Zinsen sinken seit 500 Jahren: Wird es normal, Zinsen an die Bank zu zahlen, wenn man Geld auf dem Konto hat?

Im 15. Jahrhundert lag der Zins bei 9,1 Prozent, im 17. Jahrhundert bei 4,6 Prozent. Nach Worten des Harvard-Wissenschaftlers Paul Schmelzing wird es für die kommenden Generationen zur Normalität, etwas dafür zu zahlen, wenn sie Geld auf dem Konto haben.
Titelbild
Banken wollen die Negativzinsen, die sie an die EZB zahlen müssen, am liebsten auch an ihre privaten Kunden weitergeben.Foto: iStock
Epoch Times5. Januar 2020

Der Realzins, also die Differenz von nominaler Verzinsung und Inflation, ist nicht erst seit dem 20. Jahrhundert im Sinkflug. Vielmehr lasse sich seit mindestens 500 Jahren ein Rückgang der realen Verzinsung feststellen, berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf eine Auswertung der Forschungen des Harvard-Wissenschaftlers Paul Schmelzing. Der Wirtschaftshistoriker hat die Quellen der letzten sieben Jahrhunderte ausgewertet.

Seine ältesten Daten reichten zurück ins Jahr 1311. Daraus ergebe sich ein umfassendes Bild der westlichen Kreditgeschichte und zugleich auch der Renditen, die für Anleger in der jeweiligen Epoche möglich waren, berichtet die Zeitung weiter.

Schmelzing komme zu dem Schluss, dass es keineswegs erst seit dem 20. Jahrhundert einen Großtrend zu immer niedrigeren realen Zinsen gebe. Schreibe man den Trend aus den letzten 500 Jahren fort, werde es für die kommenden Generationen zur Normalität, etwas dafür zu zahlen, wenn sie Geld auf dem Konto haben.

Im Jahr 2100 könnten Negativzinsen in Höhe von zwei Prozent eher die Regel als die Ausnahme sein, berichtet die „Welt am Sonntag“. Für das 20. Jahrhundert komme Schmelzung auf eine Realverzinsung langfristiger sicherer Bonds – etwa US-Staatsanleihen – von zwei Prozent.

Im 15. Jahrhundert lag der Zins bei 9,1 Prozent

Im 19. Jahrhundert lag der reale Zins nach seinen Berechnungen bei 3,4 Prozent, im 17. Jahrhundert bei 4,6 Prozent und noch einmal 200 Jahre vorher bei 9,1 Prozent, was den Hochpunkt markiert. Katastrophen, vor allem aber Kriege und politische Zersplitterung trieben den Zins damals nach oben.

Dass die Zahl der Konflikte zwischen Staaten seit Jahrhunderten sinkt, könnte ein Grund für das langsame Verschwinden des Zinses sein. „Es gibt einen Trend zu fallenden Renditen auf Staatsanleihen, teilweise weil die Welt reicher und sicherer geworden ist“, sagte Moritz Schularick, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Folglich seien die Risikoprämien auf Staatsanleihen gefallen.

Andere Ökonomen warnen hingegen davor, den Abwärtstrend der Zinsen beliebig ins Negative fortzuschreiben. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute, sieht einen Zusammenhang zwischen dem „wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der westlichen Zivilisation vom Mittelalter in die Neuzeit“ und dem Fall der Zinsen.

Auch die seit Jahrhunderten steigende Lebenserwartung spiele eine Rolle. Dennoch dürfe der Preis des Geldes in einem unmanipulierten Markt nicht dauerhaft niedriger sein als null. „Wenn man Zins als Zeitpräferenz versteht, dann darf die Reihe nicht in den Bereich von Null- und Negativzinsen extrapoliert werden“, sagte Mayer der „Welt am Sonntag“. Das gelte so lange, wie das menschliche Leben endlich sei und Zeit für jeden Menschen ein knappes Gut. (dts)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion