Weltweites Kontrollgremium: Hat Muslimbruderschaft künftig das letzte Wort bei Facebook-Löschungen?

Künftig soll ein unabhängiges Kontrollgremium aus 40 Personen in sensiblen Fällen darüber entscheiden, ob bestimmte Inhalte auf Facebook und Instagram bleiben dürfen oder nicht. 20 Mitglieder stehen schon fest – eines davon soll der Muslimbruderschaft nahestehen.
Von 11. Mai 2020

Am vergangenen Mittwoch stellte der Social-Media-Riese Facebook die ersten 20 Mitglieder seines 20-köpfigen Monitoring-Gremiums vor, dessen Aufgabe es sein soll, den Moderationsprozess für Inhalte zu kontrollieren. Insgesamt sollen 40 Personen dafür ausgewählt werden. Dass eine von ihnen die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman ist, hat gemischte Reaktionen ausgelöst – vor allem, weil ihr eine Nähe zur radikal-islamischen Muslimbruderschaft nachgesagt wird.

Facebook will Entscheidungen des Gremiums akzeptieren

Die Stelle soll als eine Art endgültige Berufungsinstanz entscheiden, wenn Beschwerden gegen die Entfernung von Inhalten auf Facebook und Instagram durch bestehende Löschteams erhoben werden und der Beschwerdezug innerhalb von Facebook ausgeschöpft ist.

Das Board soll diese Entscheidungen notfalls aufheben können. Das Gremium ist organisatorisch von Facebook unabhängig, wird durch einen zweckgebundenen Fonds finanziert, der mit 130 Millionen US-Dollar aus Spendenmittel von Facebook ausgestattet ist, und seine Mitglieder sind auf drei Amtsperioden beschränkt.

Die Mitglieder der Kontrollstelle sind von Facebook nicht absetzbar, heißt es aus deren Reihen. In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ heißt es zudem, Facebook habe sich in den Gründungsstatuten verpflichtet, die Entscheidungen des Boards zu akzeptieren – sofern diese Gesetze nicht verletzten. CEO Mark Zuckerberg habe sich persönlich zu diesem Arrangement bekannt.

Als die vier Kernmitglieder des Boards hat Facebook die frühere dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, den Stanford-Rechtswissenschaftler Michael McConnell, Jamal Greene von der Columbia Law School und Catalina Botero-Marino, Dekanin der juristischen Fakultät der Anden-Universität, benannt. Diese haben die übrigen der bisherigen 16 Mitglieder des Gremiums bestellt.

Kampf für Frieden und Frauenrechte – unter dem Banner der Scharia?

Wie die „Jerusalem Post“ berichtet, handelt es sich bei einem der bis dato bestellten Mitglieder um die 41-jährige Tawakkol Karman. Sie hatte 2011 als wichtige Persönlichkeit des Arabischen Frühlings in ihrem Heimatland Jemen zusammen mit zwei Aktivistinnen aus Liberia den Friedensnobelpreis bekommen – als Symbolfigur für gewaltfreien Kampf für Sicherheit und Frauenrechte im Rahmen friedensstiftender Maßnahmen.

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen zur Bestellung der Nobelpreisträgerin. So hat das Nahost-Infoportal MEMRI Material publiziert, das den Eindruck einer ausgeprägten politischen Verbundenheit mit der Muslimbruderschaft (MB) nahelegt. Die Muslimbruderschaft ist unter anderem in Ägypten, Saudi-Arabien, der Russischen Föderation und Bahrain als terroristische Vereinigung eingestuft.

Die seit 1928 bestehende, international organisierte Vereinigung hat nach eigenen Angaben den Aufbau eines Staatswesens zum Ziel, das nach den Gesetzen der Scharia funktioniert. Die Muslimbruderschaft soll zudem terroristische Gruppen wie die Hamas zu ihrem Netzwerk zählen.

Die Muslimbruderschaft selbst hatte 2011 die Preisverleihung an Karman zum Anlass für eine Gratulation seitens des jemenitischen Fraktionschefs der „Reformkongregation“ (YCR) genommen, der auf der Seite der Bewegung, Ikhanweb, seine Parteifreundin und „politische Aktivistin“ beglückwünschte. Die YCR ist der jemenitische Ableger der MB.

„Ja, ich bin gerade parteiisch zugunsten der Muslimbruderschaft“

Karman hatte sich auch selbst mehrfach in Interviews mit der Bruderschaft solidarisiert. Im September 2013 würdigte sie auf BBC Arabic TV die ägyptischen Muslimbrüder, die sich gegen den Militärputsch vom Juli jenes Jahres auflehnten, als „Teilnehmer eines legendären Kampfes, den diese mit ihrem Blut, ihrer resoluten Standfestigkeit und dem Glauben führen, die Revolution wieder auf den richtigen Pfad zu führen“.

Auf Rückfrage des Interviewers, ob sie die MB unterstütze, erklärte sie:

Sie können es von mir selbst hören: Ja, zu diesem Zeitpunkt bin ich parteiisch zugunsten der Muslimbruderschaft.“

Das Facebook-Kontrollboard will sich „um die größten Herausforderungen auf Facebook kümmern, unter anderem in Bereichen wie der Hassrede, der Belästigung und des Schutzes der Sicherheit und Privatsphäre der Nutzer“. Es wird „letztgültige und bindende Entscheidungen treffen, ob ein bestimmter Inhalt auf Facebook und Instagram erlaubt sein oder entfernt werden soll“.

Facebook sieht Multiperspektivität als Erfolgsrezept

In einem Statement von Facebook heißt es, dass die Mitglieder des Gremiums ein „breites Feld an Ansichten und Erfahrungen verkörpern“. Sie hätten in mehr als 27 Ländern gelebt, sprächen zusammen mindestens 29 Sprachen und würden völlig unabhängig Entscheidungen treffen – auch solche, mit denen Facebook möglicherweise nicht einverstanden sein werde.

„Wir rechnen auch damit, dass die Zusammensetzung des Gremiums selbst Kritik hervorrufen wird“, erklärt der Social-Media-Konzern, „aber sein langfristiger Erfolg wird davon abhängen, dass die Mitglieder unterschiedliche Perspektiven und Expertisen einbringen.“




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