Abend war damit aber noch nicht vorbei. Knapp zwei Stunden nach dem Sieg mit der Staffel liefen Behre, Streng und Floors auch noch das 200-Meter-Finale. Und Behre holte sich einen Tag vor seinem 30. Geburtstag in der Europarekordzeit von 21,41 Sekunden sogar Bronze. „Das ist megamäßig. Einmal Gold und einmal Bronze an nur einem Abend – ich kann sehr zufrieden sein“, sagte er.

Streng brach seinen Lauf von einer Erkältung geschwächt schon nach wenigen Metern wieder ab. Floors aber hielt bis zum Ziel durch und schrieb damit gleich die nächste Geschichte. Der 21-Jährige hatte sich nach dem Staffel-Erfolg das Knie verdreht – beim Jubeln. Er sprang einfach etwas zu ungestüm herum. Dass er trotzdem noch über 200 Meter antrat und sogar Vierter (21,81) wurde, erklärte er danach so: „Physiotherapie, ein Tapeverband und ganz viel Adrenalin!“

Solche Geschichten zeigen: Es stimmt in dieser Staffel. Das ist eine eingespielte und vor allem eingeschworene Truppe. „Wir haben intern einfach nur Spaß und richtig Bock auf die Sache“, bestätigte Rehm. Welt- und Europameister war dieses Team bereits. Jetzt kam auch noch der so lang ersehnte Paralympics-Sieg dazu.

Für Rehm geht es erst am Samstag weiter. Dann will er in seiner Paradedisziplin Weitsprung die zweite Goldmedaille in Rio gewinnen. Ein ausländischer Journalist fragte ihn am Montagabend, ob er nun der neue Oscar Pistorius der Paralympics sei. Der Südafrikaner war über Jahre der alles überstrahlende Star des Behindertensports, bis er seine Freundin erschoss und dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. „Nein“, sagte Rehm dazu. „Er hat viel für unseren Sport getan, keine Frage. Aber wir müssen jetzt neue Helden kreieren.“

(dpa)

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