Freilaufende Killer-Kühe in Tirol: Oberlandesgericht sieht Mitschuld der verstorbenen Touristin

Im Fall des tödlichen Kuhangriffs aus dem Jahr 2014 auf eine Touristin in Tirol hat das OLG Innsbruck in seiner Berufungsentscheidung das Urteil gegen den Bauern abgemildert. Dieser will ebenso wie der Witwer der Geschädigten vor das Höchstgericht. Das Ersturteil hatte Politik und Bauernverbände in Österreich auf die Barrikaden gebracht.
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Wer zahlt, wenn die Kuh im Weg steht? Was passiert, wenn ein Wanderer in den Alpen durch Kühe verletzt wird?Foto: iStock
Von 27. August 2019

Wie gefährlich sind Weidekühe im Alpenland tatsächlich – und welche Vorkehrung müssen Landwirte treffen, um Touristen vor Schaden zu schützen? Mit dieser Frage wird sich in Österreich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu beschäftigen haben. Im Fall einer tödlichen Kuh-Attacke im Nordtiroler Pinnistal ist das letzte Wort auch nach dem jüngsten Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes (OLG) in Innsbruck noch nicht gesprochen. Die „Krone“ berichtete.

Der Anlassfall: Am 28. Juli 2014 war eine 45-jährige deutsche Touristin, die mit ihrem Hund auf einem Alm-Wanderweg unterwegs war, von dort weidenden Kühen angegriffen und zu Tode getrampelt worden. In erster Instanz wurde der Bauer, dem die Kühe gehörten, im Februar in einem Zivilprozess zur Zahlung einer Schadenersatzsumme von 180 000 Euro und einer monatlichen Rente von rund 1500 Euro an die Hinterbliebenen verurteilt. Er habe, so hieß es in der Urteilsbegründung, Sorgfaltspflichten verletzt.

Wo beginnt die „hohe Frequenz“?

Das Urteil hatte für großes Aufsehen in Österreich gesorgt. Vor allem die Argumentation, dass die „hohe Frequenz“ an Touristen am Wanderweg eine Verpflichtung des Wegehalters begründet hätte, einen Zaun aufzustellen, hat massive Sorgen um die Almwirtschaft in Österreichs Gebirgsgegenden ausgelöst – und auch Unsicherheit für den Tourismus, da befürchtet wurde, künftig könnten Bauern versuchen, Wanderwege zu sperren.

An der Argumentation hat nun auch das OLG festgehalten, allerdings auch ein Mitverschulden der Geschädigten in Höhe von 50 Prozent ins Treffen geführt. Es habe, so hieß es in der Begründung, von Hundehaltern verlangt werden können, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen.

„Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen“, erklärte Vizepräsident Wigbert Zimmermann gegenüber der „Presse“. Sie ging jedoch im Abstand von nur einem bis zwei Meter an den Kühen vorbei. Entsprechend wurde das Urteil der ersten Instanz nur teilweise bestätigt. Beide Streitparteien wollen das Berufungsurteil nicht akzeptieren und den OGH mit dem Fall befassen.

Der Anwalt des Bauern befürchtet, unbestimmte Rechtsbegriffe wie „hohe Frequenz“ könnten für zusätzliche Rechtsunsicherheit sorgen. Immerhin seien sie zum Teil mit ihren Einwänden durchgedrungen, zeigten sich der Landwirt und sein Anwalt erleichtert. Sie standen auf dem Standpunkt, die Tiere fachgerecht gehalten und durch das Anbringen von Warnschildern die erforderlichen Vorkehrungen getroffen zu haben, um Touristen zu warnen.

Das Gericht folgte dem nicht. Der Bauer hätte den neuralgischen Teil des Weges auf einer Länge von rund 500 Metern entlang seiner Weidefläche abzäunen müssen, hieß es im Urteil, da diesem bekannt gewesen sei, dass die Mutterkühe im betreffenden Jahr besonders aggressiv auf Hunde reagiert hätten.

Anwalt spricht von „Einzelfallentscheidung“

Der Witwer, der geklagt hatte, sprach von einem „ernüchternden“ Urteil. Immerhin aber, erklärte sein Anwalt gegenüber der „Krone“, habe die Berufungsinstanz die Feststellungen der ersten Instanz zum Hergang des Vorfalls bestätigt. Dies müsse nun auch bezüglich der rechtlichen Beurteilung zu einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils führen. Das Urteil sei eine Einzelfallentscheidung, die nicht auf alle Bauern umgelegt werden könne, versucht der Jurist auch Bedenken entgegenzutreten, das Urteil könne Landwirte vor nicht zu erfüllende Sicherungsverpflichtungen stellen.

Für den beklagten Landwirt wirkte sich erschwerend aus, dass er offenbar keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, die Vorfälle dieser Art decken würde. Tirols Landeshauptmann Günther Platter kündigte unter dem Eindruck des Falles eine Versicherung für alle Almbauern an. Zudem solle es Info-Kampagnen mit dem Ziel der Prävention und Aufklärung für Landwirte und Touristen geben.

Mountainbike-Unfälle als weiterer Risikofaktor

Die Bundesländer Tirol und Kärnten haben Landesgesetze geändert, deren Ziel es war, den Versicherungsschutz für die Almwirtschaft zu erweitern und Touristen auf Almen und Weiden Verhaltensregeln aufzuerlegen. Insbesondere mit Blick auf Mutterkühe und das Mitführen von Hunden sind Touristen nunmehr zu besonderer Vorsicht verpflichtet.

Eine Restunsicherheit bleibt aber beispielsweise bezüglich möglicher Unfälle zwischen Mountainbikern und Kühen. Versicherungen sind hier regelmäßig nicht bereit, mit Blick auf Vorfälle dieser Art Haftpflichtschutz zu gewähren.




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