Schwieriger Start ins Ausbildungsjahr

"Was man dieses Jahr bloß anfangen soll? Eine Ausbildung" - mit Slogans wie diesen wirbt das Handwerk um Azubis. Die haben es aber in diesem Jahr nicht leicht.
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Wegen der Corona-Krise sind Zehntausende Ausbildungsstellen in Deutschland unbesetzt.Foto: Julian Stratenschulte/dpa/dpa
Epoch Times1. August 2020

Es ist ein holpriger Start – in ein ganz besonderes Ausbildungsjahr. Die Corona-Krise hat bei Azubis und Betrieben für viele Probleme gesorgt. Die Berufsorientierung ist deutlich schwieriger geworden: Ausbildungsmessen und andere Veranstaltungen fielen aus.

„Der Ausbildungsmarkt ist in schwerem Fahrwasser und das macht uns im Moment schon Sorgen“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur. Das Handwerk sei in der Vermittlung sechs bis acht Wochen hinterher. Von Januar bis Juni seien 16,6 Prozent seien weniger neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als im Vorjahreszeitraum.

Die Folgen der Corona-Krise belasten viele Betriebe, Umsätze und Gewinne sind eingebrochen. Die DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte warnte aber: „Auf die Corona-Krise darf keine Fachkräftekrise folgen. Wird jetzt an der Ausbildung gespart, hören wir spätestens nach Corona die Klagen über den Fachkräftemangel. Die Unternehmen müssen alles tun, um bestehende Ausbildungen fortzuführen und neue Ausbildungsplätze zu schaffen.“

Einer, bei dem es gepasst hat, ist Lucas Ackermann. „Ich bin schon ein wenig aufgeregt“, sagte der 16-Jährige. Er fängt am Montag eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bei einem Betrieb in Köln an. Es ist in Zeiten des Klimaschutzes ein Job mit Zukunft, viele Unternehmen der Branche suchen händeringend Azubis.

„Der Weg dorthin aber war holprig“, erzählte Vater Wolfgang Ackermann-Hentschel (49). „Wir waren auf der letzten Rille unterwegs, wir haben Glück gehabt.“ Im Juni hat Lucas seinen Realschulabschluss gemacht. Dann begann die Suche: Was will ich machen, wie bekomme ich einen Ausbildungsplatz? Und das in Corona-Zeiten mit der Absage von Ausbildungsmessen, auch ein „Speed-Dating“ zwischen potenziellen Azubis und Betrieben fiel aus.

Über einen „Bildungslotsen“ der Kölner Handwerkskammer bekam Lucas dann ein zweiwöchiges Praktikum bei einem Betrieb. „Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil man viel unterwegs ist und mit Leuten Kontakt hat.“ Die Chemie stimmte, vor drei Wochen – nach dem Ende seines Praktikums – hat die Firma Lucas einen Ausbildungsvertrag angeboten. „Die Erleichterung war schon groß, als ich den Vertrag unterschrieben habe“, sagt der 16-Jährige. Und sein Vater ergänzt: „Danach sind wir erst einmal zum Essen ausgegangen.“

Viele aber suchen noch. Im Juli waren nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit noch 201.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. 495.000 betriebliche Ausbildungsstellen waren gemeldet – 43.000 weniger als vor einem Jahr. Auffällig zurückgegangen seien im Vergleich zum Vorjahr vor allem gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen in Metall- und Elektroberufen, im Friseurhandwerk, in Gastronomie- und Hotellerieberufen sowie in Informatik- und kaufmännischen Berufen.

Die Bundesregierung hat finanzielle Anreize gesetzt. Betriebe, die in der Krise weiter ausbilden oder die Zahl der Lehrstellen sogar erhöhen, bekommen eine Prämie. Es solle verhindert werden, dass es einen „Corona-Jahrgang“ am Ausbildungsmarkt gibt, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Das Signal an die kleinen und mittelständischen Unternehmen ist: Bildet aus – trotz Corona!“

Auch Handwerkspräsident Wollseifer appelliert an die Betriebe: „Bildet weiter aus und gebt den jungen Leuten eine Chance. Ansonsten fehlen in drei Jahren die Fachkräfte.“ Im Handwerk seien momentan bundesweit noch über 33.000 Ausbildungsstellen nicht besetzt. „Derzeit tun wir alles, um Betriebe und Azubis zusammenzubringen, sodass sich die Lage verbessert“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Das Problem in den vergangenen Wochen und Monaten sei gewesen, dass es keinen Austausch zwischen Betrieben und Jugendlichen gegeben und auf den üblichen Wegen keine Berufsorientierung stattgefunden habe. „Weil jeder von den Problemen der Betriebe spricht, sind die potenziellen Ausbildungsbewerber sehr zurückhaltend und verunsichert und fragen sich natürlich: Gibt es die Betriebe in drei Jahren noch?“

Auch wenn das neue Ausbildungsjahr in den meisten Ländern offiziell am Samstag starte, sei damit der Zug für eine Ausbildung noch nicht abgefahren, sagte Wollseifer. „Ein Einstieg ist auch später noch möglich: Eine Ausbildung kann auch am 1. September, 1. Oktober oder sogar noch am 1. November gestartet werden.“

Eine große Sorge sei, dass sich nach überwundener Pandemie und dem Konjunkturtal aufgrund fehlender Ausbildung im Corona-Jahr das Fachkräfteproblem im Handwerk noch weiter verschärfe. „Eine gute Ausbildung bleibt der Schlüssel für eine gute Zukunft. Daran hat sich durch Corona nichts geändert.“

Aber kann eine Ausbildungslücke verhindert werden? „„Schon vor Corona haben nur noch weniger als 20 Prozent der hiesigen Unternehmen ausgebildet“, sagte DGB-Bundesjugendsekretärin Conte. „Dieser Trend darf sich nicht fortsetzen. Wir fordern eine gesetzliche Ausbildungsgarantie – jedem ausbildungsinteressierten Jugendlichen muss eine Ausbildung angeboten werden.“

Zu den Branchen, in denen es eher Probleme gibt, alle Lehrstellen zu besetzen, zählt das Bäckerhandwerk. Bei der Bäcker-Innung Berlin sind die Ausbildungszahlen nicht deutlich schlechter als in den vergangenen Jahren, wie Geschäftsführer Johannes Kamm berichtet. Vielmehr hätten die Betriebe wie in den vergangenen Jahren Probleme, alle Lehrstellen zu besetzen – obwohl die Corona-Krise die Branche nicht so stark getroffen habe wie andere und sich dss Berufsbild ändere. Das Bäckerhandwerk hat die Werbung um Azubis noch einmal verstärkt – mit Slogans wie: „Back Dir Deine Zukunft“. (dpa)



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