Zwischen Tristesse & Training: Knifflige Tokio-Vorbereitung

In sieben Monaten sollen die Olympischen Spiele in Tokio steigen. Für die Athleten geht es darum, trotz Lockdowns ihr Leistungsniveau zu halten. Doch für nicht wenige wird die Pandemie mental zum Problem.
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Ringer Frank Stäbler bereitet sich nach seiner Covid-19-Erkrankung unter anderem mit einer Atemtherapie auf die Tokio-Spiele vor.Foto: Marijan Murat/dpa/dpa
Epoch Times22. Dezember 2020

Für Deutschlands Spitzensportler wird es ein Weihnachtsfest zwischen Hoffen und Bangen.

Auf ihrem quälend langen Weg zu den auf 2021 verlegten Sommerspielen in Tokio dürfen die Top-Athleten zwar trotz Corona weiter ihren Sport ausüben, die Sorgen der Pandemie aber belasten auch sie. Inmitten der Ungewissheit, ob und wie Olympia in Japan im nächsten Jahr stattfinden kann, wird die Vorbereitung auf den Karrierehöhepunkt für viele zum Marathon. Physisch und mental. Und nicht von allen Seiten gibt es Zuspruch.

So sind 60 Prozent der Bundesbürger dagegen, dass die Fußball-EM und Olympia im kommenden Jahr unter Corona-Bedingungen stattfinden, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Knapp die Hälfte der Befragten hält es sogar für falsch, dass Top-Sportler trotz wieder verschärfter Kontaktbeschränkungen weiter schwitzen dürfen, und sei es nur im Training. Was vielen der deutschen Hoffnungsträger für Olympia in Tokio im Vergleich zu den professionellen Fuß-, Hand- oder Basketballern nämlich fehlt, ist regelmäßige Wettkampfpraxis.

Er sei „froh, so privilegiert zu sein und in die Fechthalle gehen zu dürfen“, sagt der vierfache Europameister Max Hartung. Dennoch fehle ihm „das Adrenalin des Wettkampfes besonders. Im Rahmen der „Demaskiert Liga“, einem Event für Deutschlands beste Säbelfechter, stand er vor drei Wochen in Düsseldorf wieder etwas im Rampenlicht, ansonsten zuletzt aber nur im Training auf der Planche.

Ähnlich geht es Tischtennis-Star Dimitrij Ovtcharov, der abgesehen von zwei Turnieren in China und seinem jüngsten Einsatz in der Champions League, keine offiziellen Matches gespielt hat. „Ich habe überhaupt kein Feedback, was meinen Leistungsstand betrifft. Das ist eine Konstellation, die es noch nie gab“, sagt er.

Auch Ringer Frank Stäbler betont, dass man „dieses Feeling eines Turniers, den Modus und die Wettkampfhärte im Training einfach nicht simulieren“ könne. Gerade mal fünf Kämpfe hat er in diesem Jahr bestritten: vier auf dem Weg zum EM-Titel in Rom im Februar, einen in der kurz darauf abgebrochenen Bundesliga im Oktober. Jahrelang habe er „mit wechselnden internationalen Gegnern und unterschiedlichen Belastungen trainiert. Nun schuftet der dreimalige Weltmeister nur mit einer Handvoll Kollegen im privaten Trainingsraum auf dem Hof seiner Eltern. „Ganz schön monoton“ könne das sein, und „auf die Motivation drücken“, sagt Stäbler.

Atemtrainer Yasin Seiwasser, der ihn nach seinem Leistungseinbruch infolge einer Corona-Infektion mit speziellen Übungen zurück zu alter Stärke führen soll, dient Stäbler daher auch als mentale Hilfe. Auf solche Unterstützung greift auch Boxerin Nadine Apetz zurück. Es sei „sehr hart“, durchgehend fokussiert zu bleiben, ohne zu wissen, wie der Fahrplan für die verbleibenden sieben Monate bis Olympia und die Spiele selbst am Ende tatsächlich aussehen, sagt sie.

Gespräche mit Sportpsychologen sollen der 34-Jährigen helfen, aus ihrem „kleinen Loch“ zu kommen, in dem sie sich gerade wähnt. Sie hatte sich für 2020 viel vorgenommen. „Ich wollte erst zu Olympia und dann meine Doktorarbeit fertigschreiben“, berichtet die studierte Biologin und Neurowissenschaftlerin. „Jetzt habe ich nichts von beidem. Ich wurschtel mich so durch dieses Jahr.“ Am Wochenende gewann sie immerhin den Weltcup in Köln. Ein Ticket für Tokio hat sie aber noch nicht, da die Quali in London im Februar abgebrochen wurde.

Auch für die Turner geht es bei der für kommenden April geplanten EM in Basel noch um Einzeltickets für die Spiele in Japan. Das Training verlaufe aktuell „ganz normal“, sagt Routinier Andreas Toba. Wettkampfstabilität könne er sich aber „nicht wirklich erarbeiten“ und auch kleinere „Regenerationsmaßnahmen wie Sauna fehlen extrem.“ Die Motivation zu halten, sei insgesamt „wirklich schwierig“.

Leichter fällt das Lagenschwimmer Philip Heintz. Er hat die Verlegung der Spiele sogar „als Geschenk betrachtet“. So sei Zeit gewesen, „mal ein paar Sachen aufzuarbeiten, die schon länger fällig waren.“ Zuletzt nahm der 29-Jährige an der International Swimming League in Ungarn teil. Die in der Bubble von Budapest gesammelten Erfahrungen könnten ihm mit Blick auf Olympia helfen. „Ich weiß, wie hart das hinten raus sein kann, wenn du eigentlich nur im Hotel sitzen darfst“, sagt Heintz. „Ich kann mich also schon mal auf die Spiele einstellen, wenn sie so stattfinden, und habe, glaube ich, schon einen Vorteil gegenüber Athleten, die das nicht mitgemacht haben.“

Im Vorteil sieht sich auch Isabell Werth. Ihre erfahrenen Pferde seien „immer in irgendeiner Form“, betont die sechsfache Dressur-Olympiasiegerin. Und Hallenturniere seien für ihre Olympia-Favoritin Bella Rose ohnehin nicht geplant. Lediglich für die letzte Kondition bräuchte es „zwei, drei Turniere vor Olympia.“ Da sie jeden Tag mit den Pferden in Kontakt statt „alleine im Kraftraum oder auf der Laufbahn“ sei, habe sie keine Motivationsprobleme. So locker wie sie wirken derzeit aber nur die wenigsten im Lockdown. (dpa)



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