Russland: Jüdische Gemeinden blicken an Rosch ha-Schana hoffnungsfroh in die Zukunft

Anlässlich des jüdischen Neujahrsfests Rosch ha-Schana hat der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, die Leistungen der jüdischen Gemeinden des Landes für das Zusammenleben im Vielvölkerstaat gewürdigt. Der russische Oberrabbiner Berel Lazar zeigte sich zuversichtlich mit Blick auf die Zukunft des Judentums in Russland.
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Synagoge in Moskau.Foto: iStock
Von 11. September 2018

Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, traf am Sonntag in Moskau mit dem Oberrabbiner des Landes, Berel Lazar, und dem Vorsitzenden des Bundes der jüdischen Gemeinden, Alexander Boroda, zusammen. Dies berichtete das israelische Nachrichtenportal „Arutz Sheva“. Anlass war der Beginn der Feierlichkeiten zum jüdischen Neujahrsfest, Rosch ha-Schana. Einen Tag zuvor hatte die russische Hauptstadt auch ihr Stadtfest gefeiert.

Putin nützte die Gelegenheit, um der Gemeinschaft seine besten Wünsche zu überbringen:

Heute feiern jüdische Menschen Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest. Ich möchte Sie und alle Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft grüßen und jeder Ihrer Familien Freude, Gesundheit, Erfolg und Wohlergehen wünschen – alles, was Menschen einander an einem Neujahrstag wünschen.“

Rabbi Lazar bedankte sich beim Präsidenten und ging auf die religiöse Bedeutung des Festtages für das Judentum ein:

„Für uns ist Rosch ha-Schana nicht nur ein fröhlicher Feiertag, sondern auch eine Zeit der Besinnung. Wir gedenken dessen, was an diesem Tag vor 5779 Jahren geschehen ist, als der erste Mensch, der Vater aller Menschen, erschaffen wurde und das Licht der Welt erblickte. Für uns geht es dabei darum, dass zwischen uns allen ein Band besteht, dass wir Menschen einander nahestehen und miteinander Freunde sein sollen, einander helfen und einander respektieren. Das ist der einzige Weg, um Gottes Willen zu erfüllen.“

„14 Kinder? Wir sollten Ihnen nacheifern“

Der Geistliche betonte den multinationalen und multikonfessionellen Charakter Russlands und erklärte, die jüdische Gemeinde finde dort eine freundliche Atmosphäre vor. An Putin gerichtet sagte Lazar:

„Auf Grund Ihrer Bemühungen geht heute in Russland alles in eine richtige Richtung. Wir können das innerhalb unserer jüdischen Gemeinde sehen. Gott sei Dank dafür, dass sich alles entwickelt. Wir sehen, dass die junge Generation ehrgeizig ist und mehr lernen will; wir sehen die Eröffnung neuer Gemeindezentren, Synagogen und Schulen. Wir haben jetzt sogar noch größere Zukunftspläne. Wir sind zuversichtlich, wenn wir an morgen denken und sind wirklich dankbar für die heutige Atmosphäre im Land. Viele jüdische Bücher werden veröffentlicht. Ich möchte Ihnen gerne eine neue Ausgabe des Talmuds zeigen. Heute fühlen sich, Gott sei Dank, Juden hier wohl und blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Ich danke Ihnen.“

Putin fragte den Rabbiner anschließend mit Blick auf die von diesem erwähnte Geburt der Menschheit, wie viele Kinder dieser denn selbst habe. „Dank Gott 14 Kinder und sieben Enkel.“ Putin antwortete darauf: „14 Kinder. Wir sollten Ihnen nacheifern.“

Der Präsident der Russischen Föderation erkundigte sich auch danach, was üblicherweise an Rosch ha-Schana gereicht werde. „Es gibt viele Traditionen“, antwortete ihm Rabbi Lazar. „Eine der interessantesten ist dabei das Servieren von Äpfeln mit Honig. Es gibt dafür eine gute Erklärung. Der Apfel ist ein Frucht, die sowohl schmackhaft und schön anzusehen als auch einen guten Geruch hat. Das ist, wie wir sagen, alles, was man sich wünscht: Jeder möchte, dass sein Leben Freude und Glück bringt, und möchte spüren, dass Gott uns alles gibt, was notwendig ist.“

Putin würdigt Bildungsarbeit und Beitrag zur Pflege des Kulturerbes

Bereits im Vorfeld des Treffens hatte Putin eine Botschaft anlässlich ihres Neujahrsfestes an die russischen Juden gerichtet. Darin hieß es:

„Ich sehe mit großer Zufriedenheit, dass sich jüdische religiöse Organisationen aktiv ins gesellschaftliche Leben des Landes einbringen, wirkungsvolle karitative Arbeit leisten, bitter benötigte Bildungsprojekte ins Leben gerufen haben, junge Menschen mit reichem historischem und spirituellem Erbe vertraut machen und mit der ursprünglichen Kultur und den Traditionen ihrer Vorfahren. […] Der Beitrag der jüdischen Gemeinschaften zur Verbesserung des interethnischen und interreligiösen Dialogs und zur Konsolidierung der jahrhundertealten Freundschaft unter Russlands Völkern ist ungemein wichtig.“

Die Situation der jüdischen Gemeinden in Russland hat sich seit der Jahrtausendwende kontinuierlich verbessert, nachdem die Zeit unmittelbar nach Zusammenbruch der Sowjetunion noch von umfangreichen Auswanderungsbewegungen sogenannter GUS-Juden nach Israel oder Westeuropa gekennzeichnet war.

Die strengen Gesetze gegen Extremismus, die seit Beginn der Präsidentschaft Putins ins Leben gerufen wurden, haben geholfen, antisemitische Bestrebungen zurückzudrängen. Gleichzeitig hat die Regierung der Russischen Föderation die aktive Zusammenarbeit mit jüdischen Gemeinden im Land in der Bildungs- und Kulturarbeit verstärkt. Eine besonders große Rolle spielt dabei die weltweit verbreitete, konservative Gemeinschaft der Chabad Lubawitsch.

Für viele identitätsbewusste Juden sind die Lehren der Lubawitscher attraktiv, weil diese sich um einen traditionsbejahenden und frommen Mittelweg in der Religion bemühen. Sie grenzen sich ab von einem liberalen Reformjudentum, das oft in vollständiger Assimilation endet, auf der einen, und den streng orthodoxen Spielarten, die oft mit den Sachzwängen des Alltagslebens kollidieren, auf der anderen Seite. Die Lehre der Lubawitscher lautet grob gefasst: „Kannst Du nicht alle Gebote halten, halte zumindest so viele, wie Du halten kannst.“

Frage der Alija machte Israel für Kommunisten zum Feindbild

Auch außenpolitisch hat sich das Verhältnis zwischen Russland und Israel verbessert, obwohl die geopolitischen Interessen im Nahen Osten vielfach noch auseinanderklaffen und russische Staatsmedien häufig eine einseitige anti-israelische Berichterstattung im Stile der früheren Sowjetpropaganda betreiben.

Nachdem die Sowjetunion unter Josef Stalin noch als eine der ersten Nationen der Welt die Gründung des jüdischen Staates 1948 anerkannt hatte, überwarf sich das kommunistische Regime wenig später mit Israels Regierungschefin Golda Meir. Diese hatte darauf bestanden, auch sowjetischen Juden die Alija, die Heimkehr in die ursprüngliche Heimat der jüdischen Stämme, zu ermöglichen. Die Sowjetunion lehnte dies aus ideologischen Gründen ab – aus ihrer Sicht war der Gedanke inakzeptabel, das sozialistische Arbeiterparadies freiwillig verlassen zu wollen. Seit dieser Zeit ist Israel für die meisten marxistischen Bestrebungen zum erklärten Feindbild geworden.



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