Händler über die Bonpflicht: „Sinnlose Zettelwirtschaft“ – Oder eine Quittung aufs Handy für ein Bier am Kiosk?

Händler müssen seit Beginn des Jahres auch beim Kauf von Brötchen, Bratwurst oder einer Kugel Eis einen Kassenbon ausgeben. Und wie läuft's?
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Ein Mitarbeiter der Bäckerei Möbius in Dresden zeigt die gesammelten Kassenzettel.Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times7. Januar 2020

In einer langen Papierschlange ringeln sich die Bons an der Kasse in einer Dresdner Filiale der Bäckerei Möbius. Kaum ein Kunde möchte den Zahlungsbeleg für Brötchen, Kuchen oder Gebäck mitnehmen.

Verkäufer Klaus Barche sammelt die Bons in einer durchsichtigen Box und ärgert sich über die „sinnlose Zettelwirtschaft“. Wo früher eine Papierrolle in der Kasse drei bis fünf Tage reichte, wird jetzt mindestens eine pro Tag bedruckt. „Es nervt uns, es nervt die Kunden“, so Barche. Seit dem 1. Januar müssen Händler ihren Kunden einen Bon aushändigen – eine Maßnahme gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch. Einige wenige haben Verständnis, doch der Frust überwiegt.

„Ich halte das für Quatsch“, sagt eine junge Dresdnerin in der Warteschlange der Bäckerei. „Ich werde doch mein Brötchen ohnehin nicht reklamieren.“ Zudem falle vermeidbarer Müll an. An der Kasse ist die Belegpflicht immer wieder Thema, wenn Barche seine Kunden fragt, ob sie ihren Bon mitnehmen möchten. Zwei Bauarbeiter, die sich Suppe zum Mittagessen holen, schütteln die Köpfe. „Typisch Deutschland“, lautet ihr Kommentar.

„Schwachsinn“ und „Papierverschwendung“

Dem kann auch der Inhaber von „Schawarma City“, einem Döner-Imbiss in der Düsseldorfer Innenstadt, beipflichten. „Wenn, dann sind es die deutschen Kunden, die Bons wollen“, sagt er. „Die arabischen nie.“ Wegen des neuen Gesetzes musste sich der Imbiss-Besitzer eine neue, elektronische Kasse kaufen. Bei den benachbarten Kiosks sind auch keine guten Worte über die Bonpflicht zu hören: „Schwachsinn“ und „Papierverschwendung“ – da ist man sich einig.

Dabei sollte die Regelung den Steuerzahler eigentlich freuen: Die sogenannte Belegausgabepflicht ist eine von mehreren 2016 beschlossenen Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber Steuerbetrug einen Riegel vorschieben will.

Die Belegpflicht für alle Händler mit elektronischen Kassensystemen soll gegen Steuerbetrug helfen, etwa weil das Kassensystem und die Bons miteinander abgeglichen werden könnten. Betrug mit manipulierten Kassen führe jedes Jahr zu Steuerausfällen in zweistelliger Milliardenhöhe, betont der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. Für Händler, die noch keine passende Kasse besitzen, gilt eine Übergangsphase bis September.

Kaum kein Kunde nimmt seinen Beleg mit

Claudia Reichenbächer aus der gleichnamigen Dresdner Fleischerei kann die Aufregung nicht verstehen. „Wir haben eine elektronische Kasse und drucken den Bon ohnehin immer aus“, sagt Reichenbächer. Allerdings nimmt kaum ein Kunde für seine Würstchen oder das Schnitzel den Beleg mit. „Die schmeißen wir alle weg.“ Auch in einer Düsseldorfer Apotheke sind die Mülleimer voller weißer Zettel, genau wie an wohl etlichen anderen Orten, wie unter anderem Fotos zeigen, die zuhauf in sozialen Netzwerken geteilt werden.

Die Bonpflicht ist umstritten – aus Kostengründen, wegen eines Mehraufwands an Bürokratie und des erhöhten Müllaufkommens. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte noch kurz vor Inkrafttreten Ausnahmen erreichen, die FDP fordert, der Bundestag möge das Gesetz ändern und „diesen Quatsch jetzt schnellstmöglich beenden“, wie Vize-Fraktionschef Christian Dürr sagt.

Doch das zuständige Finanzministerium hatte alle Forderungen abgeblockt, die Maßnahme sorge für mehr Steuergerechtigkeit. Die Behörde weist auf eine lange Vorlaufzeit hin und betont, dass die Quittung auch per Mail auf das Handy ausgegeben werden kann. Die SPD sieht dabei den Einzelhandel am Zug: „Die Wirtschaft ist gefragt, hierzu praxistaugliche Lösungen zu entwickeln“, sagte Finanzpolitiker Binding der Deutschen Presse-Agentur. So gebe es bereits Apps, die Belege digital übertragen könnten.

Quittung aufs Handy – für ein Bier am Kiosk?

Dass die Papierflut nicht so recht in die heutige Zeit passen will, findet auch die Düsseldorfer Kiosk-Angestellte Sonay Sertel. „Für alles gibt es heute Apps – und dann auf einmal wieder so viel Papier.“ Beim Bierkauf im Kiosk um die Ecke scheint die Quittung aufs Handy jedoch noch abwegiger als der Bon auf Papier.

Auf einem Mittelalter-Weihnachtsmarkt in Dresden, der auch noch in den ersten Januar-Tagen seine Türen öffnet, wird die Bonausgabe bislang nicht praktiziert. Geschäftsführer Henri Bibow betont zwar, nichts gegen die Vorschrift zu haben. Aber es sei gerade an Mittelalterständen schwierig, die neumodischen Kassen so zu kaschieren, dass sie das Bild nicht stören.

Ein Markthändler, der dort mehrere Stände betreibt, hält die Bonpflicht sogar für ein „Ding der Unmöglichkeit“. Bis zu 18.000 Besucher besuchten den Markt. „Für einen Glühwein einen Bon auszuhändigen, ist unmöglich. Da brauchen wir eine Ausnahmegenehmigung.“

Ob mit Genehmigung oder ohne: Der ein oder andere Händler, der es mit der Bonpflicht nicht so genau nimmt, wird womöglich gar nicht so schnell auffallen. „Es ist nicht vorgesehen, dass Finanzbeamte jetzt losziehen und im Außendienst Einzelhändler kontrollieren“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, kürzlich dem „Westfalen-Blatt“.

Auch Bußgelder seien nicht geplant. Was kann also überhaupt passieren, wenn man als Händler doch erwischt wird? Dass das Finanzamt den Umsatz ein paar Euro höher schätzt – und bei der Steuererklärung etwas genauer hinschaut. (dpa)



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