Commerzbank unter Druck: Neue Führung und Strategie gesucht

Nach dem Rückzug ihrer Konzernspitze muss sich die Commerzbank mitten in der Corona-Krise neu aufstellen.
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Commerzbank.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times7. Juli 2020

Analysten kritisierten vor der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch das überraschende Rücktrittsangebot von Vorstandschef Martin Zielke, sie befürchten ein „Führungsvakuum“. Gleichzeitig lässt die umfassende Sanierung von Deutschlands zweitgrößter Bank weiter auf sich warten.

Zielke hatte dem Aufsichtsrat am vergangenen Freitag angeboten, spätestens bis Ende des Jahres zu gehen. Sein Unterstützer und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann kündigte an, sein Mandat zum 3. August niederzulegen. Über die Personalien will der Aufsichtsrat am Mittwoch beraten. Es wird erwartet, dass lediglich für Schmittmann ein Nachfolger präsentiert wird. Zielkes Rücktritt abzusegnen und am selben Tag Nachfolger für beide Posten zu präsentieren, werde „sehr sportlich“, hieß es am Dienstag aus Konzernkreisen.

Vor allem die Unklarheit bei der Besetzung des Chefsessels kommt für die angeschlagene Bank inmitten ihrer langwierigen Umstrukturierung und der Corona-Krise zum ungünstigen Zeitpunkt. Zielke steht seit Mai 2016 an der Spitze der Bank und versucht seitdem, sie zu modernisieren und die Kosten zu senken.

Spätestens seit der geplatzten Fusion mit der Deutschen Bank und schlechter Ergebnisse zu Beginn der Corona-Krise steht er zunehmend in der Kritik – und zwischen den Fronten: Arbeitnehmervertretern gehen die geplanten Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen zu weit, Investoren nicht weit genug.

US-Finanzinvestor fordert Konsequenzen

Vor allem der US-Finanzinvestor Cerberus, mit gut fünf Prozent zweitgrößter Aktionär der Commerzbank nach dem Staat, attackierte den Vorstand und forderte Konsequenzen. „Obwohl der Bund als größter Anteilseigner mit fast 16 Prozent zwar offiziell sein Bedauern über die Rücktritte äußerte, hat er offensichtlich seinen Einfluss nicht genutzt, um das alte Management weiterhin zu stützen“, erklärten Analysten der Norddeutschen Landesbank.

„So erkennbar die strategischen Fortschritte sind, so unbefriedigend war und ist die finanzielle Performance der Bank“, wurde Zielke in einer Erklärung der Commerzbank am Freitag zitiert. Er trage dafür die Verantwortung und wolle den Weg für einen Neuanfang freimachen.

„Ich bin mir sicher, dass er sich aus Frustration zurückzieht“, sagte Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Universität in Frankfurt am Main. Zielke sei „kein strategischer Visionär“ und habe „sicherlich keinen besonders guten Job gemacht“, sagte Brühl, „aber ihm jetzt alle Probleme der Bank anzulasten, wäre auch unfair“. Zielke habe den Konzern in Schieflage übernommen und sei mit seinem Vorstand bei der Modernisierung schlicht an Grenzen gestoßen.

Allerdings komme Zielkes Rückzug ungeordnet und bringe die Bank „in eine noch schwierigere Lage“, kritisierte der Experte. „Ich kann nicht einfach gehen, wenn mir Gegenwind ins Gesicht bläst.“ Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sieht momentan keinen Kandidaten, der den „Scherbenhaufen“ Commerzbank neu zusammensetzen könne.

Restrukturierungsplan für Sommer vorgesehen

Dennoch: Der Konzern steht unter Druck, die Nachfolge möglichst schnell zu regeln – zumal davon auch der ursprünglich für diesen Sommer angekündigte, überarbeitete Restrukturierungsplan abhängt. Dass der noch in diesem Jahr kommt, bezweifeln nicht nur die Analysten.

Auch Verdi-Gewerkschaftssekretär und Commerzbank-Aufsichtsratsmitglied Stefan Wittmann sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), eine neue Führung müsse zunächst die Strategie überarbeiten. Verhandlungen über Stellenstreichungen könnten wohl erst im Januar 2021 beginnen.

Im Rahmen ihres „Commerzbank 5.0“ getauften Restrukturierungsvorhabens hatte die Bank im vergangenen Herbst angekündigt, ihr Filialnetz von etwa 1000 auf 800 Filialen auszudünnen und unter dem Strich 2300 Stellen zu streichen – der Plan gilt inzwischen aber als überholt. „Man muss die Bank neu erfinden – radikal“, sagte Brühl. „Vor diesem Problem wird auch Zielkes Nachfolger stehen.“ (afp/sua)



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