Große US-Banken verlieren 90 Milliarden an Einlagen – kommt die Kreditklemme?

Nun bekommen in den USA auch größere Banken schmerzliche Geldabflüsse zu spüren. Der große Gewinner sind Geldmarktfonds. Finanzexperten sehen eine Kreditkrise kommen – auch für Deutschland.
Fast 200 US-Banken wie Silicon Valley Bank von Pleite bedroht
Kunden der Silicon Valley Bank warten am 13. März 2023 in der Warteschlange am Hauptsitz der SVB in Santa Clara, Kalifornien.Foto: Noah Berger/AFP via Getty Images
Von 5. April 2023

Die 25 größten amerikanischen Banken haben vergangene Woche Einlagen in Höhe von rund 90 Milliarden US-Dollar verloren. Das zeigen die jüngsten Daten der Federal Reserve. Während größere Finanzinstitute zuerst von der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) profitierten und einen Teil der Einlagen kleinerer Banken auffingen, hat sich das Blatt letzte Woche gewendet.

In der ersten Woche nach dem Crash zogen Anleger insgesamt 196,4 Milliarden US-Dollar von kleineren Banken ab. Letzte Woche entspannte sich die Lage für kleine Banken und sie gewannen rund sechs Milliarden US-Dollar an Einlagen hinzu. Anders hingegen verhielt es sich bei den großen Banken. Bei ihnen gingen die Einlagen um 89,7 Milliarden US-Dollar zurück.

Da sie in der Vorwoche 67 Milliarden US-Dollar hinzugewannen, verloren sie insgesamt gesehen 22,7 Milliarden Dollar. Zu den größten Profiteuren der Einlagenabflüsse gehören die Geldmarktfonds. Allein im März flossen rund 286 Milliarden US-Dollar in amerikanische Geldmarktfonds, wie „Financial Times“ berichtet.

Das Finanzsystem kränkelt

Nach dem Zusammenbruch der SVB wurde eine Reihe von Notfallmaßnahmen ergriffen, um die Märkte zu beruhigen. Zu ihnen gehören erweiterte Einlagenversicherungen und eine neue Kreditlinie der Federal Reserve (Fed).

Zwar scheint die unmittelbare Gefahr eines Dominoeffekts und weiterer Bankenpleiten gebannt, doch warnen Experten davor, dass Kredite knapp werden könnten. Das hätte dann auch Folgen für die Wirtschaft. Betroffen wären vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Privatpersonen. Manche schließen sogar eine Rezession nicht aus.

Für Stefan Schrader, Fondsmanager und Chef der Titus-Unternehmensgruppe, ist die Bankenkrise noch lange nicht vorbei. Die Regulierungsmaßnahmen würden nur die Symptome an der Oberfläche unterdrücken, aber nicht das Problem beheben, betonte der Finanzexperte im Interview mit „Wallstreet-Online“.

Neue Kreditlinie mit Folgen

Der neuen Kreditlinie nach können US-Banken ihre Anleihen jederzeit bei der Fed hinterlegen und dafür einen Kredit bekommen, falls zu viele Anleger ihr Geld von der Bank abziehen und sie kein Geld mehr liquide hat, und zwar ohne dass die Kursverluste nach der Zinsanhebung der Fed berechnet würden.

Bei einem Bankenrun würde das verhindern, dass Banken zahlungsunfähig werden. „Das war ja der Todesstoß bei der SVB. Aber das ist klar symptomatisch und hat Folgeerscheinungen“, meint Schrader. „Das löst aber nicht das Problem.“

Die Ursachen der Bankenkrise in den USA seien ja gerade die Kursverluste von 600 Milliarden US-Dollar nach der letzten Zinsanhebung der Fed. Schrader schätzt, dass Amerika ein Kreditportfolio von rund vier Billionen US-Dollar haben muss, das für die enormen Kursverluste verantwortlich ist.

Droht Deutschland eine Kreditkrise?

Für ihn liegt es klar auf der Hand, dass sich die Kreditvergabe von Banken verändern wird.

Wenn Sie als Bank Angst haben müssen vor einem Social-Media-geprägten Bankrun, dann halten Sie natürlich mehr Geld flüssig und gehen keine langfristige Geschäftsverbindung über eine Kreditvergabe ein.“

Im Zweifelsfall könne es sogar zu einer Kreditklemme kommen und das habe „auf jeden Fall Auswirkungen auf das Investitionsverhalten“. Schrader ist sich sicher, dass das Problem auch in Deutschland ankommen wird, auch wenn eine aktuelle ifo-Studie zurzeit noch das Gegenteil sage.

„Was sich jetzt gezeigt hat, ist, dass die Stimmung sehr schnell kippen kann und ein Bankrun ist in erster Linie emotional geprägt.“ Durch die Technologisierung stünde Geld weltweit in Echtzeit zur Verfügung und könne dann entsprechend schnell transferiert werden. „Das ist die Kehrseite der Medaille.“

Anfang 2022 hob die Federal Reserve den Zinssatz zur Bekämpfung der Inflation an. Nach den ersten Turbulenzen im US-Bankensektor sind die Vergabestandards für Kredite noch strenger geworden.

Erste Anzeichen für eine Kreditverknappung in den USA

Wirtschaftswissenschaftler Peter Earle des American Instituts für Wirtschaftsforschung hat bereits eine Verknappung der Kreditvergabe in den USA beobachtet. „Die rückläufige Vergabe von Unternehmensanleihen in den letzten Wochen ist ein deutliches Zeichen für diese Entwicklung“, schrieb er in einer E-Mail an Epoch Times.

„Sollten [sic] die Sorge um die Stabilität des Bankensystems weiter anhalten, wird dies letztendlich dazu führen, dass keine Kredite mehr vergeben werden oder nur noch zu exorbitanten Sätzen. Und das wird zu einer Kreditklemme führen.“

Laut einem Bericht von „BMO Capital Markets“ verkauften US-Unternehmen im Februar Schuldverschreibungen im Rekordwert von 144 Milliarden, um weitere Kursverluste zu vermeiden. Danach kam der Anleihenmarkt an der Börse kurzzeitig zum Erliegen, bevor er wieder eine schwache Aktivität zeigte.

Kommt nun die Rezession?

Obwohl Anleger letzte Woche weniger Einlagen von den Banken abzogen, betrugen diese noch 84 Milliarden US-Dollar. Daher besteht immer noch erhebliche Unsicherheit darüber, wie es weitergeht und ob es in der Folge sogar zu einem Wirtschaftsabschwung kommen könnte.

„Wir kommen ihr definitiv näher“, sagte Neel Kashkari, Präsident der FED Minneapolis, in einer CBS-Sendung auf die Frage, ob es in den USA nach den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor zu einer Rezession kommen könnte.

Zurzeit ist für uns noch nicht klar, inwieweit die Spannungen im Bankensektor zu einer weit verbreiteten Kreditklemme führen. Diese würde dann aber, wie Sie sagten, die Wirtschaft verlangsamen.“

Aktuell würden die FED-Beamten die Auswirkungen der Auswirkungen auf den Bankensektor „sehr, sehr genau“ beobachten. Zudem habe das derzeitige System die „volle Unterstützung“ der Federal Reserve, versicherte er.

Allianz-Chefvolkswirt sieht große Probleme für Gemeinden

Der Allianz-Chefvolkswirt und renommierte Wirtschaftswissenschaftler Mohamed El-Erian beschrieb kürzlich in einem Gastbeitrag für Bloomberg die negativen Folgen von anhaltenden Einlagenabflüssen aus regionalen Banken.

„Das könnte zu einem großen Problem für lokale Gemeinden, Regionen und Sektoren werden“, schrieb er. Sie müssten befürchten, dass ihr Zugang zu Krediten eingeschränkt wird, weil ihre traditionellen Bankpartner ihre Bilanzen verkleinern müssen.

El-Erian glaubt daher auch, dass sich die Bankenkrise durch die erschwerte Kreditvergabe langsam auf die Realwirtschaft auswirken wird, die bereits mit Inflation, Zinsanhebung, Rückgang der Ersparnisse, Finanzinstabilität und einer rückläufigen Weltwirtschaft zu kämpfen hat.

(Mit Material von The Epoch Times)



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