Pleite von Thomas Cook: Reißt sich China die Insolvenzmasse unter den Nagel?

Dass der chinesische Mischkonzern Fosun vor einem Monat die Beteiligung an einer Rettungsaktion für den angeschlagenen Reiseanbieter Thomas Cook in Aussicht gestellt hatte, galt als möglicher Hinweis auf eine strategische Investition. Nun ist der Reiseveranstalter bankrott und was mit den Überresten geschieht, ist ungewiss. BBC hält Fosun für den logischen Käufer. Es gibt aber einen Haken.
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Wird der Reisekonzern "Thomas Cook" nun von China übernommen?Ein Bild vom Son Sant Joan Airport in Palma de Mallorca.Foto: JAIME REINA/AFP/Getty Images
Von 23. September 2019

Die jähe Pleite der 2007 in der derzeitigen Form gegründeten Thomas Cook Group plc, deren Wurzeln als Reiseveranstalter jedoch bereits ins Jahr 1841 zurückreichen, hat Kunden in aller Welt in Unruhe versetzt. Da Thomas Cook nach der Weigerung der britischen Regierung, das Unternehmen mit einer Finanzspritze von 250 Millionen Pfund (1 Britisches Pfund = 1,13 Euro) zu retten, am Montag (23.9.) unverzüglich Insolvenz anmeldete und den Flugbetrieb einstellte, sind nicht nur 22 000 Arbeitsplätze weltweit bedroht. Zudem warten mehrere hunderttausend Besitzer von Flugtickets an ihren Urlaubsorten auf ihre Heimreise.

Mittlerweile sind der BBC zufolge die ersten von 155 000 britischen Touristen, die von der Thomas-Cook-Pleite betroffen sind, auf dem Weg nach Hause. In Großbritannien koordiniert die Behörde für zivilen Luftverkehr (CAA) die Rückholung der Betroffenen.

Im Zuge der sogenannten „Operation Matterhorn“ hat man 45 Jets gechartert, um über 64 Routen die Kunden wieder nach Hause zu bringen – unter anderem aus der Türkei oder aus Mittelamerika. Man greift dabei auf die Dienste von Gesellschaften wie EasyJet oder Virgin zurück, die dazu ihre Maschinen zum Teil von fernen Zielen wie Malaysia mobilisiere müssen. Insgesamt seien mehr als 450 000 Kunden weltweit betroffen.

Großbritanniens Transportminister: „Bailout hätte Pleite nur verschoben“

Transportminister Grant Shapps geht von Gesamtkosten in Höhe von 100 Millionen Pfund für die Rückholung aller britischen Touristen aus dem Thomas-Cook-Kundenbestand aus. Auch deshalb verteidigte er seine Entscheidung, dem Unternehmen keinen Bailout zu gewähren:

Ich befürchte, es hätte sie über eine kleine Zeitspanne hinweg auf dem Markt gehalten und dann wären wir wieder vor der Aufgabe gestanden, Menschen aus aller Welt zurückzuholen.“

Die hohen Schulden des Unternehmens und der Ansatz, auf einem von harter Konkurrenz durch Billig-Airlines bedrängten Markt das Kundensegment der Durchschnittsverdiener bedienen zu wollen, hätten nicht den Eindruck erweckt, das Unternehmen hätte Zukunft. CEO Peter Fankhauser drückte sein „tiefes Bedauern“ über die Entwicklung aus. In Deutschland wollen sich unter anderem Versicherungsunternehmen an der Heimholung betroffener Kunden beteiligen.

In einer Analyse für BBC schreibt Dominic O’Connell, dass sich das Aus für Thomas Cook schon seit einiger Zeit angedeutet habe. Erst 2011 hatte das schwer verschuldete Unternehmen keine Kredite mehr von Geschäftsbanken wie der Royal Bank of Scotland – die damals selbst erst gerade einen Bailout hinter sich hatte – eingeräumt bekommen. Eine interne Kraftanstrengung durch die Anteilseigner konnte damals den Weiterbetrieb sichern.

Hitze, Unruhen, Brexit

Auf Dauer jedoch besiegelten finanzielle, soziale und sogar meteorologische Faktoren das Schicksal des Reiseveranstalters. Von der Hitzewelle im Sommer 2018, die den Mehrwert von Fernreisen für Sonnenhungrige verminderte, über politische Unruhen bis hin zu Urlaubern, die sich über Online-Portale in Eigenregie ihren Urlaub organisierten, belasteten zahlreiche ungünstige Umstände das Geschäft. Sogar die Unsicherheit über den Brexit soll Urlauber dazu gebracht haben, Fernreisen zu verschieben.

Vor allem aber war der Reiseveranstalter der Billigkonkurrenz nicht gewachsen und hatte zuletzt mit negativen Prognosen wie jener der Citibank zu kämpfen, deren Analysten Anfang des Jahres die Aktie von Thomas Cook als „wertlos“ einstuften. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war kaum jemand auf den Märkten noch bereit, Geld in die Rettung von Thomas Cook zu stecken.

Einen überraschenden Vorstoß unternahm hingegen der chinesische Mischkonzern Fosun, der, wie die „Tagesschau“ Ende August berichtet hatte, nicht weniger als 450 Millionen Pfund in ein Rettungspaket investieren wollte, das – zusammen mit Mitteln von Banken und bestehenden Gläubigern in gleicher Höhe – dem Reiseveranstalter über den Winter helfen sollte. Gleichzeitig sollte ein Reorganisationskonzept ausgearbeitet werden, das mit einer Aufspaltung der Gruppe enden würde. Fosun wollte in diesem Zusammenhang drei Viertel des Reisegeschäfts und ein Viertel der Airline-Gruppe übernehmen. Notfalls hätte man das Unternehmen auch von der Börse genommen.

An dem Touristikkonzern mit der deutschen Marke Neckermann, so die „Tagesschau“ weiter, soll Fosun demnach die Mehrheit übernehmen, an den Airlines mit dem deutschen Ferienflieger Condor lediglich 25 Prozent. So blieben die europäischen Flugrechte erhalten und die wichtigsten Banken und Anleihegläubiger, die die Schulden in Eigenkapital umwandeln, hätten in der Sparte das Sagen.

Lufthansa winkt ab

Das Ende der Geschäftstätigkeit macht dieses Konzept nun hinfällig. Auch die Lufthansa hat kein Interesse an einer Übernahme des insolventen britischen Reisekonzerns. „Es gibt keine Pläne der Lufthansa, in das Reiseveranstalter-Geschäft einzusteigen und daher gibt es auch kein Interesse an Thomas Cook“, teilte der Konzern auf Anfrage der „Welt“ (Dienstagsausgabe) mit. Die Frage, ob die Lufthansa womöglich bei der deutschen Thomas-Cook-Tochter Condor einsteigen könnte, ließ das Unternehmen offen.

Noch im Mai hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf der Hauptversammlung des Luftfahrtkonzerns Interesse an dem Ferienflieger bekundet. Dem britischen Eigentümer sei ein unverbindliches Angebot gemacht worden, hieß es. Dieses Angebot könnte auf die kompletten Airlines der Thomas-Cook-Gruppe erweitert werden, so die damalige Botschaft.

Nach dem Einstieg der chinesischen Fosun-Gruppe als Großaktionär bei Thomas Cook im Sommer waren die Condor-Verkaufspläne jedoch offiziell auf Eis gelegt worden.

In der Branche wird laut Informationen der „Welt“ allerdings darauf hingewiesen, dass mit der Thomas-Cook-Pleite für Condor nun voraussichtlich die „Hauptquelle“ für die Auslastung der Flugzeuge wegfällt. Damit sei das Condor-Geschäftsmodell im Kern bedroht und ein Einstieg einer großen Airline, wie etwa der Lufthansa, nicht mehr so attraktiv. Condor teilte am Montag zwar mit, dass der Flugbetrieb trotz der Pleite der Muttergesellschaft weiterläuft. Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, dürfe man aus rechtlichen Gründen allerdings nicht transportieren, so Condor. Es seien bereits Vorsorgemaßnahmen getroffen worden, hieß es weiter.

„Um Liquiditätsengpässe bei Condor zu verhindern, wurde ein staatlich verbürgter Überbrückungskredit beantragt“, teilte das Unternehmen mit. Dieser werde derzeit von der Bundesregierung geprüft. Über die Höhe des Kredits machte der Ferienflieger keine Angaben. Condor verwies darauf, als „Deutschlands beliebtester Ferienflieger“ seit vielen Jahren profitabel zu arbeiten. Jährlich würden über acht Millionen Gäste zu weltweit mehr als 100 Zielen geflogen.

Ist die Marke jetzt verbrannt?

BBC hält Fosun für einen logischen Aufkäufer. Dass mit dem Erwerb eines der größten und bekanntesten Ferienflieger das Regime in Peking über einen Mischkonzern, dessen Chef Guo Guangchang weiß, dass der „Große Bruder“ permanent über ihn wacht, auch auf diesem strategischen Segment des europäischen Marktes einen Fuß in die Türe bekommt – und das nach der Pleite offenbar zu noch preiswerteren Bedingungen als gedacht – wäre tatsächlich ein möglicher Anreiz, sich aus der Insolvenzmasse zu bedienen.

Der Multimilliardär Guo Guangchang war 2015 kurzzeitig ins Visier der „Anti-Korruptions-Kampagne“ von Präsident Xi Jinping geraten und von der Polizei festgenommen worden. Wenig später tauchte er allerdings wieder im Vorstand auf.

Es ist davon auszugehen, dass es eine informelle Vereinbarung zwischen dem Magnaten und dem Regime gegeben hat, das diesem nun weiterhin freie Hand im wirtschaftlichen Gebaren sichert, sich aber dafür Unterstützung bei der Verfolgung strategischer Ziele ausbedungen hat.

Allerdings sieht BBC ein mögliches Problem bei der Übernahme. Fosun sei zwar der größte Aktionär von Thomas Cook, aber wie auch andere potenzielle Käufer könnte das Chaos rund um die Pleite des Reiseveranstalters am Wochenende der Marke so stark geschadet haben, dass auch die Chinesen von einer Übernahme Abstand nehmen könnten.
(Mit Material von dts)



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