Autozulieferer bei Zwickau schließt – über 800 Mitarbeiter vor dem Aus + Update vom Stadtrat

Das Gerücht der Schließung geht seit vier Jahren um, nun ist es offiziell. Der Automobilzulieferer GKN Driveline Deutschland schließt sein zweitgrößtes Werk, vermutlich nicht ganz freiwillig. Der Betriebsrat informierte mit einem Sarg in der Kantine. Vor 18 Monaten befanden sich italienische Kollegen in derselben Situation – zwölf Monate verbrachten sie bei einer unbefristeten Betriebsversammlung in ihrer Fabrik.
Das Gelenkwellenwerk von GKN Driveline in Mosel
Das Gelenkwellenwerk von GKN Driveline in Mosel.Foto: privat
Von 25. Januar 2023

Egal ob Verbrenner oder E-Auto, ohne eine Verbindung von Motor(en) und Rädern rührt sich kein Fahrzeug vom Fleck. In den meisten Fällen übernehmen sogenannte Gelenkwellen die Kraftübertragung. Hergestellt werden sie auch in Deutschland.

Etwa 3.400 Mitarbeiter produzieren diese Antriebskomponenten für den Automobilzulieferer GKN Driveline an vier Standorten in Deutschland: am Hauptsitz in Offenbach am Main, in Mosel bei Zwickau sowie in Kiel und Trier, wobei letzteres Werk eine Schmiede besitzt. Bis 2018 umfasste diese Liste auch das Opel-Gelenkwellenwerk in Kaiserslautern. Die Werke in Birmingham (Großbritannien) und Florenz (Italien) wurden bereits stillgelegt.

„Wegen strukturelle [sic] Veränderungen in der Branche“ stehen nun auch die Mitarbeiter der „Gelenkwelle“ Mosel vor dem Aus. Am 16. Januar beschloss der Aufsichtsrat die Schließung des Werks in Sachsen. Zwei Tage später informierte der Betriebsrat die Beschäftigten – mit einem Sarg in der Kantine. Ein improvisiertes Grabtuch verkündete: „GKN Mosel geb. 1981, zum Tode verurteilt am 16.01.2023.“

Auf der Website der Muttergesellschaft GKN Automotive ist weder vom Sarg noch von der Schließung in Mosel die Rede.

Symbolisch zu Grabe getragen. Für das Gelenkwellenwerk im sächsischen Mosel hat es sich 2025 ausgedreht. Foto: privat

Damoklesschwert schwebte seit 2018 über der automobilen Tradition

Der Standort in Mosel gehörte seit 1981 zum VEB Sachsenring, der auch die berühmt-berüchtigte „Rennpappe“ fertigte. Besser bekannt als Trabi ist sie längst zu einem Wahrzeichen der DDR und der späteren neuen Bundesländer geworden. Um die Jahrtausendwende stieg die britische Aktiengesellschaft GKN ein und mit weiteren Übernahmen zum Weltmarktführer auf. 2002 bediente GKN Automotive 43 Prozent der weltweiten Nachfrage.

2015 übernahm zunächst ein kanadischer Investor das Unternehmen mitsamt dem Gelenkwellenwerk in Mosel, das nicht nur das benachbarte VW-Werk belieferte, sondern auch Audi, BMW und Mercedes. Durch eine feindliche Übernahme drei Jahre später ging GKN für 8,1 Milliaden Pfund an die britische Beteiligungsgesellschaft Melrose Industries über. Bereits damals wurde spekuliert, dass Melrose die Produktion nicht fortführen, sondern stattdessen die Einzelunternehmen möglichst gewinnbringend verkaufen wolle.

„Eine drohende Schließung des Standorts geistert schon länger durch Mosel. Jetzt ist es allerdings kein Gespenst mehr, sondern Realität“, sagte Jörg Kirsten, Betriebsratsvorsitzender von GKN Driveline in Mosel, der lokalen Presse. Ein Mitarbeiter bestätigte dies im Gespräch gegenüber Epoch Times. Einige haben mehr als 40 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet, maximal zwei Jahre verbleiben. Bis 2025 soll die Schließung abgeschlossen sein und die Produktion nach Osteuropa verlagert werden. Ein neues Werk werde aktuell in Ungarn errichtet.

Zukunft vorhergesagt und doch ungewiss

Der Mitarbeiter, der aufgrund seiner Position im Werk ungenannt bleiben möchte, sagte auch, die Schließung selbst stehe nicht mehr zur Diskussion. Offen sei nur noch, wie es mit den Mitarbeitern weitergeht und was die Beleg- und Gewerkschaft noch erkämpfen kann.

Insbesondere gehe es darum, den Kollegen einen geordneten Übergang in eine neue Position zu ermöglichen. Mit anderen Worten: wer zuerst entlassen wird und wem die Kündigung nicht sofort zugemutet werden kann – etwa weil jemand gerade ein Haus gebaut oder gekauft hat. Er selbst blicke der Zukunft gelassen entgegen. „Ich habe das alles schon einmal durch.“

Laut einem internen Dokument, das Epoch Times vorliegt, müssen „ganz viele Dinge erst noch geklärt werden“. Die Geschäftsführung habe jedoch zugesagt, dass alle Ausbildungsverhältnisse ihre Gültigkeit behalten und alle Azubis die Möglichkeit erhalten, ihren Abschluss zu machen. Auf Abfindungen gebe es indes keinen Rechtsanspruch. Im Protokoll wird jedoch auch vor Schnellschüssen gewarnt. Weitere Fragen würden den entsprechenden Abteilungen übergeben.

Die angekündigte Schließung stellt jedoch nicht nur die Mitarbeiter in Mosel auf die Probe. Nach Einschätzung von Betriebsrat Kirsten treffen die vorgebrachten wirtschaftlichen Argumente auch auf die verbleibenden drei deutschen GKN-Standorte zu. „Wenn Mosel erstmal weg ist, ist das nächste Werk dran“, so Kirsten.

„Grenzenlose Solidarität“

Im Juli 2021 erhielten bereits 422 GKN-Mitarbeiter in Campi Bisenzio bei Florenz ihre Kündigung – per E-Mail. „Sofort trafen sie sich vor dem Werk, verscheuchten die Bodyguards der Geschäftsführung und hielten ein Jahr lang eine unbefristete Betriebsversammlung in der Fabrik ab“, berichtet die IG Metall. In der Solidaritätsbotschaft aus Italien heißt es weiter: „Der Investmentfonds Melrose führt seinen Schlachtplan fort: Für den Profit der Aktionäre müssen andere zahlen, und zwar wir.“

Auch die deutschen Kollegen aus Kiel, Trier und Offenbach bangen mehr oder weniger um ihre Zukunft. So heißt es vom Standort in Kiel: „Heute Ihr, Morgen Wir! Solidarische Grüße von 230 GKN Mitarbeiter/innen aus Kiel. Eine sichere Zukunft für alle GKN Beschäftigten!“

„Der britische Finanzinvestor Melrose Industries, der momentan die Mehrheit an GKN hält, betreibt ganz offensichtlich Profitmaximierung zur Steigerung des Aktienkurses und zu Lasten der Beschäftigten und ihrer Familien“, ergänzt Manuel Schmidt, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Offenbach. „Die Schließung des Standortes in Mosel ist noch lange nicht das Ende. Wir befürchten, dass ein weiterer Arbeitsplatzabbau in Offenbach und den anderen Werken bereits in der Planung ist. Dagegen werden wir uns an allen Standorten massiv zur Wehr setzen.“

Auch die Autobauer und -zulieferer aus der Nachbarschaft in Sachsen sind betroffen. Vertrauensleute von VW, dem mit Abstand größten Arbeitgeber der Region, teilten mit: „Diese Entscheidung ist absolut inakzeptabel […] Wir standen in der Vergangenheit zusammen und werden das auch in der Zukunft.“ Raphael Deinhart, Betriebsratsvorsitzender des Zulieferers Mahle Reichenbach, erklärte: „Die Schließungsabsicht ist ein harter Schlag ins Kontor der Region Zwickau, weil über 800 tarifgebundene Arbeitsplätze mit hochqualifizierten Fachkräften gefährdet sind. Menschen dürfen nicht dem Profit geopfert werden.“

Reaktionen aus der Politik

„Die Linke“ hat am 23. Januar einen Eilantrag im Stadtrad Zwickau gestellt, mit der Aufforderung sich „aktiv für den Erhalt des Werkes einzusetzen.“ Das Werk in Mosel sei seit über 40 Jahren „ein wichtiger Bestandteil des Automobilstandorts Zwickau“. Diese Tradition dürfe nicht dem Profit geopfert werden.

Der Eilantrag hat zum Ziel, dass die Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) „unverzüglich Kontakt zur Unternehmensführung aufbaut, den Standpunkt des Rates vermittelt und gemeinsam mit der sächsischen Staatsregierung nach einem Ausweg aus der Krise“ sucht.

Unterstützung kann Arndt dabei aus der Landeshauptstadt Dresden erwarten. Die Entscheidung von GKN sei ein „Rückschlag für das Automobilland“, zitiert der MDR den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Sein Ministerium sei „gesprächsbereit und gewillt, im Schulterschluss mit der IG Metall den Standort und die Arbeitsplätze zu sichern“. „Dass es für die Produkte von GKN einen Absatzmarkt gibt, zeigen die Pläne des Unternehmens, ein Werk in Ungarn aufzubauen“, schließt Dulig.



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