Kann staatliches Tierwohl-Siegel die Misere der Nutztiere beenden?

Fleisch mit dem geplanten staatlichen Tierwohl-Siegel soll es nach Angaben von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) künftig "an jeder Ladentheke" geben. Es kennzeichnet Fleisch von Tieren, deren Halter die gesetzlichen Vorgaben übertreffen. Kritik kommt von den Grünen und Foodwatch: Ein staatliches Tierwohl-Siegel sei nicht geeignet die Misere der Nutztiere zu beenden.
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MassentierhaltungFoto: OLLI GEIBEL/AFP/Getty Images
Epoch Times16. Januar 2017

Fleisch mit dem geplanten staatlichen Tierwohl-Siegel soll es nach Angaben von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) künftig „an jeder Ladentheke“ geben. Starten will der Minister mit Schweinefleisch, dann soll es das Label auch für Geflügelfleisch geben, später einmal für Rindfleisch. Es kennzeichnet Fleisch von Tieren, deren Halter die gesetzlichen Vorgaben übertreffen. Die Tiere  haben etwa mehr Platz, bekommen besseres Futter oder Spielmaterial, um sich zu beschäftigen.

Minister Schmidt will das Label auf der Grünen Woche präsentieren, die am Freitag in Berlin beginnt. Es werde voraussichtlich zwei Stufen geben, Standard und Premium, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dafür würden jeweils Anforderungen an eine artgerechte Haltung definiert.

Landwirte, die teilnehmen wollen, will Schmidt zusammen mit den Bundesländern finanziell unterstützen. Dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe) sagte der Minister: „Produkte mit Tierwohl-Label müssen bezahlbar sein“ für den Käufer. Die Verbraucher sollen selbst entscheiden, ob sie für höhere Standards in der Tierhaltung auch mehr Geld ausgeben.

Umfrage von Greenpeace: 89 Prozent der Deutschen begrüßen staatliche Haltungskennzeichnung von Fleisch

Eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace ergab, dass 89 Prozent der Deutschen eine staatliche Haltungskennzeichnung von Fleisch begrüßen würden. 79 Prozent sprechen sich demnach für eine verpflichtende Kennzeichnung aus. Das von Minister Schmidt geplante Label ist hingegen freiwillig.

Auf Freiwilligkeit setzt auch die Brancheninitiative Tierwohl, an der neben der Fleischindustrie große Einzelhandelsunternehmen und der Bauernverband beteiligt sind und die jetzt schon ein Tierwohl-Label vergibt. Die Händler verpflichten sich, für jedes verkaufte Kilogramm Fleisch vier Cent in einen Fonds einzuzahlen. Mit dem Geld werden Landwirte gefördert, die ihre Ställe umwelt- und tierfreundlicher ausbauen als gesetzlich vorgeschrieben.

Rund 4500 von insgesamt 25.000 Schweinebetrieben hätten sich schon angemeldet, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied „Focus Online“. Im nächsten Jahr flössen durch eine Abgabe von 6,25 Cent pro Kilo Fleisch im Einzelhandel rund 100 Millionen Euro in den Fonds für Verbesserungen in der Tierhaltung.

Rukwied mahnte, das geplante staatliche Gütesiegel dürfe die Initiative Tierwohl nicht gefährden. Das Staatslabel müsste künftig mit der Initiative verzahnt werden – dann würden die Bauern das Vorhaben begleiten, sagte er „Focus Online“.

Laut den bislang bekannt gewordenen Eckpunkten für das staatliche Tierwohl-Label will Minister Schmidt die Brancheninitiative aber auch nicht gefährden. Er will vielmehr „systematisch Schnittstellen anlegen“ und die Erfahrungen der Initiative nutzen.

Schmidt hofft auf eine „breite Marktdurchdringung“, wie er dem „Tagesspiegel“ sagte. Mehr als 75.000 Produkte trügen inzwischen das deutsche Biosiegel – „diese Entwicklung will ich mit dem Tierwohl-Label auch erreichen“.

Grüne: Freiwilliges Label, dessen Einstiegsstufe nur knapp über den gesetzlichen Anforderungen liegt, ist Verbrauchertäuschung

Die Tierschutz-Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, kritisierte, ein freiwilliges Label, dessen Einstiegsstufe nur knapp über den gesetzlichen Anforderungen liegt, sei „Verbrauchertäuschung“. Die Grünen fordern eine verpflichtende Kennzeichnung wie bei Eiern.

Verbraucherschützer begrüßten Schmidts Pläne. „Gut zwei Drittel der Verbraucher wünschen sich eine solche Information“, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, der „Südwest Presse“ (Montagsausgabe). „Ein solches Label muss so einfach wie möglich gestaltet sein“, forderte Müller, nach dessen Einschätzung die meisten Verbraucher bereit wären, für Produkte aus tiergerechter Haltung etwa ein Drittel mehr zu zahlen.

Foodwatch: Staatliches Tierwohl-Siegel nicht geeignet die Misere der Nutztiere zu beenden

Zur Initiative des Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmidt ein freiwilliges Tierwohl-Siegel zu initiieren, sagte der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, Matthias Wolfschmidt:

„Das von der Bundesregierung angekündigte staatliche Tierwohl-Siegel ist in jeder Hinsicht inakzeptabel, weil es nicht geeignet ist, die Misere der Nutztiere zu beenden. Aufgabe der Bundesregierung ist es dafür zu sorgen, dass den Verbrauchern so schnell wie möglich ausschließlich Lebensmittel angeboten werden, die nachweislich und verlässlich von tierschutzkonform gesund gehaltenen Tieren stammen. Der Vorschlag des Bundesagrarministers ist ein weiterer Marketinggag, der die allermeisten Nutztiere auch in Zukunft nicht vor vermeidbaren Krankheiten und Qualen schützen wird. Die Bundesregierung traut sich lediglich freiwillige Maßnahmen gegen die Interessen von Handel und Verarbeitern zu. Selbst Optimisten prognostizieren damit höchstens 20 Prozent Marktanteil. Der Staat darf Tierschutz und Tiergesundheit aber nicht von der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher abhängig machen.“

Auch eine von den GRÜNEN vorgeschlagene gesetzliche Pflichtkennzeichnung in mehreren Stufen analog zur Eierkennzeichnung lehnte Wolfschmidt ab:

„Die Lage der Nutztiere verlangt einen systematischen Ansatz, der es allen Tierhaltern gleichermaßen finanziell ermöglicht und diese auch dazu zwingt, die Tiere konsequent gesund und tierschutzgerecht zu halten. Unter welchen Umständen Tiere gehalten werden, darf nicht länger vom Wettbewerb oder von Marketingkonzepten des Handels abhängen. Tiergerechtheit muss für alle Nutztiere garantiert sein und die Voraussetzung dafür, dass ein Tierprodukt in den Handel kommen darf. Eine gesetzlich vorgeschriebene 0-1-2-3-Kennzeichnung ist der Versuch, den Marktanteil von Bio-Fleisch zu erhöhen. Den Tieren, die auf Bio-Höfen ähnlich häufig unter vermeidbaren Krankheiten und Schmerzen leiden wie auf konventionellen, wird dadurch kein besseres Leben zuteil. Die Grünen müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass es ohne nachweislich gute Tiergesundheit keine tierschutzgerechten Lebensbedingungen geben kann.“

(afp/foodwatch/mh)



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