Zehn Gründe, warum die „Bankster” davonkommen werden

Medienkommentator und Filmautor Danny Schechter („Plunder – The Crime of Our Time“) über die kriminelle Energie an der Wall Street und die Tatenlosigkeit der US-Regierung und –Bevölkerung angesichts von Wirtschaftsverbrechen.
Titelbild
Ein Aktienhändler in der New Yorker Börse am Freitag, dem 4. März 2011.Foto: Chris Hondros/Getty Images
Von 10. März 2011

Hut ab vor dem Schriftsteller Matt Taibbi dafür, dass er an den kriminellen Handlungen der Wall Street dran geblieben ist, indem er in seinem jüngsten Bericht im Rolling Stone fragt: „Warum ist die Wall Street nicht im Gefängnis?“

„Finanzgauner (΄Bankster΄)“, so argumentiert er, „brachten der Weltwirtschaft die Krise, aber die Regierungsvertreter tun mehr zu ihrem Schutz, als sie zu verfolgen.“

Wohl wahr, aber das ist nur ein Teil der Geschichte. The Daily Kos kommentierte seine Untersuchung mit „deprimierend zu lesen“. Vielleicht, weil sie suggeriert, dass die Regierung von US-Präsident Obama nicht das tut, was sie sollte, um die Wirtschaftskriminalität in den Griff zu bekommen.

Viele der Anwälte, die er zu handeln auffordert, kommen aus Gemeinschaftskanzleien und kaufen dort ihr Weltbild. Sie sind nicht hungrig danach, Führungskräfte zu verfolgen, die sie kennen, und auf die sie ihre naive Hoffnung setzen, dass sie zur wirtschaftlichen „Erholung“ beitragen werden.

Es besteht kein Zweifel, dass die Politik der US-Regierung Finanzgaunern einen großen Handlungsspielraum gewährte, wie der Wirtschaftsjournalist Yves Smith erklärt: „Die allzu großzügigen Bedingungen des TARP (Troubled Asset Relief Program: Ein staatliches Programm für die Einrichtung und Verwaltung eines Fonds, um die anhaltende Finanzkrise von 2007 bis 2008 einzudämmen) und das Scheitern des Obama-Teams, im Frühjahr 2009 die Industrie zu zwingen, Veränderungen im Management vorzunehmen, war ein fataler Fehler. Das ermutigte und führte zu einer zutiefst korrupten Plutokratie.“

An dieser Geschichte ist jedoch noch viel mehr dran.

Zehn Probleme

Als der Fernsehmoderator Bill Maurer auf seiner wöchentlichen politischen Comedy-Show Matthew C. Taibbi bedrängte, die Namen der größten Wall-Street-Gauner zu benennen, konnte man erkennen, dass er nicht ganz verstanden hat, wogegen wir eigentlich sind.

Es gibt zehn Faktoren, die die Verschleppung von Reaktionen und die Rationalisierung der Untätigkeit erklären können. Die Regierung ist auch nicht alleine schuld. Mehrere Branchen arbeiteten über ihre Firmen und Verbände, Partner und gut bezahlte Agenten über Jahre zusammen, um die Wirtschaft zu ihrem eigenen Vorteil zu finanzieren.

Personalisierte Bösewichte sind gut für das TV, doch sie bieten keine wirkliche Erklärung.

Erstens: Viele von denen, die später wegen Wirtschaftskriminalität und Betrug verfolgt werden könnten, haben in Lobbying investiert und großzügige politische Spenden bezahlt um sicherzustellen, dass strenge Vorschriften und deren Durchsetzung kastriert wurden, bevor die Immobilienblase platzte, die sie gefördert hatten.

Sie taten dies in der Folge der Inhaftierung von Hunderten von Bankern nach der S & L-Krise (Savings and Loans: Spar- und Darlehenskrise), um zu gewährleisten, dass dies bei der nächsten Krise nicht wieder geschehen kann.

Fakt ist, dass ihre Strategie der Deregulierung auch bewusst das Umfeld „entkriminalisierte“ um sicherzustellen, dass Praktiken, die zu hohen Gewinnen und geringen Rechenschaftspflichten führen, zulässig sind und gestattet werden.

Zweitens: Die Industrie erfand und begründete exotische Finanzinstrumente. Sie machte für sie als zukunftsweisende „Innovationen“ und „Modernisierungen“ Reklame, mit der sie ihre Absicht zu verschleiern suchte: die Ausweitung ihres Manöverfeldes. Dies war Teil der Schaffung eines Schatten-Bank-Systems unterhalb des Radars der wirksamen Überwachung und Regulierung. Es gab keinen Fokus auf die Steuerung des außerhalb der Kontrolle liegenden Hungers der Spieler auf unregulierte Hedge-Fonds zur Fremdkapitalaufnahme.

Drittens: Die Industrie verkündete die ökonomischen Theorien und Ideologien, für die sie zu diesem Zeitpunkt die Rückendeckung der Ökonomen hatte, die weitgehend die Krise nicht kommen sahen, sodass diejenigen, die einen Zusammenbruch wegen der Betrügereien voraussagten, als unmodern und außen vor wirkten. So sagte der Ökonom James Galbraith vor dem US-Kongress: „Studien zum Finanzbetrug erhalten wenig Beachtung. Es gibt praktisch keine Forschungsinstitute; eine Zusammenarbeit zwischen Ökonomen und Kriminologen ist selten; in den führenden Abteilungen gibt es nur wenige Spezialisten und ebenso gibt es nur sehr wenige Studenten.“

Füchse bewachen den Hühnerstall

Viertens: Prominente Mitglieder der Finanzdienstleistungsindustrie wurden in den staatlichen Behörden in Spitzenpositionen berufen und statt die Finanzkriminalität zu knacken, ging es in die andere Richtung. Fakt war, dass nun die Füchse, die in den führenden Institutionen für die Bewachung des Hühnerstalls zuständig waren. Wenn sie nicht unbedingt dazu ermunterten, so tolerierten sie ein Umfeld der Kriminalität.

Alan Greenspan und Ben Bernanke wurden wiederholt von Untergebenen bei der Federal Reserve Bank über vielerorts gängige Raubtiermethoden in den Hypotheken und Subprime-Märkten gewarnt und sie beschlossen, nichts zu tun.

Fünftens: Medien waren Mittäter, verführt, gekauft und kompromittiert. Zu der Zeit, als die Immobilienblase noch wucherte, wurden die Medien gezwungen, alles zu verniedlichen, denn zwielichtige Kreditgeber und Kreditkartenunternehmen pumpten Milliarden in die Werbung im Radio, Fernsehen und das Internet und versicherten geradezu, dass man keine unnötigen Untersuchungen durch Medien brauche. Finanzjournalisten betteten sich zunehmend in die Kultur und Geschichte der Wall Street ein, indem sie Aktien und Geschäftsführer hochspielten.

Die „Gäste“, die routinemäßig von Medien ausgewählt wurden, um die Krise zu erklären, waren oft Teil von ihr, beklagt der Kolumnist Jim Hightower. „Viele der ‚Experten‘, über die ich gelesen hatte oder die ich im Fernsehen sah, scheinen ratlos, geben nur heiße Luft von sich. Viele ihrer Vorhersagen haben sich als falsch erwiesen, selbst wenn sie noch so selbstbewusst und gut informiert schienen.“

Sechstens: Politiker und Wirtschaftsjuristen ermöglichten bei Missständen Vergleiche, statt eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten.

Die Regierung profitierte, indem sie hohe Geldbußen einzieht, während die Geschäftsleute das Gefängnis vermeiden. Wenn Vergleiche ausgestellt wurden, führte dies zu Praktiken wie das absichtliche Konstruieren von faulen Krediten, die dann als Aufwand abgeschrieben wurden.

Finanzführungskräfte erhielten oft riesige Boni und Entschädigung für Verhaltensweisen, die den Tatbestand der Kriminalität umgingen oder erfüllten.

Siebtens: Die Wirtschaft hat sich verändert und Branchen, die einst getrennt waren, begannen zusammenzuarbeiten, aber die Vorschriften wurden nicht geändert. In einer FIRE Wirtschaft (einer Wirtschaft, die sich auf Finanzen, Versicherungen und Immobilien gründet), arbeiteten Finanzinstitutionen eng mit Versicherungen und Immobilienfirmen zusammen. Die Strafverfolgung bemerkte diese neue Realität nicht.

Wirtschaftskriminalität wird immer noch fast ausschließlich im Rahmen des Wertpapierrechts gesehen, entwickelt zum Schutz der Anleger und nicht der Arbeitnehmer oder Hausbesitzer, die weit mehr unter dem Zusammenbruch gelitten hatten.

Kriminelle Energie

Sam Antar, der wegen Finanzkriminalität verurteilt wurde und der in meinem Film „Plunder“ erscheint, äußert sich geringschätzig darüber, wie die Regierung in diesen Fällen zu verfahren neigt, zum Teil, weil sie nicht zu verstehen scheint, wie berechnet diese Verbrechen und ihre Vertuschung sind. Er erzählte mir: „Wir haben keinen Respekt vor den Gesetzen. Wir betrachten ihre Ethikkodizes und ihre Gesetze als Schwächen, die bei der Umsetzung unserer Verbrechen genutzt werden können.“

Achtens: Obwohl die Wirtschaft globalisiert und US-Finanzunternehmen ihre Präsenz weltweit ausbreiteten, gab es wenig Internationalisierung der Finanzmarktregulative und -vorschriften. Heute, wenn sogar die Deutschen und die Franzosen solche Regeln vorschlagen, sträubt sich Washington noch immer gegen ein hartes und koordiniertes globales Regime vollstreckbarer Verhaltenskodizes, um ethische Standards zu gewährleisten.

Neuntens: Mit Ausnahme einiger höflicher Anfragen einer Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise wurden diese Verbrechen in den Vereinigten Staaten weder schonungslos noch intensiv untersucht. Während Senator Levin für Michigan einen Tag damit verbrachte, Goldman Sachs wegen ihrer irreführenden Praktiken anzuprangern, verriet ihre Verteidigung etwas mehr über die wahre Natur des Problems: „Jeder tat es.“ (Fast zehnmal so viel Geld wurde ausgegeben um Bill Clintons Sex-Skandal zu untersuchen.)

Zehntens: Ich bin in meinem Countdown von der Rolle der progressiven Kritiker der Krise sehr enttäuscht, die Kriminalität als Schlüsselfaktor und möglichen Schwerpunkt zur Organisierung einer Massenbewegung auch weitgehend ignorieren.

Sie behandeln die Krise, als wären sie auf einem Finanzseminar in Harvard, das sich auf die komplexen Auswirkungen von Derivativen konzentriert; sie reden von Kreditausfallversicherungen und strukturierten Finanzprodukten, was normale Menschen nur selten verstehen können. Sie argumentieren, dass Banken nicht zu groß sein sollten, damit sie nicht in Konkurs gehen, aber selten davon, dass sie nicht zu groß sind, um nicht mit Gefängnisstrafen rechnen zu müssen.

Wo sind aktive Empathie, Mitgefühl und Fürsorge für die vielen Opfer der Wirtschaftskriminalität?

Die Antwort auf die Krise wurde stumm geschaltet. Es gibt wenig Druck von unten. Zum Teil deshalb, weil sich die Gewerkschaften um ihre eigenen Probleme kümmern und nach der Regierung richten. Die Diskussion über den amerikanischen Traum passt nicht in das Schema der Wall Street. Die von der Regierung eingerichtete Sonderabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität scheint meistens nur die kleinen Fische zu verfolgen.

Es ist, als ob es diese Verbrechenskrise innerhalb der Finanzkrise nicht gibt.

Wann werden wir ein Verbrechen ein Verbrechen nennen? Wann werden wir Gefängnisstrafen und nicht mehr nur Rettungspakete fordern? Wenn und solange wir das nicht tun, werden die Menschen, die die schwerste Krise unserer Zeit verursacht haben, tatsächlich mit dem größten Raub der Geschichte davonkommen.

 

 



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