Aufstand im Hexenwäldchen – Kurtaxenregelung à la Bananenrepublik

Seit 2017 schon schlug die Satzung zur Kurabgabe dem parteilosen Mirower Stadtvertreter Uwe Fischer auf den Magen. Jetzt entschied das Gericht zu gunsten des Campingplatzbetreibers.
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Paddeltour.Foto: iStock
Von und 7. Juni 2022


Kanutouren, Streichelzoo, Lagerfeuerromantik. Im „Hexenwäldchen“ schlagen nicht nur Kinderherzen höher. Der Naturcampingplatz in Mirow (Mecklenburg-Vorpommern) hält für kleine und große Feriengäste einige Überraschungen bereit. In letzter Zeit gehörten dazu auch Verwarn- und Ordnungsgelder. Was es damit auf sich hat, erklärt der Campingplatzbetreiber Uwe Fischer auf Nachfrage von Epoch Times.

Am 1. März 2022 hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald „bis auf Kleinigkeiten“ seiner Klage umfassend recht gegeben. Gegenstand war die Kurabgabesatzung der Stadt Mirow, gegen die Fischer im Jahr 2020 im Rahmen eines Normenkontrollantrags vor Gericht zog. Dabei ging es unter anderem um den von der Kurabgabe betroffenen Personenkreis sowie Voraussetzungen für die Anerkennung als Erholungsort, die laut Fischer nicht vorlagen. Außerdem verletze die Erhebung der Kurabgabe den grundrechtlich geschützten Zugang zur freien Natur, so der Campingplatzbetreiber.

Über das laufende Gerichtsverfahren informierte Fischer auch seine Urlaubsgäste. Da er davon ausging, dass die zu entrichtende Kurabgabe nicht rechtens ist, riet er ihnen, keine Kurtaxe für 2020 und 2021 zu zahlen. Dem folgten viele Gäste, indem sie Widerspruch mit einem von Fischer vorbereiteten Formularschreiben einlegten. Das zuständige Amt Mecklenburgische Seenplatte sah in der Zahlungsverweigerung jedoch eine Ordnungswidrigkeit und verhängte Bußgelder.

Das Ende vom Lied: „Fünf Berufsrichter haben mehreren Klägern – unter anderem mir – recht gegeben. Die Kurabgaben-Satzungen aus 2020 und 2021 waren fehlerhaft“, schildert Fischer Ende Mai 2022. Die Konsequenzen seien vielfältig.

Bußgelder und Kurtaxe auf falscher Grundlage

„Viele Gäste der Stadt Mirow haben aufgrund der fehlerhaften Satzung in den Jahren 2020 und 2021 Kurabgabe gezahlt. Unternehmen und Quartiergeber wurden gezwungen, die Kurabgabe zu kassieren – und das, obwohl der Bürgermeister wusste, dass die Satzung fehlerhaft sein könnte“, erzählt Fischer, der gleichzeitig Stadtvertreter ist. Auch die Bußgelder hätten nicht verhängt werden dürfen.

Hinzu kamen laut Fischer Repressalien „unter zum Teil fadenscheinigen Vorwänden“ wie Haftungsbescheide, Zwangsgelder und „bedrohliche Besuche durch Polizei und Ordnungsamt“.

„Das Amt hat für die Stadt Mirow mehrere Zehntausend Euro eingezogen, indem den Bürgern Angst vor höheren Kosten gemacht wurde, und es wurde eine Rechtmäßigkeit der Ordnungswidrigkeiten-Verfahren vorgetäuscht. Dieses Verhalten einer hoheitlichen Stelle – Amt Mecklenburgische Kleinseenplatte – der Stadt Mirow, vertreten durch den ehemaligen Bildungsminister und jetzigen Bürgermeister Henry Tesch, entspricht der Rechtlichkeit und Handhabung einer Bananenrepublik“, kritisiert er. „In der Konsequenz des Urteils waren die gegen Tausende Gäste verhängten Ordnungsstrafen ohne rechtliche Basis.“

Das Fazit aus dem „Hexenwäldchen“: „Mirows Image-Schaden ist groß, und die Blamage noch größer.“

Anwalt kritisiert Verwarngeldkampagne

Epoch Times sprach auch mit einem Anwalt, der als Gast in Mirow selbst von der Kurabgabe betroffen war, aber anonym bleiben möchte. Er hat sich lange mit der Mirower Haupt- und Kurabgabensatzung beschäftigt.

Der Jurist kritisiert, dass Camper naturgemäß nicht die über die Kurabgabe finanzierten Urlaubsangebote wahrnehmen. Nutznießer sei eher „ein Tourist, der den ganzen Tag in der Mirower Innenstadt verbringt und alle Möglichkeiten ausschöpft“, – wobei es so viele Attraktionen in der Kleinstadt ohnehin nicht gebe. Die Gäste auf den Naturcampingplätzen wollen nach seiner Einschätzung ihre Ruhe haben.

Besonders ärgerlich sei jedoch das „Maß an Ordnungswidrigkeiten“. Wegen Beträgen um einen Euro wurde „eine regelrechte Verwarngeldkampagne“ aufgefahren. Nach seiner Ansicht habe die Stadt einen „Hang zu formell unsauberen Satzungen“. Inzwischen gebe es die 4. Änderungssatzung für die Kurabgabe. Im Gegensatz dazu seien andere Satzungen jedoch unberührt geblieben. Der Knackpunkt: „Wenn das Oberverwaltungsgericht jedoch urteilt, dass die Kurabgabensatzung aufgrund einer fehlerhaften Hauptsatzung ungültig ist, ist davon auszugehen, dass alle anderen auf dieser Hauptsatzung basierenden Werke ebenfalls ungültig sind“, erklärt der Anwalt gegenüber Epoch Times.

Weitere Gerichtsverfahren

Aus der Welt ist die Sache mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts jedoch noch nicht. Auch der Umstand, dass Fischer bei einer Abstimmung zum Thema Kurtaxe vom Bürgermeister als „befangen“ aus der Stadtvertretung ausgeschlossen wurde, beschäftigt das Gericht in einem weiteren Verfahren.

Derweil sieht Fischer für die Gäste, die die Ordnungsgelder gezahlt haben, ein „kleines, noch ungeklärtes Dilemma“. Normalerweise gibt es nämlich kein Geld zurück. In einem Musterprozess wird nun versucht, 30 Euro Verwarngeld zurückzuklagen. Allerdings rechnet Fischer mit einer langen Prozessdauer von bis zu drei bis fünf Jahren.

Aber es gibt noch einen anderen Ansatz. „Im Staatshaftungsrecht gibt es eine Analogie zu den Paragrafen 812 ff. BGB und 823 ff. BGB. Dort werden ungerechtfertigte Bereicherung und Schadensersatz geregelt“, so der Stadtvertreter. Das Ganze nenne sich „öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. Ob hierzu ein weiteres Verfahren eingeleitet wird, für welches dann das Amtsgericht zuständig ist, lässt Fischer derzeit prüfen.



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