Zahl der tödlichen Unfälle steigen: Berufsgenossenschaft dringt auf Arbeitsschutz auf dem Bau

In Deutschland wird noch immer viel gebaut. Bei Stress auf den Baustellen dürfe der Arbeitsschutz aber nicht zu kurz kommen, mahnt ein Präventionsexperte. Manchmal gehen Arbeiter auch aus Bequemlichkeit große Risiken ein.
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Ein Bauarbeiterhelm liegt an einer Baustelle in Magdeburg.Foto: Jens Wolf/Symbol/dpa
Epoch Times7. April 2018

Angesichts des Baubooms in Deutschland pocht die Berufsgenossenschaft auf ausreichenden Schutz für Arbeiter auf den Baustellen.

„Es ist ganz klar: Es wird im Moment sehr viel gebaut. Auch die Bauzeiten haben sich immer weiter verkürzt“, sagte der Leiter der Präventionsabteilung der BG Bau, Bernhard Arenz. Durch Zeit- und Kostendruck entstünden Situationen, die dem Arbeitsschutz nicht immer zuträglich seien.

In der Bau- und Reinigungsbranche sind Arbeitsunfälle seit längerem rückläufig. Nach vorläufigen Zahlen wurden 2017 etwa 103 200 meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert – 2010 seien es noch 118 000 gewesen. Die Zahl der tödlichen Unfälle nahm dagegen zu: 88 Menschen starben bei Arbeitsunfällen, 11 mehr als ein Jahr zuvor.

„Das ist natürlich nicht akzeptabel und es sind Zahlen, die wir ganz klar reduzieren müssen“, sagte Arenz der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl schwanke immer mal. Es müsse aber schon in der Planung eines Bauprojekts ausreichend an Sicherheit gedacht werden. „Die Bauherren haben eine gesetzliche Verpflichtung dazu über die Baustellenverordnung.“ Gerade bei großen öffentlichen Auftraggebern werde das aber in der Planungsphase mitunter vernachlässigt.

Arbeitgeber und zuständige Ärzte müssen Arbeitsunfälle spätestens dann der Berufsgenossenschaft melden, wenn Beschäftigte wegen einer Verletzung mindestens drei Tage nicht arbeiten können. Unfälle von Selbstständigen, die selbst Mitarbeiter haben, tauchen oft nicht in der Statistik auf, weil sie nicht in der Berufsgenossenschaft sein müssen. Sie können sich freiwillig versichern. Bei Beschäftigten zahlt dagegen das Unternehmen Beiträge zur Unfallversicherung.

Der Gewerkschafter Hivzi Kalayci von der IG BAU ist regelmäßig auf Baustellen in Berlin unterwegs und meint: „Es wird unter sehr großem Zeitdruck gearbeitet.“ Aus seiner Sicht könnte das Unfallrisiko leicht gesenkt werden. Auf jeder Baustelle sei eine Gefahrenanalyse vorgeschrieben. Das werde gemacht, aber oft nicht gut an die Arbeiter weitergegeben. „Auf 80 Prozent der Baustellen, die ich besuche, haben die Beschäftigten keine Einweisung erhalten.“

Weil Fachkräfte fehlten, würde oft auf Quereinsteiger und Arbeiter aus Bulgarien oder Rumänien zurückgegriffen. Diese seien nicht immer gut vorbereitet in Sachen Arbeitsschutz, sagte Kalayci. Hinzu komme die Sprachbarriere. Der Gewerkschaftssekretär sieht aber nicht alleine die Unternehmen in der Pflicht. Manche Beschäftigte gingen auch von selbst vermeidbare Risiken ein. „Es ist eine Mischung aus Leichtsinn, Stress, Fachkräftemangel und Preisdruck.“

Die Bauwirtschaft entgegnet, in Betrieben spielten Arbeitsschutz und Gefährdungsanalyse eine immer größere Rolle. In der Berufsgenossenschaft gebe es auch ein Malus-System, teilte der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes mit. Der Beitrag zur Unfallversicherung könne sich um bis zu 30 Prozent erhöhen, wenn überdurchschnittlich viele Unfälle passierten. Auch der Städtetag betont, bei der Planung städtischer Projekte werde Prävention berücksichtigt. Die Städte seien Auftraggeber vieler Bauprojekte und hätten ein großes Interesse, Unfälle zu vermeiden.

In der Hälfte der tödlichen Unfälle stürzten Arbeiter laut BG Bau ab, etwa vom Gerüst. Auch bei der Arbeit mit Maschinen oder beim Transport von Materialien passieren immer wieder Unglücke. Aus Sicht von Präventionsleiter Arenz muss oft umsichtiger geplant werden. Es komme oft vor, dass etwa nicht daran gedacht werde, für Fassaden- oder Dacharbeiten Gerüste oder Hubarbeitsbühnen zu bestellen. Stattdessen werde mit Leitern gearbeitet, was unsicher sei.

Laut Arenz schätzen Arbeiter teils Gefahren bei kurzen Tätigkeiten falsch ein. Ein Beispiel seien schnelle Arbeiten am Dach. Aus Sicht mancher lohne es da nicht, ein Fanggerüst zu montieren, stattdessen arbeite man auf Steildächern ohne Absturzsicherung. Wenn es dann regne, rutsche jemand schnell ab. „Da fragen wir uns im Nachgang auch immer wieder: Wie konnte der Betroffene ein solches Risiko eingehen?“

Auch im Fernsehen sehe man immer wieder Handwerker, die nicht gut gesichert seien. Auch die Gesellschaft nehme diese Risiken nur unzureichend wahr. „Wenn jemand mit 80 Stundenkilometern an einer Kindertagesstätte vorbeifährt, dann sieht jeder sofort, dass das nicht akzeptabel ist. Aber wenn Menschen in zehn Metern Höhe ohne Sicherung arbeiten, dann gehen viele dran vorbei und nehmen es als Selbstverständlichkeit wahr“, sagte Arenz. (dpa)



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