Corona-Häufungen in Schlachtbetrieben

In drei Schlachthöfen in NRW und Schleswig-Holstein gibt es hohe Zahlen von Corona-Infizierten. Arbeitsminister Heil hat seine Länderkollegen schon ermahnt. Unterdessen geht die Debatte über die Obergrenze von Infektionen weiter.
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Mitarbeiter eines Schlachthofes bei seiner Arbeit.Foto: iStock
Epoch Times9. Mai 2020

Nach dem Ausbruch des Coronavirus in Fleischfabriken haben die beiden betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Corona-Tests in allen Schlachthöfen veranlasst.

In Nordrhein-Westfalen sollen auch die Sammelunterkünfte in der Fleischbranche sowie von Erntehelfern auf Hygienemaßnahmen überprüft werden.

„Ich glaube, dass das, was wir jetzt machen, sehr dafür sorgen wird, dass die Branche für Hygienepläne stärker sensibilisiert wird, da wo sie es nicht ist“, hatte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zu Sammelunterkünften in der Fleischindustrie erklärt. Es gebe die Befürchtung, „dass die Strukturen, die insbesondere im Bereich der Unterbringung von Werkvertrag-Arbeitnehmern teilweise vorherrschen, nicht den Hygienebedingungen einer Pandemieentwicklung entsprechen könnten“.

Vorübergehende Schließung von Fleischfabrik

151 von 1200 Mitarbeitern der Firma Westfleisch in Coesfeld hatten sich zuletzt angesteckt. Der Betrieb wurde vorübergehend geschlossen. In einem Schwesterbetrieb in Oer-Erkenschwick im Kreis Recklinghausen gibt es nach Angaben der Landesregierung zudem 33 Infizierungen bei insgesamt 1250 Mitarbeitern. Auch in Schleswig-Holstein ist ein Schlachthof in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) betroffen. Dort wurden 109 Beschäftigte positiv getestet. Ein Großteil der Ausländer, die dort arbeiten, sind auf dem Gelände einer Kaserne im Kreis Steinburg in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht.

Die massive Häufung kommt kurz nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Mittwoch festgelegt hatten, dass wegen der regional unterschiedlich hohen Infektionszahlen wieder stärker vor Ort über Maßnahmen entschieden werden soll. Die Länder sollen sicherstellen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen wieder ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetzt wird.

Ein Teil der für kommenden Montag vorgesehenen Lockerungen bei den Schutzmaßnahmen wurde im Kreis Coesfeld um eine Woche verschoben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete dies in der „Rheinischen Post“ als beispielhaft. „Wenn wir den Weg in den neuen Alltag mit weniger bundesweiten Einschränkungen gehen wollen, dann muss bei Ausbrüchen vor Ort zügig und konsequent gehandelt werden“, sagte er.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte seine Länderkollegen laut einem Medienbericht wegen mehrerer Corona-Ausbrüche auf, den Arbeitsschutz für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft und in der Fleischindustrie streng zu kontrollieren. „Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Situation in Sammelunterkünften und beim Personentransport zu legen“, heißt es darin laut NDR und WDR.

Hofreiter kritisiert Missstände

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat ein rasches Einschreiten der Politik gefordert, um eine weitere Verbreitung des aus China stammenden SARS-CoV-2 unter Mitarbeitern von Schlachthöfen zu stoppen. „Die Betriebe müssen häufiger und besser kontrolliert und die Hauptverantwortlichen der Konzerne konsequenter zur Rechenschaft gezogen werden können“, sagte Hofreiter am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Mit dem „ausbeuterischen Geschäftsmodell“ in der Schlachtbranche, das den Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter völlig vernachlässige, müsse nun „Schluss sein“.

Das massenhafte Auftreten von Corona-Infektionen unter Schlachthofmitarbeitern in Nordrhein-Westfalen führe nun die Missstände in der Branche vor Augen, sagte Hofreiter zu AFP. „Corona offenbart die unhaltbaren Zustände in einigen Schlachthöfen“, sagte er. „Schon vor der Krise war bekannt, wie mies die Hygiene in vielen Betrieben ist. Das liegt auch an den extrem schlechten Arbeitsbedingungen – von mangelhafter Ausrüstung bis ausbeuterischen Arbeitszeiten.“

Ein „zentrales Problem“ sei die Unterbringung in „überbelegten, miserablen Unterkünften“, für die die Arbeiter oftmals auch noch viel Geld zahlen müssten, sagte Hofreiter. Hier müssten Politik und Behörden aktiv werden. Die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ müsse besser ausgestattet werden. „Und die Arbeitskräfte, die aus dem Ausland kommen, benötigen Informationen und Beratung in Bezug auf ihre Rechte auf dem Arbeitsmarkt. Denn nur wer seine Rechte kennt, hat die Möglichkeit, sich auch zu schützen.“

„Profit auf Kosten der Gesundheit darf unsere Gesellschaft nicht länger hinnehmen“, sagte der Grünen-Fraktionschef. „Es ist seit Jahren bekannt, dass in der Schlachtbranche Ausbeutung an der Tagesordnung ist und die Bosse der Schlachtkonzerne sich oft über Subunternehmensgeflechte aus der Verantwortung stehlen.“

SPD-Politikerin bringt Gesetzesverschärfung zu Schlachthof-Kontrolle ins Gespräch

Angesichts der zahlreichen Corona-Infektionen unter Schlachthaus-Mitarbeitern erwägen Fachpolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion eine Verschärfung der Arbeitsschutzgesetze. „Wir haben 2017 zusätzliche gesetzliche Standards für die Fleischwirtschaft definiert – wenn das nicht reicht, müssen wir auch gesetzlich nochmal ran“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Es liege auf der Hand, „dass die Wohnverhältnisse der Beschäftigten und das Infektionsgeschehen zusammenhängen“.

Im Jahr 2017 hatte der Bundestag das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ verabschiedet. Es sieht unter anderem vor, dass der Arbeitgeber die Zahlung von Sozialbeiträgen für die oft aus dem Ausland stammenden Mitarbeiter gewährleisten muss und ihnen Arbeitsmittel, Schutzkleidung und persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen muss.

Das Geschäftsmodell der Schlachtbranche beruhe auf „Fremdarbeitern, die in Sammelunterkünften wohnen“, sagte SPD-Politikerin Mast. Auch hier seien die Arbeitgeber für den Schutz der Mitarbeiter verantwortlich. „Da kann man sich nicht für unzuständig erklären“, sagte sie. Notfalls müsse gesetzlich nachgeschärft werden.

Wöchentliche Corona-Obergrenze

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will die Lockerungen der Corona-Beschränkungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 50 Infizierten auf 100.000 Einwohner wöchentlich festgelegt hatte, in seinem Bundesland notfalls früher zurückdrehen, als es die Einigung zwischen Bund und Ländern vorsieht. „Wir werden da wesentlich vorsichtiger herangehen, als es der Bund verabredet hat“, sagte Haseloff dem „Tagesspiegel“.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigte trotz des Anstiegs der Infiziertenzahl im Landkreis Coesfeld über die neu vereinbarte Höchstgrenze hinaus die zuletzt beschlossene Lockerung der Corona-Auflagen. „Hier können wir jetzt zielgerichtet und konsequent vorgehen, ohne das ganze Land in Haftung zu nehmen“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“: „Es war richtig, einen Strategiewechsel hin zu ortsnahen und regionalen Entscheidungen vorzunehmen.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat in der Corona-Pandemie einen „mittelfristigen Zeitplan“ gefordert. „Immer nur auf Sicht zu fahren, stößt auf immer weniger Verständnis“, sagte Weil in einem Interview mit dem „Spiegel“. „Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Wie geht es weiter?“ Weil sagte, die Vereinbarungen der Bund-Länder-Runden hätten „immer öfter nicht lange gehalten“. „Aber aus Erfahrung wird man klüger“. Er habe daraus den Schluss gezogen, sich nicht von diesen Runden abhängig machen zu können. (dpa/dts/afp/sua)



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