Die heutige Besteuerung ist willkürlich

Die Parteiendemokratie bringt es automatisch mit sich, dass die Politiker die Hauptlast der Steuern der besitzenden Minderheit auflegen, um Mehrheiten zu erlangen: Der Sozialstaat macht arm.
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Das Bundesministerium für Finanzen in Berlin.Foto: iStock
Von 26. Juni 2022

Wachsende Staatsausgaben in Verbindung mit steigender Staatsverschuldung führen zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum. Von 8,2 Prozent in den 50er-Jahren ist die Rate des wirtschaftlichen Wachstums für das deutsche Bruttosozialprodukt auf 1,6 Prozent in den 90er-Jahren und auf 0,9 Prozent im Zeitraum 2000 bis 2010 gesunken.

In den letzten zehn Jahren hat inflationsbereinigt das Bruttoinlandsprodukt — trotz zunehmender Bevölkerung auf über 83 Millionen — praktisch stagniert. Der pandemiebedingte Einbruch der Wirtschaftsaktivität wurde 2021 nicht kompensiert und auch für 2022 besteht diese Erwartung nicht.

Mehr Sozialausgaben, höhere Steuern – wozu noch arbeiten?

Im Jahre 1950 lagen die Sozialausgaben des Bundes unter zwanzig Prozent des Bruttosozialproduktes. Seit 1990 ist diese Sozialleistungsquote von fünfundzwanzig Prozent auf über dreißig Prozent gestiegen. Als Folge des politisch gewollten Herabfahrens der Wirtschaftsaktivität seit Anfang 2020 steht nun ein erneuter Sprung nach oben bevor.

Allein für Soziales betrugen die staatlichen Ausgaben bereits 2021 über eine Billion Euro. Die sogenannte Staatsquote – Staatsausgaben in Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung – ist auf über fünfzig Prozent gestiegen, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Mit dem Anstieg der Staatsausgaben ist eine höhere Belastung mit Steuern und Sozialabgaben verbunden. Wenn man den Arbeitgeberanteil an Sozialabgaben mit einbezieht, fallen heute schon über vierzig Prozent des Bruttolohnes an Steuern und Abgaben an (OECD 2022), wozu die diversen Konsum- und andere Verbrauchssteuern noch dazu kommen.

Angesichts dieser Belastungen lohnt es sich immer weniger zu arbeiten für den aktiven Teil der Bevölkerung. Gleichzeitig steigt der Anreiz, vom Leistungsempfänger zum Leistungsnehmer zu werden. Diese Entwicklung ist besonders prekär, weil in Deutschland schon aus demografischen Gründen ein steiler Anstieg der Ausgaben für die Alterssicherung und die Krankheitskosten bevorsteht.

Die Sozialausgaben stellen den größten Posten des Bundeshaushalts dar. Mit mehr als der Hälfte aller Staatsausgaben übertreffen die Sozialausgaben um ein Vielfaches die als notwendig bezeichneten öffentlichen Ausgaben für die Infrastruktur. Im Zuge der Expansion des Sozialstaates haben die gesellschaftlichen Problemlagen aber nicht abgenommen. Im Gegenteil. Der moderne Wohlfahrtsstaat ist die hauptsächliche Triebkraft für steigende Staatsausgaben und treibt die Staatsverschuldung an.

Ursprünglich wurde die staatliche Sozialpolitik für eine Gesellschaft konzipiert, in der es Familienhilfe vor Staatshilfe gab und Sozialhilfe noch mit einem Stigma versehen war. Dies hat sich inzwischen geändert. Die traditionellen Familienverbände haben sich immer mehr aufgelöst, und die staatliche Unterstützung wird für die Empfänger als selbstverständlich angesehen.

Mit der Sozialpolitik auf Stimmenfang

Die Politik trägt zu dieser Entwicklung wesentlich bei. Seit ihrem Beginn wird die Sozialpolitik als Instrument im politischen Wettbewerb benutzt. Sie dient dazu, Massenloyalität und Wählerstimmen zu gewinnen. Mit der Rentenpolitik — der Einführung der „dynamischen Rente“ im Jahre 1957 — hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer erfolgreich seine Wiederwahl gesichert.

Die späteren Regierungen wollten nicht zurückstecken. So wurde im Laufe der Zeit eine Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen in die Wege geleitet, sodass inzwischen die sozialpolitische Versorgung für jedermann von der Krippe bis zur Bahre reicht.

Inzwischen ist die gesamte bundesrepublikanische Bevölkerung in den Sozialstaat eingezogen — sei es über die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung, über die Arbeitslosenversicherung und die betriebliche Unfallversicherung sowie mit der in den Neunzigerjahren eingeführten Pflegefallversicherung. Darüber hinaus gibt es Familienförderung und Kindergeld und schließlich die Sozialhilfe als Hartz I bis Hartz IV.

Ausgaben werden parteipolitisch missbraucht

In der Bundesrepublik Deutschland sind die Steuereinnahmen des Bundes laufend gestiegen und haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Gleichzeitig wird der originäre Bereich der Staatstätigkeit – äußere, innere und rechtliche Sicherheit – immer mehr vernachlässigt. Die Steuereinnahmen des Staates werden sachfremd ausgegeben und es wird durchgehend schlecht gewirtschaftet. Viele Gelder versickern und Ausgaben werden parteipolitisch missbraucht.

Das Steuerrecht ist immer komplizierter geworden. Ständig werden neue Steuern und Abgaben erfunden. Ungeachtet des hohen Steueraufkommens und der hohen Abgabenbelastung nimmt die Staatsverschuldung weiter zu.

Steuer- und Abgabenpolitik ist Teil der Gesellschaftspolitik, in die alles hineingepackt wird, was der jeweiligen politischen Opportunität entspricht. Steuern und Abgaben dienen als Handhabe, Sondergruppen Vorteile in Aussicht zu stellen oder die eigenen ideologischen Ziele in den Vordergrund zu stellen.

Der politische Vorteil der fiskalischen Sozialpolitik besteht darin, dass man die Vorteilsgewährung den Zielgruppen deutlich machen kann, während die tatsächlichen Kosten verdeckt bleiben. So befriedigt man die vom Klima- und Umweltschutz begeisterten Wähler mit spezifischen Steuern und Abgaben. Die Politik reklamiert die ihr genehmen Wirkungen und unterschlägt die tatsächlichen Gegeneffekte.

Die Ausgestaltung der Besteuerung und der Sozialabgaben präsentiert sich heute in einer verwirrenden Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Dahinter steht der Irrglaube, man hätte mit der Steuer ein Medium zur Hand, das die maßgerechten Anpassungen an die einzelnen gesellschaftlichen Anforderungen erlaube und geeignet sei, spezifisch Ungerechtigkeiten zu beseitigen und die Gesamtwohlfahrt zu fördern.

Darüber hinaus zeugt die Handhabung des Steuerrechts – nicht zuletzt beim sogenannten Klimaschutz – von der Täuschung, die Wissenschaft sei imstande, passgenaue Prognosen über komplexe Sachverhalte abzugeben.

Das Steuersystem ist irrational geworden

Diese falschen Vorstellungen führen dazu, dass das moderne Steuersystem irrational und prinzipienlos geworden ist. Statt Prinzipien beruht die derzeit übliche Form der Steuererhebung auf Macht. Sowohl die Prinzipien der volkswirtschaftlichen Wirkungen als auch die Grundsätze der Gerechtigkeit werden missachtet.

Die Erhebung von Steuern und Sozialabgaben, wenn sie nicht bloße Willkür oder Ausdruck des politischen Machtspiels sein sollen, braucht Grundsätze, wobei diese Prinzipien logisch der Steuerrechtfertigungslehre entsprechen müssen. Bei Steuern und Abgaben handelt es sich um einen der tiefsten Staatseingriffe, denn ihre Erhebung ändert nicht nur die Form der Wirtschaftsaktivität, sondern bestimmt auch die Verteilung der Abgabenlast und ändert somit die Einkommens- und Vermögensverteilung.

Das Problem besteht darin, dass weder durch Mehrheitsentscheidung noch durch Umfragen oder sozio-ökonomische Untersuchungen bestimmt werden kann, ob eine staatliche Maßnahme mehr Nutzen als Nachteil erbringt.

Absage an die Willkürpolitik

Rational betrachtet ist eine Staatstätigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn sie einstimmig von den Betroffenen bewilligt oder freiwillig befolgt wird. Außer dem Prinzip der Einstimmigkeit und Freiwilligkeit gibt es rational keine Steuerrechtfertigung.

Wenn keine Einstimmigkeit vorliegt, muss die jeweilige Staatstätigkeit vernünftigerweise verworfen werden. Der Grund liegt darin, dass Einstimmigkeit und Freiwilligkeit die letztlich einzig gültige Garantie sind, dass die Steuererhebung gerecht erfolgt. Einstimmigkeit und Freiwilligkeit bei der Besteuerung sind Gebote der allgemeinen Gerechtigkeit, wie bereits vor mehr als hundert Jahre Knut Wicksell in seinen berühmten „Finanztheoretischen Untersuchungen“ darlegte.

Einstimmigkeit und Freiwilligkeit wären auch ein wirksamer Damm gegen die Ausgabenflut und damit gegen die um sich greifende Steuer- und Abgabenbelastung gewesen, wie sie sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Bahn gebrochen hat.

Die Tendenz zum Nettoempfang weitet sich aus, wenn das das Kriterium der Einstimmigkeit fehlt und man der Mehrheitswahl folgt. Die Besteuerung ist somit nicht nur nicht gerecht, sie wird zunehmend ungerechter.

Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmende Ausdehnung des Wahlrechts und die sie begleitende Herausbildung des Parteienwesens haben dazu geführt, dass der Damm gebrochen ist. Inzwischen liegt die Mehrheit, die über die Staatsausgaben entscheidet, in der Hand derer, die zu ihrer Finanzierung nichts oder nur wenig beitragen. Der Umfang der Nettozahler ist geschrumpft, während die Zahl der Nettoempfänger immer mehr gestiegen ist.

Immer mehr steht einer wachsenden Zahl von Leistungsempfängern eine geringer werdende Anzahl von Leistungserbringern gegenüber. Mit dieser Entwicklungsrichtung ruiniert sich das System von selbst und wandert unaufhaltsam auf dem Kollaps zu. Was Knut Wicksell (1896) in seinen „Finanztheoretische Untersuchungen“ (S. 122) kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts vorausgesehen hat, ist heute offensichtlich geworden:

Die Parteiendemokratie bringt es automatisch mit sich, dass die Politiker die Hauptlast der Steuern der besitzenden Minderheit auflegen, um Mehrheiten zu erlangen.

In der Folge wird die Staatsführung in der Parteiendemokratie mit den Staatsausgaben sorglos und verschwenderisch umgehen. Je weiter diese Praxis um sich greift, desto mehr wird die Grundlage des Wohlstands untergraben. Der Sozialstaat macht arm.

Folgerungen

Im Prinzip der Einstimmigkeit und Freiwilligkeit findet die Erhebung von Steuern und Abgaben ihr einzig mögliches Vernunftkriterium. Das wechselseitige Einvernehmen über die Beschlüsse dient als Garantie gegen Ungerechtigkeit bei der Steuerlastverteilung.

In diesem Licht betrachtet ist die heutige Praxis der Besteuerung willkürlich. Aber es geht nicht nur um Gerechtigkeit. Die heute übliche Form der prinzipienlosen Staatswirtschaft hält auch dem Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz nicht stand. Ein System, das die Leistungserbringer immer schröpft, ist nicht überlebensfähig.

Dr. Antony P. Mueller ist habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor für Volkswirtschaftslehre an der brasilianischen Bundesuniversität UFS (www.ufs.br). Vor Kurzem erschien sein Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie: Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“



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Aus wirtschaftlicher Sicht besteht Sozialhilfe darin, Geld von einigen Menschen zu nehmen und seinen Wert auf andere zu übertragen. Die Regierung ist für die Verteilung des Reichtums verantwortlich. Dadurch geht das Wissen darüber verloren, dass man arbeiten muss, um etwas zu bekommen.

Einige staatliche Hilfen sind durchaus vernünftig, wie etwa die soziale Absicherung von Opfern von Katastrophen oder Unfällen. Aber die positiven Aspekte der Sozialhilfe machen diese zu einem bequemen Instrument der Täuschung und werden als Vorwand benutzt, um die Steuern zu erhöhen.

Hohe Steuerlasten belasten nicht nur die Reichen. Während die Reichen oft über verschiedene rechtliche Mittel verfügen, um sich vor Steuern zu schützen, erhalten die Armen keine Sozialleistungen mehr, wenn ihr Einkommen über eine bestimmte Schwelle hinaus ansteigt. Kurz gesagt, wer härter arbeitet, wird bestraft.

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