Bundesgerichtshof: VW muss Kunden im Dieselskandal grundsätzlich Schadensersatz zahlen

Für Kunden von VW, die sich nicht auf die Vergleichszahlungen eingelassen haben, fällte der Bundesgerichtshof ein entscheidendes Grundsatzurteil. VW muss zahlen, darf aber die Nutzungsdaten des Fahrzeugs verrechnen.
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Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschied am 25. Mai in einem der VW-Dieselskandal-Verfahren.Foto: Uli Deck/dpa/dpa
Epoch Times25. Mai 2020

Volkswagen muss Käufern manipulierter Dieselautos grundsätzlich Schadensersatz zahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Montag in einem Grundsatzurteil, dass den Kunden bei Rückgabe des Autos ein solcher Anspruch zusteht. Allerdings müssen die gefahrenen Kilometer auf die Entschädigung angerechnet werden. Das Urteil dürfte Signalwirkung für tausende laufende Verfahren im Dieselskandal haben. VW will den Klägern nun Einmalzahlungen anbieten. (Az. VI ZR 252/19)

Im konkreten Fall bestätigte der BGH im Wesentlichen ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, das einem Diesel-Käufer aus Rheinland-Pfalz für die Rückgabe des Wagens fast 26.000 Euro plus Zinsen wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ Schadensersatz zugesprochen hatte. Das Gericht rechnete vom ursprünglichen Kaufpreis die Nutzung des Wagens ab.

VW verliert erneut

Auch das Verfahren in Karlsruhe endete für den Autobauer mit einer Niederlage im Grundsatzstreit um die Frage, ob den Kunden Schadensersatz zusteht. Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters fand dabei deutliche Worte für das Vorgehen des Konzerns: VW habe durch „bewusste und gewollte Täuschung“ die Dieselautos mit der unzulässigen Abschalteinrichtung auf den Markt gebracht. „Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr“, sagte Seiters.

Der Schaden des Kunden entstand dem Urteil zufolge bereits durch den Abschluss des Kaufvertrags. Der Wagen sei „nicht voll brauchbar“ gewesen, sagte Seiters. Für diese Feststellung komme es nicht darauf an, ob der Wagen überhaupt genutzt werden konnte.

Die Käufer müssen sich aber die Nutzung des Wagens anrechnen lassen, sagte der Vorsitzende Richter. Er dürfe durch das Urteil nicht besser gestellt werden. Das bedeutet praktisch, dass Käufer, die lange mit ihrem Wagen gefahren sind, weniger Geld bekommen.

Gerichte werden sich an Grundsatzentscheid orientieren

Dem Urteil kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich die Gerichte in weiteren Verfahren daran orientieren werden. Bislang gab es im Dieselskandal noch kein höchstrichterliches Urteil. Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben.

Vor Gerichten sind nach Angaben von VW noch immer rund 60.000 Klagen anhängig. Der Konzern will den Klägern nach dem Karlsruher Urteil nun Einmalzahlungen anbieten. Dies sei eine „pragmatische und einfache Lösung“, erklärte VW. Die Höhe der Angebote hänge vom Einzelfall ab. Die Autokäufer müssen dabei ihren Wagen nicht zurückgeben.

VW: Urteil hat Schlusspunkt gesetzt

VW bezeichnete die Karlsruher Entscheidung als „Schlusspunkt“. Das Urteil schaffe für einen Großteil der derzeit noch anhängigen Fälle Klarheit. Der Konzern sieht nach eigenen Angaben auch kaum Anlass für weitere Klagen.

Das Unternehmen verwies dazu unter anderem auf die im Rahmen des Musterfeststellungsverfahren bereits mit zehntausenden Kunden geschlossenen Vergleiche. VW und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatten sich Ende Februar auf einen Vergleich für mehr als 250.000 vom Abgasskandal betroffene Dieselfahrer geeinigt. Wer den Vergleich annimmt, bekommt zwischen 1350 und 6250 Euro. Das sind im Schnitt rund 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises.

Pilotverfahren für Klagen gegen andere Hersteller

Nach Ansicht des Konzerns sind weitere Ansprüche verjährt. Die Frage der Verjährung ist allerdings juristisch noch nicht endgültig entschieden. Unklar ist auch noch, wie es mit Käufern aussieht, die nach Bekanntwerden des Skandals einen Wagen gekauft haben.

Der im Karlsruher Pilotverfahren erfolgreiche Kläger zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. „Ich bin sehr froh, es war ein langer Weg“, sagte Herbert Gilbert. Diese Entscheidung helfe ihm, aber auch tausenden anderen Klägern. Die Anrechnung der gefahrenen Kilometer bezeichnete er allerdings als „bittere Pille“.

Sein Anwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei noch 21.000 weitere Kunden vertritt, zeigte sich überzeugt: „Jetzt geht der Dieselskandal erst richtig los.“ Das Urteil werde auch für Klagen gegen andere Autobauer „Signalwirkung“ haben.  (afp/al)

 



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