Karlsruhe gibt grünes Licht für europäisches Einheitspatent

Nur ein Antrag statt viel Aufwand und Ärger in jedem einzelnen Land – das EU-Einheitspatent soll es Unternehmen mit ihren Erfindungen einfacher machen. Allerdings ist damit auch eine europäische Zentralisierung der Patentverwaltung verbunden.
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Das Europäische Patentamt in München.Foto: Sven Hoppe/dpa/dpa
Epoch Times9. Juli 2021

Das europäische Einheitspatent soll Unternehmen Zeit und Geld sparen. Nach jahrelangem Streit steht nun in Deutschland dem Start nichts mehr im Wege.

Das Bundesverfassungsgericht wies zwei neue Eilanträge wegen des vorgesehenen Einheitlichen Patentgerichts zurück, wie am Freitag in Karlsruhe mitgeteilt wurde. Die Kläger hätten eine Verletzung ihrer Grundrechte nicht ausreichend dargelegt, ihre eigentlichen Verfassungsbeschwerden seien deshalb unzulässig. Damit steht auch fest, dass es keine Prüfung im Hauptverfahren mehr geben wird.

Das bedeutet, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das im November und Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz dazu nun ausfertigen kann. Die Richter des Zweiten Senats hatten ihn im Januar gebeten, damit zu warten, bis über die Eilanträge entschieden ist. Dem war der Bundespräsident nachgekommen.

Nationale Zertifizierung in jedem einzelnen Land entfällt

Das Einheitspatent, an dem sich mit Ausnahme von Spanien und Kroatien alle EU-Staaten beteiligen, soll die Kosten für das Anmelden einer Erfindung nach Angaben der EU-Kommission um bis zu 32.000 Euro senken. Die Idee ist, dass jeder Inhaber eines europäischen Patents zentral einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen kann. Damit gilt es auf einen Schlag in allen teilnehmenden Staaten. Die mühsame nationale Zertifizierung in jedem einzelnen Land entfällt.

Die deutsche Zustimmung ist zwingende Voraussetzung für den Start des Systems. Wegen Klagen in Karlsruhe lag das Projekt zuletzt jahrelang auf Eis. Auf europäischer Ebene steht das Übereinkommen seit 2013.

Zunächst hatten die Verfassungsrichter nach langer Prüfung im Februar 2020 ein erstes Gesetz für nichtig erklärt, weil bei der Abstimmung im Bundestag 2017 viel zu wenige Abgeordnete anwesend waren. Daraufhin hatten Bundestag und Bundesrat Ende 2020 das Gesetz wortgleich noch einmal beschlossen. Aber noch vor dem Jahreswechsel waren die beiden neuen Verfassungsklagen mit Eilanträgen eingegangen.

Klagen richteten sich gegen ausschließliche Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts

Die Klagen richteten sich nicht gegen das Einheitspatent an sich, sondern nur gegen einen Teil des Systems, das Einheitliche Patentgericht. Es soll Streitigkeiten über europäische Patente entscheiden und dafür die ausschließliche Zuständigkeit bekommen.

Die Kläger sehen das Rechtsstaatsprinzip und ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt und hatten Verstöße gegen das Unionsrecht moniert. Ohne Erfolg: Die Bundesregierung gehe davon aus, dass das Übereinkommen „keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht enthält“, teilte das Gericht mit.

Geplant ist für das Einheitliche Patentgericht, ein Gericht in erster Instanz, ein Berufungsgericht und eine Kanzlei einzurichten. Sie sollen für Streitigkeiten in Verbindung mit Einheitspatenten und europäischen Patenten zuständig sein. Für eine Übergangszeit von sieben Jahren soll es jedoch die Möglichkeit geben, seine Zuständigkeit für ein klassisches europäisches Patent durch eine entsprechende Erklärung auszuschließen.

Das Gericht erster Instanz soll aus einer Zentralkammer in Paris mit einer Außenstelle in München und, so sah es die bisherige Planung vor, einer in London sowie mehreren Lokal- und Regionalkammern in den Vertragsstaaten bestehen.

Lokalkammern in Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München geplant

Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München sollen die Standorte der deutschen Lokalkammern werden. Das Berufungsgericht wird in Brüssel seinen Sitz haben. Für Nichtigkeitsklagen, negative Feststellungsklagen und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes in Bezug auf Verwaltungsaufgaben soll ausschließlich die Zentralkammer zuständig sein.

Verletzungsklagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sollen bei den Lokal- bzw. Regionalkammern oder der Zentralkammer eingereicht werden.

Vorgesehen ist zudem eine Wahlfreiheit zwischen dem in Deutschland üblichen Trennungsprinzip, wo Verletzungs- und Nichtigkeitsklage separat verhandelt werden, sowie dem in angelsächsischen Ländern gängigen Verbundsystem.

Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch die Ausstattung der nationalen Eingangsinstanzen, insbesondere wie viele Spruchkörper (rechtssprechende Organe) an den Lokal- und Regionalkammern benötigt werden. Das wiederum hängt von der Anzahl der Streitverfahren ab.

Ein einheitlicher europäischer Patentschutz ist bereits seit Mitte der 1970er Jahre in Planung. Vorbehaltlich der deutschen Zustimmung sollte das europäische Einheitspatent Anfang 2022 starten. (dpa/er)



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