„Paradoxe Zinslandschaft“: Höherer Strafzins der Europäischen Zentralbank erwartet

Am Donnerstag erklärt die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt, mit welchen Zinssätzen sie die Konjunktur in der Eurozone ankurbeln will. Was ein niedrigerer Einlagezins am Ende bedeutet, ist aber umstritten.
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Banken wollen die Negativzinsen, die sie an die EZB zahlen müssen, am liebsten auch an ihre privaten Kunden weitergeben.Foto: iStock
Epoch Times11. September 2019

Wenn Mario Draghi am Donnerstag vor die Presse tritt, schauen nicht nur die Banken nach Frankfurt: Auch für die Sparer kann die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) bedeutsam sein. Verkündet der EZB-Präsident eine weitere Absenkung des Einlagezinses für Banken, drohen künftig womöglich auch Privatkunden Strafzinsen. Ob die Zinssenkung der angestrebten Konjunkturbelebung dient, ist umstritten.

Es wird erwartet, dass die EZB vor dem Hintergrund der Inflation von zuletzt einem Prozent in der Eurozone an ihrer expansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre festhält und den Einlagezins für Banken von zur Zeit minus 0,4 Prozent weiter absenkt. Für Banken wird es dann noch teurer, Geld bei der EZB einzulagern. Das soll sie animieren, das Geld für die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatkunden auszugeben, um so letztlich die Wirtschaft zu beflügeln.

Auch mehr Verbraucher als bislang müssten dann womöglich Strafzinsen zahlen

Es gibt aber Befürchtungen, dass Banken diesen „Strafzins“ auf ihre Einlagen bei der Zentralbank früher oder später an ihre eigenen Kunden weitergeben könnten, um Verlustgeschäften vorzubeugen, die sie nicht an anderer Stelle ausgleichen können. Auch mehr Verbraucher als bislang müssten dann womöglich Strafzinsen zahlen – derzeit trifft dies erst vereinzelt Vermögende mit mindestens 100.000 Euro auf einem Konto.

Bisher seien zwar „die allermeisten Banken davor zurückgeschreckt“, sagte am Mittwoch der Leiter der Finanzsparte des Vergleichsportals Verivox, Oliver Maier. „Doch diese Bastion könnte fallen, wenn die Zinsen weiter sinken.“

Der Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Michael Breuer, kritisierte im „Kölner Stadt-Anzeiger“:

Die breite Masse der Kleinsparer erhält keine Zinsen mehr auf das Ersparte oder die Altersvorsorge.“ Breuer sprach von einer „paradoxen Zinslandschaft“, die EZB-Politik sei „eine breite Umverteilung von Vermögen von unten nach oben“.

Der Zins für Einlagen bei der Zentralbank ist seit 2014 negativ. Der EZB-Rat könnte den Banken am Donnerstag gleichzeitig mit Erleichterungen entgegen kommen – und beispielsweise die Zinssätze staffeln oder Freibeträge einführen.

Uneins sind Finanzexperten dagegen über mögliche neue Anleihekäufe, gegen die es zuletzt auch Bedenken aus Reihen der EZB gegeben hatte. Ob am Ende neue Staats- oder sogar Unternehmensanleihen gekauft werden, ist fraglich.

So oder so: Draghi setzt weiter auf monetäre Anreize. Anfang Juni hatte er angekündigt, dass die EZB auch den Leitzins nicht vor Mitte 2020 erhöhen werde. Die Zentralbank hatte den zentralen Zinssatz im März 2016 auf 0,0 Prozent gesenkt, um mit günstigem Kapital Konjunktur und Inflation anzukurbeln.

Die EZB strebt eine Inflation von knapp unter zwei Prozent an und sieht damit weitgehende Preisstabilität in einer gesunden Wirtschaft gegeben. Die geringe Inflation erhöht den Druck auf die Notenbank zu stärkeren konjunkturstimulierenden Maßnahmen.

Auch Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde will wohl an diesem Kurs festhalten, wenn sie im November an die Spitze der EZB rückt: Ende August betonte sie, dass die Geldpolitik in der nahen Zukunft „entgegenkommend“ bleiben müsse. (afp)



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