Deutsche Firmen in Afghanistan: Sorge um Mitarbeiter

Nur wenige deutsche Unternehmen sind Afghanistan präsent. Doch sie fürchten nun um ihre Mitarbeiter. Der DIHK will sie in Sicherheit bringen lassen.
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Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme durch Kabul.Foto: Rahmat Gul/AP/dpa/dpa
Epoch Times19. August 2021

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan werden die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen auf Deutschland gering sein. Die wenigen dort präsenten Unternehmen sorgen sich jedoch um ihre Mitarbeiter.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bemüht sich deshalb darum, afghanische Ortskräfte deutscher Unternehmen in Sicherheit bringen zu lassen.

„Soweit uns bekannt, ist kein deutsches Unternehmen mit deutschen Mitarbeitern vor Ort vertreten, gleichwohl gibt es afghanische Staatsangehörige, die bei deutschen Unternehmen angestellt sind und sich noch im Land befinden“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier am Donnerstag. Der Verband steht deswegen mit dem Krisenreaktionsstab des Auswärtigen Amts im Austausch.

Sorge vor geopolitischen Folgen

Dem Außenhandelsverband BGA machen eher die geopolitischen Folgen Sorgen, weniger die unmittelbaren Auswirkungen. „Die Frage ist, ob die Machtübernahme die Region destabilisiert“, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen auf Anfrage. „Zudem könnte China seinen Einfluss weiter ausbauen und sich den Zugriff auf Bodenschätze sichern.“

Die aktuelle Entwicklung sei für viele Menschen in Afghanistan dramatisch, sagte der BGA-Sprecher. „Aus Handelssicht spielt das Land aber spätestens seit dem Einmarsch der damaligen Sowjetunion vor mehr als 40 Jahren praktisch keine Rolle mehr.“ Auch in den letzten Jahren habe sich kein Potenzial aufgetan. „Afghanistan hat zwar bedeutende Bodenschätze. Um diese abzubauen, brauchen Unternehmen aber ein Mindestmaß an politischer Stabilität, das es auch zuletzt nicht gegeben hat.“

Größere wirtschaftliche Folgen für deutsche Unternehmen wird der Kollaps der afghanischen Regierung deswegen nicht haben – dafür ist das Land nach über vier Jahrzehnten ununterbrochener Gewalt zu arm. Das Land am Hindukusch rangierte im vergangenen Jahr nach Daten des Statistischen Bundesamtes auf Rang 130 der deutschen Export-Statistik. Die geschätzt 37 Millionen Einwohner Afghanistans erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 20 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Kanada kam 2020 mit seiner vergleichbar großen Bevölkerung auf 1,6 Billionen Dollar.

Die Entwicklungshilfen aus den USA, der Europäischen Union und auch Deutschland seien nicht nachhaltig genug eingesetzt worden, kritisiert Conrad Schetter, Afghanistan-Experte am Internationalen Konversionszentrum in Bonn. „Die Korruption in Afghanistan wurde zu wenig bekämpft und deswegen sind auch die Hilfsgelder nicht immer angekommen, vor allem nicht bei der afghanischen Bevölkerung.“ Stattdessen sei viel Geld – auch deutsches – in die Bekämpfung des Terrors geflossen, sodass die Wirtschaft des Landes nicht nachhaltig beeinflusst wurde.

Trotz internationaler Präsenz und Hilfen sei Afghanistan arm geblieben. „Nachdem schon 2011 ein großer Teil der Truppen abgezogen worden war, haben viele Afghanen ihr Kapital in Nachbarländer gebracht – deswegen ist viel Kapital aus dem Land abgeflossen“, sagt Schetter. Das Bruttoinlandsprodukt Afghanistans ist seit 2012 deutlich gesunken.

Funktionierende Infrastruktur fehlt

Nach wie vor fehlt es in vielen Teilen des Landes an funktionierender Infrastruktur – ob Straßen, Strom oder Wasserversorgung. Siemens Energy hoffte auf einen großen Regierungsauftrag, der jedoch bisher noch nicht erteilt war. „Beabsichtigt war, dass Siemens Energy im Rahmen eines Drei-Phasen-Plans Afghanistan bei der Entwicklung einer zuverlässigen und bezahlbaren Energieinfrastruktur unterstützt“, sagt ein Sprecher. „Die Prüfung der wirtschaftlichen und technischen Machbarkeit ist die erste der drei Phasen, die bisher lief. Dementsprechend gibt es aktuell kein nennenswertes Geschäft vor Ort.“

Afghanistan-Experte Schetter sieht zwei mögliche Richtungen für das gequälte Land: Entweder die Taliban zeigten sich moderat, um mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten und die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit zu sichern. Das Land könne aber auch wieder in einem „schwarzen Loch“ versinken, in dem Opium-, Waffen- und Menschenhandel maßgeblich die Wirtschaft des Landes bestimmen. Investitionen Chinas im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ ließen die Region um Afghanistan boomen. „Afghanistan kann aber nur boomen, wenn dort Frieden und Stabilität einkehrt. Das ist den Nachbarstaaten klar“, sagte Schetter. (dpa)



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