Opposition fordert umfassende Aufklärung des Wirecard-Falls

Was wusste die Bundesregierung wann von den Unregelmäßigkeiten beim Dax-Konzern Wirecard, und was sind nun die Konsequenzen? Nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses soll sich entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss gibt.
Titelbild
Wirecard.Foto: Lennart Preiss/Getty Images
Epoch Times29. Juli 2020

Die Opposition fordert die Bundesregierung zu einer umfassenden Aufklärung im Wirecard-Skandal auf. „Die Liste der offenen Fragen ist in den letzten Tagen nicht kürzer, sondern nur länger geworden“, so die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus vor der Sondersitzung des Finanzausschusses.

Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte der dpa: „Entscheidend wird sein, ob man der Bundesregierung abnehmen und zutrauen darf, diesen beispiellosen Skandal umfassend aufzuklären.“ Daran seien erhebliche Zweifel angebracht. Die SPD forderte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, mehr zur Aufarbeitung zu tun.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Altmaier stellen sich am Nachmittag im Finanzausschuss Fragen der Abgeordneten. Die Sitzung ist nicht-öffentlich. Oppositionspolitiker erwägen einen Untersuchungsausschuss.

Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus, und zwar seit 2015. Mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein.

Der Skandal hatte auch die Bundesregierung in Erklärungsnot gebracht. Zentrale Fragen sind, wann genau sie von Unregelmäßigkeiten wusste, ob sie zu wenig dagegen unternommen hat – und ob die Regierung womöglich Wirecard unterstützte, obwohl der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bereits im Raum stand.

„Wir müssen einen großen Schritt bei der Aufklärung vorankommen“, sagte Paus. „Wir brauchen volle Transparenz von allen Beteiligten: dem Finanz- und Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt.“ Es sei zu bedauern, dass sich Vertreter des Kanzleramtes trotz expliziter Einladung nicht den Fragen des Parlaments stellten. „So ist klar, dass dies nicht der letzte Termin gewesen sein wird. Statt politischer Spielchen und Vorwahlkampf brauchen wir jetzt Sachaufklärung.“ Es müsse jedes Mittel genutzt werden, um eine schnelle und umfassende Aufklärung voranzutreiben: „Das sind wird den Anlegerinnen und Anlegern sowie der deutschen Öffentlichkeit schuldig. Das kann bedeuten, dass am Ende auch ein Untersuchungsausschuss unvermeidbar ist.“

Toncar sagte, Scholz und die gesamte Bundesregierung hätten sich vor allem selbst bescheinigt, nichts falsch gemacht zu haben. Viele Fragen aber seien nicht überzeugend beantwortet worden: „Die letzte Gelegenheit dafür sehe ich in der Sondersitzung. Die Bürger dürfen erwarten, dass hier jeder Stein umgedreht wird und das Fehler nicht aus Rücksicht auf Personen, auch nicht auf die Kanzlerambitionen von Olaf Scholz, unter den Teppich gekehrt werden.“

Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion Michael Theurer sagte am Dienstag: „Wenn die Abgeordneten in einer klärenden Ausschuss-Sitzung nicht korrekt informiert werden, schreit dies geradezu nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.“ Scholz solle die Sitzung nutzen, „um seine Rest-Chance auf eine Kanzlerkandidatur zu wahren und endlich für Transparenz sorgen“, sagte Theurer. „Dieser ausgewachsene Finanz- und Polit-Skandal lässt sich nicht weiter schön- und kleinreden.“

Die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe sagte der dpa: „Wirecard ist vor allem ein Skandal der Wirtschaftsprüfer. Minister Altmaier muss endlich erklären, wieso die Aufsicht der Wirtschaftsprüfer hier nicht eingeschritten ist.“ Altmaier müsse „raus aus der Deckung“ und Verantwortung übernehmen. Ob ein Untersuchungsausschuss notwendig sei, werde der Verlauf der Sitzung zeigen. „Ich gehe davon aus, dass es mindestens weitere Sitzungen des Finanzausschusses zu dem Thema geben wird. Es wird auch eine Rolle spielen, wie transparent das Wirtschaftsministerium reagiert.“

Ein großes Wirtschaftsprüfungsunternehmen hatte für die Wirecard-Jahresabschlüsse von 2009 bis 2018 jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Manipulationen wurden nicht erkannt.

Scholz hatte als Konsequenz aus dem Skandal einen Aktionsplan vorgelegt. Um die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer zu stärken, soll ein Prüfunternehmen maximal zehn Jahre lang für eine Firma zuständig sein – dann ist eine Rotation fällig. Außerdem soll die Rolle der Finanzaufsicht Bafin bei der Bilanzkontrolle gestärkt werden. Der Plan ist in der Regierung aber noch nicht abgestimmt.

Beim Wirtschaftsministerium ist die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer angesiedelt. Eine Sprecherin Altmaiers aber hatte betont, die Abschlussprüferaufsichtsstelle APAS sei eine unabhängige berufsrechtliche Aufsicht über Wirtschaftsprüfer. Regelungen für die Wirtschaftsprüfer und die Anforderungen an die Prüfungen lägen in der Zuständigkeit des SPD-geführten Justizministeriums. (dpa)



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