
Fast zwei Drittel mehr Privatinsolvenzen – Pleiten der Kleinstunternehmen gestiegen
Aktuell wird mit einer Verdopplung der privaten Insolvenzen im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr gerechnet. Die Anzahl der Firmeninsolvenzen lag von Januar bis Juni bei geschätzt 8.800 Fällen. Betroffen sind vor allem Einzelunternehmen und Freiberufler. Die Wiedereinführung der Insolvenzmeldepflicht ab Mai macht sich noch nicht in der Statistik bemerkbar.

Ausverkauf in München, 19. April 2021.
Foto: Lennart Preiss/Getty Images
6,85 Millionen Bürger sind überschuldet, bundesweit liegt die Überschuldungsquote bei rund 10 Prozent. Die Altersarmut steigt sprunghaft – das besagt der „Schuldneratlas 2020“. Die Schuldnerberatungen kommen nicht mehr hinterher.
Sprunghafter Anstieg der Privatinsolvenzen seit Januar – Run auf die Amtsgerichte
Die Zahl der Privatinsolvenzen stieg seit Jahresbeginn sprunghaft an – um fast 63 Prozent. Es kam zu 46.000 Insolvenzen zwischen Januar und Juni 2021, wie eine Analyse der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt. Das ist der höchste Wert für ein Halbjahr seit 2014.
Es sei ein „Dammbruch bei den Anträgen“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Und: „Seit Jahresbeginn kommt es zu einem Run auf die Amtsgerichte.“
Die Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel spricht allein für das erste Quartal 2021 von 31.821 Verbraucherinsolvenzen. Das sind 56,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Für 2021 rechnet Crifbürgel mit bis zu 110.000 Fällen und damit nahezu mit einer Verdopplung. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 56.324 private Pleiten.
Die Steigerung geht vor allem auf Kurzarbeit und Kündigungen zurück. Ein anderer Grund für den Anstieg der Insolvenzen sind Änderungen in der Gesetzeslage.
Mit dem „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ können seit dem 1. Oktober 2020 Betroffene einfacher und schneller von ihren Restschulden befreit werden. Die Zeitdauer eines Privatinsolvenzverfahrens wurde von sechs auf drei Jahre herabgesetzt, es müssen keine Schulden bezahlt werden und auch die Verfahrenskosten sanken.
„Da diese Reform ein großer Vorteil ist, haben viele Antragssteller auf den entsprechenden Beschluss des Bundestages gewartet“, vermutet Crifbürgel-Geschäftsführer Frank Schlein.
Firmen: Insolvenzen der Kleinstunternehmen gestiegen
Bei den Unternehmensinsolvenzen wirken die staatlichen Corona-Maßnahmen nach. Die Anzahl der Firmeninsolvenzen lag von Januar bis Juni bei geschätzt 8.800 Fällen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind das 1,7 Prozent weniger.
Vor allem traf es im 1. Halbjahr Kleinstunternehmen bis maximal 250.000 Euro Jahresumsatz. Mehr als die Hälfte aller Pleiten des ersten Halbjahres (54,1 Prozent) gehen auf diese Gruppe – meist Einzelunternehmer und Freiberufler – zurück.
Der Handel verzeichnete 1.920 Insolvenzen – ein Plus von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Dienstleistungsgewerbe gab es 5.120 Insolvenzen, ein leichter Anstieg um 0,2 Prozent. Dagegen sanken im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe die Insolvenzzahlen.
Auffallend ist, dass zunehmend ältere Unternehmen pleite gingen. Gut jede zweite Firma, die insolvent wurde, war schon mindestens zehn Jahre am Markt (2012 lag dieser Anteil noch bei einem Drittel). Normalerweise sind jüngere Firmen insolvenzanfälliger, vor allem die „Notgründungen“ aus der Arbeitslosigkeit heraus.
Die Zahl der Insolvenzen spiegelt nicht die gesamte Zahl der Geschäftsaufgaben wider. Viele Unternehmer beenden ihre Geschäftstätigkeit, bevor sie ins Trudeln geraten.
Innenstädte: Jeder 4. Schuhladen und jeder 2. Sportartikelhändler fürchtet das Schlimmste
Das Handelsforschungsinstitut IFH rechnet damit, dass bis zu 120.000 Geschäfte aller Größenordnungen aufgegeben werden. Laut einer Umfrage des Handelsverbandes erwarteten Anfang Juni 25 Prozent aller Modehändler in den Innenstädten, 29 Prozent der Inhaber von Schuhgeschäften und 43 Prozent der Sportartikelhändler, dass sie ihr Geschäft schließen müssen, wenn es keine weiteren Hilfen im zweiten Halbjahr 2021 gibt.
Den Beginn der von den Corona-Maßnahmen verursachten Insolvenzwelle vermutet die Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel im zweiten Halbjahr 2021.
Ein Grund dafür ist: Seit Beginn der Corona-Krise stunden Finanzämter und Krankenkassen ihre Forderungen an Unternehmen. Wenn Unternehmen ihre Steuerschulden oder Kassenbeiträge nicht bezahlen, stellt normalerweise oft der Fiskus oder die Kassen Insolvenzanträge (sogenannte „Fremdanträge“). Während der staatlichen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Maßnahmen wurde diese Praxis ausgesetzt. Wenn die Normalität wieder einsetzt und die Stundungen beendet werden, ist daher mit mehr Insolvenzen zu rechnen.
Ab Mai gilt wieder die Insolvenzantragspflicht, die Wiedereinführung macht sich noch nicht in der Statistik bemerkbar.
Größere Unternehmen: Derzeit geringe Insolvenzquote
Bei Unternehmen mit mehr als 25 Millionen Euro Jahresumsatz ist die aktuelle Insolvenzquote gering, nachdem im Vorjahr bereits Modeketten wie Adler oder Restaurantketten wie Vapiano pleite gegangen waren.
„Anscheinend machen sich konjunkturelle Erholung sowie staatliche Hilfen bei größeren Unternehmen, die im Vorjahr noch deutlich unter ‚Corona-Schock‘ standen, positiv bemerkbar“, heißt es in der Creditreform-Analyse.
Ablesbar sei dies auch an der Zahl der durch Insolvenzen bedrohten oder bereits weggefallenen Arbeitsplätze. Bedroht sind derzeit 90.000 Arbeitsplätze bei diesen Unternehmen – im ersten Halbjahr 2020 waren es 125.000.
(Mit Material von dpa)
(Mit Material von dpa)

Kathrin Sumpf schreibt für Epoch Times seit über zehn Jahren über aktuelle Themen, darunter Politik und Ausland. Sie hat einen facettenreichen Hintergrund in der Erwachsenenbildung und als Supervisorin.
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