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Ungarn, Slowakei, Tschechien: Neue Allianz gegen EU-Kurs zur Ukraine

Während die EU seit über zwei Jahren um Einigkeit im Ukraine-Konflikt ringt, wächst in Mittelosteuropa der Widerstand gegen den bisherigen Kurs. Ungarn, Slowakei und Tschechien könnten eine neue Gegenallianz bilden.

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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (l.) sprach sich zusammen mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico mehrmals gegen weitere gemeinsame EU-Mittel für die Ukraine aus.

Foto: Ludovic Marin/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.


In Kürze:

  • Viktor Orbán sucht innerhalb der EU Verbündete für seine Position zum Ukraine-Krieg.
  • Gemeinsam mit den Führungen der Slowakei und Tschechiens könnte das Trio eine neue Achse in Brüssel bilden.
  • Während Orbán das Erstarken seiner Verbündeten sieht, steht er selbst sowohl in Ungarn als auch in Brüssel vor erheblichen Herausforderungen.

 

Inmitten anhaltender Spannungen innerhalb der EU über die Ukraine-Frage formieren sich neue politische Allianzen in Mittelosteuropa. „Ungarn möchte gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei ein Bündnis mit kritischer Haltung zur Ukraine formen“, erklärte Balázs Orbán (nicht verwandt mit Viktor Orbán), der Politische Direktor von Ministerpräsident Orbán, in dieser Woche gegenüber „Politico“.

Der ungarische Ministerpräsident verfolgt das Ziel, dass die führenden Politiker der drei Länder ihre Positionen vor den EU-Gipfeln koordinieren und gemeinsam auftreten, heißt es in dem Interview. Damit zeichnet sich offenbar eine neue mittelosteuropäische Achse ab – angeführt von Orbán, dem slowakischen Premier Robert Fico und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babiš.
Zuvor hatten die drei Länder in der europäischen Migrationskrise noch gemeinsam mit Polen eng kooperiert – im Rahmen der sogenannten vier Visegrád-Staaten (V4). Dieses Bündnis galt jahrelang als geschlossene Front gegen Brüssels migrationspolitische Pläne und war ein einflussreicher Block innerhalb der EU.
Doch seit dem Regierungswechsel in Warschau und dem politischen Kurswechsel unter Donald Tusk – der wieder eine stärkere EU-konforme Linie verfolgt – ist das Verhältnis zwischen Budapest und Warschau merklich abgekühlt. Infolge dieser Differenzen – insbesondere in der Ukraine-Frage – deutet nun vieles auf ein neues „Visegrád-3“-Format hin.

Gemeinsame Ansichten zur Ukraine

Der slowakische Regierungschef Robert Fico vertritt in Fragen rund um die Ukraine meist eine ähnliche Position wie Viktor Orbán. So lehnen beide etwa Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Wie Orbán setzt auch Fico auf den Dialog mit Moskau und weist die Sanktionspolitik der EU entschieden zurück.
Fico ist zudem jener Politiker, der sich hinter Orbán stellt, wenn sein ungarischer Amtskollege beabsichtigt, gemeinsame EU-Finanzhilfen für die Ukraine oder neue Kreditaufnahmen diesbezüglich zu blockieren.
Orbán und Fico sind sich einig, dass die Ukraine kein Mitglied der NATO werden darf. Fico formulierte zu Jahresbeginn sogar, ein NATO-Beitritt der Ukraine würde Friedensinitiativen untergraben und ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen – bis hin zur Gefahr eines Dritten Weltkriegs.
Einen EU-Beitritt der Ukraine lehnt Orbán konsequent ab, während Fico ihn nicht ausschließt – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die notwendigen Bedingungen erfüllt werden.
Gemeinsam ist beiden Ländern zudem die weiterhin bestehende Abhängigkeit von russischen Energiequellen. Die Slowakei deckt – ähnlich wie Ungarn – ihren Bedarf nach wie vor in hohem Maße mit Gas- und Öllieferungen aus Russland. Ebenso lehnt Fico jene EU-Politik ab, die auf eine Abkopplung von diesen Energiequellen abzielt.
Babiš, dessen Partei bei den jüngsten Wahlen in Tschechien als stärkste Kraft hervorging, vertritt ebenfalls ähnliche Ansichten. Sein Beitritt zu diesem Duo könnte die Reihe der kriegskritischen und ukraineskeptischen Verbündeten noch weiter stärken. Der derzeitige tschechische Außenminister warnte in einem Interview mit „Politico“ sogar, dass Babiš bei der nächsten Sitzung des Europäischen Rates als „Marionette Orbáns“ auftreten werde.
Der Vorsitzende der Oppositionsbewegung ANO, Andrej Babis (M), spricht nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Der Vorsitzende der Oppositionsbewegung ANO, Andrej Babiš (M.), spricht nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Foto: Øíhová Michaela/CTK/dpa

Weitere Partner gesucht

Auf die Frage, ob sich im Europäischen Rat – in dem die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammenkommen – eine geschlossene Allianz formieren könnte, erklärte Balázs Orbán gegenüber „Politico“: „Das wird passieren – und es wird zunehmend sichtbar werden.“
Er machte zudem deutlich, dass Ungarns Bestrebungen, eine neue politische Allianz in Brüssel zu schmieden, weit über den Europäischen Rat hinausreichen. Die vom ungarischen Premier initiierte rechte Fraktion „Patrioten für Europa“ (Patriots for Europe) sei bereits die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament und könnte sich bald zusätzliche Verbündete sichern.
Als mögliche Partner nannte Viktor Orbáns politischer Berater die „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) sowie die ebenfalls rechtsgerichtete Gruppe „Europa der Souveränen Nationen“ (ESN) – und schloss selbst eine Zusammenarbeit „mit einigen linken Kräften“ nicht aus.
Die „Patrioten für Europa“ verfügen zudem über ein breit aufgestelltes Netzwerk von Thinktanks, das nicht nur in Brüssel präsent sei, sondern auch transatlantische Verbindungen aufweise. Orbáns Vertrauter erklärte: „Wir suchen in allen politischen Bereichen aktiv nach Partnern und Verbündeten.“

Orbán steht vor einer Herausforderung

Obwohl Viktor Orbán von einem Erstarken der patriotischen Kräfte in Europa spricht, steht er selbst in den kommenden Monaten vor einer ernsthaften Herausforderung.
Der ungarische Ministerpräsident ist seit 15 Jahren ununterbrochen an der Macht. Im kommenden Frühjahr findet in Ungarn erneut eine Parlamentswahl statt. Sein stärkster Oppositionsgegner, Péter Magyar, hat gute Chancen. Laut einer Erhebung von „Politico“ könnte er sogar bessere Aussichten haben als Orbán selbst.
Orbán wirft Brüssel regelmäßig vor, seinen politischen Gegner zu unterstützen. Diesen Vorwurf griff auch der politische Direktor des Ministerpräsidenten im aktuellen Interview auf. Die Europäische Kommission hingegen sieht die Lage völlig anders. Sie stellte mehrfach Verstöße Ungarns gegen EU-Recht fest, was in den vergangenen Jahren zu erheblichen Kürzungen von EU-Geldern für das Land geführt hat.
Zudem wird Orbán aufgrund seiner Haltung zum Ukraine-Krieg immer wieder als „Putins Marionette“ dargestellt. Ein Vorwurf, der auch gegenüber Fico und Babiš erhoben wurde. Aufgrund der wiederholten Vetos Budapests in Fragen der Ukraine-Unterstützung und des EU-Beitritts des Landes wurde in Brüssel sogar über einen Entzug des ungarischen Stimmrechts in der EU diskutiert.
Mária S. Szentmagyari ist eine ungarische Juristin mit deutschen Wurzeln und lebt im Grünen unweit von Budapest. Mit Leidenschaft und großem Interesse an geopolitischen Zusammenhängen berichtet sie für Epoch Times über die aktuellen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa, der Ukraine, Russland und dem Nahen Osten. Die Kommentare unter ihren Artikeln liest sie mit besonderer Neugier.

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