Auch nach der US-Finanzreform sind die Banken „zu groß fürs Gefängnis“

Titelbild
Foto: Saul Loeb/AFP/Getty Images
Von 5. Juni 2010

Ich gehörte zu denen, die von der Verabschiedung des Gesetzentwurfs über die US-Finanzreform schwärmten. Und jetzt bin ich nur noch am Schwärmen.

„Unglaublich“, sagte ein Anwalt, der das Beste erhoffte, aber das Schlimmste erwartete. Er war darüber erstaunt, dass es wirklich verabschiedet wurde. Die weisen Männer in den Medien begannen sofort, Vergleiche mit dem New Deal zu ziehen. Die Experten lobten den Präsidenten und die Tatsache, dass eine Handvoll Republikaner diesmal nicht einfach nur „Nein“ sagte.

Irgendwie erkannten auch die Hardliner unter uns klar, dass etwas getan werden musste, um die Wall Street auf den richtigen Kurs zu bringen, wenn auch nur deshalb, weil die Stimmung im Land zu diesem Thema einen regelrechten Aufstand auslösen könnte.

Als dieses große 1.500-Seiten-„Reformwerk“ durchging, fragte man sich: Würde irgendjemand darauf wetten wollen, dass die Banken wie Espenlaub zittern werden, wenn seine strengsten Bestimmungen den Aussöhnungsprozess überleben? Immerhin finanzierten sie das, was Präsident Obama „Schwärme“ von Lobbyisten nannte, die man von Anfang an bekämpfen müsste. Sie verurteilten es, indem sie mit Hilfe ihrer unheilverkündenden Rhetorik den Markt lähmten. Oh, die Angst! Oh, die Folgen!

WSNS berichtete, was passierte: „Die Bankaktien stiegen am 28. Mai mit dem Aktienkurs von JP Morgan Chase, einem der größten Finanzhäuser, um 5,9 Prozent und trieben den Dow Jones Industrial Average auf 125 Punkte. Andere Bankaktien stiegen ebenfalls deutlich: Bank of America um 4,7 Prozent, Goldman Sachs um 3,3 Prozent, Morgan Stanley, Wells Fargo und Citigroup gingen auch nach oben. Der S & P-Index des Finanzsektors stieg sogar um insgesamt 3,6 Prozent.“

Das „Wall Street Journal“ berichtete vom Steigen der Preise unter der Überschrift „Die Finanzwerte steigen, nachdem der Senat das Reformgesetz verabschiedet hat.“

Klingt schlecht, oder? Hahaha! So viel zu Harry Reids Angeberei: „Wenn dieser Gesetzentwurf wirklich Gesetz wird, wird der Wall Street das Lachen ganz schnell vergehen.“ Tatsächlich gibt es noch viel Freude in Mudville, weil Mighty Goldman noch nicht ausgeschaltet wurde.

Keine Bestrafung

Die Bankiers wurden auch noch von etwas anderem ermutigt: nämlich von Präsident Obamas feierlichem Versprechen „nicht die Banken zu bestrafen“. Einen Tag später wurde berichtet, dass AIG nicht strafrechtlich verfolgt wird. Die American International Group, Inc. (AIG) ist ein großer international tätiger Versicherungskonzern mit Hauptsitz in New York City.

So schreibt Daniel Gross in „Newsweek“: „Angesichts dessen, was die Nation wegen des Finanzsektors in den vergangenen drei Jahren durchmachen musste, war – und ist – eine Strafaktion wirklich zwingend erforderlich. Doch obwohl es dabei um Themen geht, die der Finanzsektor nicht mag, fallen die Rechtsvorschriften, die jetzt an die Konferenz zwischen Repräsentantenhaus und Senat weitergeleitet werden, in der Tat relativ zahm aus.“

Der Artikel von Gross erscheint mit dem Titel „Reform ohne Strafe“; der Gesetzentwurf wurde angenommen zwei Tage nachdem die Tory-dominierte Regierung in Großbritannien angekündigt hatte, eine neue Behörde zur Bekämpfung von Finanzverbrechen zu planen.

Leider muss man sagen, dass sich die Vereinigten Staaten unter den „progressiven“ Obamakraten in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Die Presse berichtet sogar davon, dass das Finanzministerium, bzw. der Finanzminister Tim Geithner, zusammen mit den großen Banken gegen die in diesem Gesetz stehende Verordnung ist, die Regulierung von Derivaten zu fordern. Man wird bald feststellen, dass es darüber zu einigen neuen Kompromissen kommen wird.

Zwei weitere Teile der „Reform“, einer, der den politischen Aktionismus überlebte, und einer, der das nicht schaffte, sollten uns auch zu denken geben. Zuerst gab es die Bestimmung, die das umsetzte, was zunächst als eine unabhängige Behörde für Verbraucherschutz in der US-Notenbank gedacht war, deren Sorge aber offensichtlich nicht dem Schutz der Verbraucher dient. Ein Finanz-Blogger meinte, dass große finanzielle Macht jede Unabhängigkeit verhindern könnte. Sein Fazit: „Alle riesigen Banken, darunter auch Notenbank und Finanzministerium, haben Amerika erpresst.“ Elizabeth Warren von Harvard University muss wütend sein.

Simon Johnson, der das einflussreiche US-Finanzblog Baseline Scenario gründete, sagt uns, was sonst noch furchtbar schief ging.

„Nach neun Monaten harter Kämpfe ging es bei der Finanzreform um Folgendes: eine Gesetzesänderung, die von den Senatoren Jeff Merkley und Carl Levin vorgeschlagen wurde, dass nämlich die großen Banken gezwungen gewesen wären, ihre eigenen spekulativen Handelsgeschäfte aufzugeben (d.h. eine relativ starke Version der Volcker-Regel).“

„Die Gesetzesänderung wurde in den vergangenen Wochen sehr unterstützt, teils wegen der unermüdlichen Unterstützung von Paul Volcker und teils wegen der breiter angelegten Diskussion um die Brown-Kaufman-Gesetzesänderung (die die sechs größten Banken gezwungen hätte kleiner zu werden). Brown-Kaufman scheiterte mit 33 zu 61, aber es zeigte sich, dass eine wachsende Zahl von Senatoren bereit war, die Macht unserer größten und schlimmsten Banken einzuschränken. Doch am Ende des Tages bekam die Merkley-Levin Gesetzesänderung nicht einmal eine Stimme.“

Die „NY Times“ stellte fest, dass die Lobbyisten nicht davon abließen Geld auszugeben, um gegen Beschränkungen des Geldes zu kämpfen. „Führungskräfte und politische Aktionskomitees von Wall Street-Banken, Hedge-Fonds, Versicherungsgesellschaften und ähnlichen Einrichtungen des Finanzsektors haben die Kongress-Kandidaten in den letzten zehn Jahren mit mehr als 1,7 Milliarden US-Dollar überschüttet, wovon ein Großteil an die Finanzausschüsse ging, die die Industrieoperationen überwachen.“

„Die Banken regieren”

Überlassen wir es dem ehemaligen Bankregulator Bill Black, den Kern des Problems in den Griff zu bekommen: „Leute, was wir hier haben, ist im Wesentlichen eine Charakterisierung der Banken und der Regierung, die das Risikoprofil dieser Banken in Form eines 500 Kilo-Menschen übernommen hat, der sich ohne Hilfe nicht bewegen kann. Sie haben alle anderen zu der Überzeugung kommen lassen, dass jeder Versuch, diese übergewichtigen, kranken „Personen“ zu heilen, bei ihnen einen Herzinfarkt auslösen und uns damit alle töten würde, da sie an den Schaltstellen der Wirtschaft sitzen; außerdem ließen sie die meisten Menschen glauben, sie wären das Herz der Nation und sogar der ganzen Welt.“

„Aufgrund dieser ‚objektiven‘ Gegebenheiten steht die Regierung gegenüber diesen 500 Kilo-Personen nicht nur in der Pflicht, sondern zählt selbst dazu und wird alles tun, damit der Rest von uns sie trägt, um ihnen die Demütigung zu ersparen, tatsächlich etwas gegen ihre krankhafte Fettleibigkeit und den Teufelskreis der gegenseitigen Abhängigkeit zu unternehmen, damit sie alle so fett bleiben können. Wie auch immer man es betrachtet, muss man erkennen, dass die, die zu dick sind, um sie scheitern zu lassen, nicht benötigt werden, und dass sie unsere Wirtschaft in ein schwarzes Loch ziehen.“

Das schwarze Loch ist da. Die Staatsschuldenkrise fegt über die Welt und ihr folgt schon die nächste Kreditklemme. Viele Ökonomen befürchten einen Anstieg der Inflation und den gefürchteten „doppelten Fall“ in die Rezession, die uns noch tiefer fallen lässt. Paul Krugman rechnet mit einem zehn Jahre dauernden Rückgang, wie ihn Japan in den 1990er-Jahren erlebte.

Die Plünderung geht weiter, aber ich fürchte, mit der Verabschiedung des Gesetzes werden die Apparatschiks der Demokratischen Partei und die Aktivisten, die sie inszenieren, sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich dem nächsten Thema zuwenden, wobei sie eine „Reform“ anpreisen, die noch nicht einmal zur Hälfte umgesetzt wurde. Es gibt nur wenige strukturelle Veränderungen an dem, was sich als ein systemisches Problem darstellt. Die Großbanken gelten immer noch als zu groß für das Gefängnis. Eine weitere Times-Schlagzeile fasst es in wenigen Worten zusammen: „Die Banken regieren.“

Warum ist das so? Ein Briefschreiber namens Shaun vermutete in einem Kommentar über einen Artikel, den ich einmal schrieb: „Warum wurde noch niemand wirklich bestraft, der Straftaten beging, wie sie Schechter erwähnt? Weil es zu groß ist. Dieses Problem ist zu groß für diejenigen, die Schuld haben und für diejenigen, die es derzeit lösen müssen (Wall Street und Washington). Beamte würden die Krise viel lieber in einen Ausrutscher in unserer Wirtschaftsgeschichte verwandeln …“

„Vielleicht ist das moralische Versagen bei der Strafverfolgung dieser monumentalen Verbrechen das eigentliche Verbrechen dieses Jahrhunderts – noch mehr als die Wirtschaftskriminalität, von der Schechter spricht, weil es zu schwierig und zu groß ist?“

Der Nachrichtenanalyst von Mediachannel.org Danny Schechter drehte Plunder The Crime Of Our Time, einen Film über die Finanzkrise als Kriminalroman (plunderthecrimeofourtime.com) Kommentare an: [email protected]

Originalartikel auf Englisch: Financial Reform Leaves Banks Too Big to Jail

Foto: Saul Loeb/AFP/Getty Images

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion