Deutsche geben sich als Tierschützer kaufen Fleisch aber am liebsten billig

Bei Umfragen zeigen sich die Bundesbürger tierlieb. Aber beim Fleischeinkauf siegt an der Kasse doch häufig die Sparsamkeit über das Tierwohl - zum Ärger der Tierschützer. Das zu ändern ist nach Auffassung von Experten gar nicht einfach.
Titelbild
Die meisten Konsumenten sind nach eigener Aussage bereit, deutlich mehr für Fleisch zu bezahlen, wenn dadurch den Schlachttieren bessere Haltungsbedingungen garantiert werden.Foto: Armin Weigel/dpa
Epoch Times21. Februar 2019

In Umfragen geben sich die deutschen Verbraucher gerne als Tierschützer.

Die meisten Konsumenten sind nach eigener Aussage bereit, deutlich mehr für Fleisch zu bezahlen, wenn dadurch den Schlachttieren bessere Haltungsbedingungen garantiert werden. Doch die Sache hat einen Haken: Gekauft wird, was billig ist.

Dabei ist die Debatte um Tierwohl groß. Die meisten Handelsketten und Discounter haben in den vergangenen Monaten bei Frischfleisch Packungsaufdrucke eingeführt, die auf den ersten Blick Aufschluss über die Umstände geben, unter denen die Schlachttiere aufwachsen. Den Verbrauchern soll damit mehr Wahlmöglichkeiten in Sachen Tierschutz gegeben werden.

Schließlich betonen die Bundesbürger immer wieder, wie wichtig ihnen das Tierwohl ist. Bei einer repräsentativen Umfrage für den „Ernährungsreport 2018“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums gab fast die Hälfte (47 Prozent) der Befragten an, sie seien „auf jeden Fall“ bereit, einen höheren Preis für Lebensmittel zu bezahlen, wenn dies den Tieren eine besser Haltung sichere. Weitere 43 Prozent zeigten sich geneigt, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Nur zwei Prozent der Befragten wollten dies auf keinen Fall tun.

„In der Realität spüren wir eine andere Entwicklung“

Das Problem: Mit Kaufverhalten stimmt das nicht überein. „In der Realität spüren wir eine andere Entwicklung. Wir bemerken, dass die Kunden in der Regel eher zu Fleisch von konventionell gehaltenen Tieren greifen“, heißt es etwa bei Aldi Süd. Auch Rewe rennt bei dem Versuch, in zwei Testregionen Schweinefleisch aus tierfreundlicherer Haltung mit einem Aufschlag von 50 Cent zu verkaufen, nicht gerade offene Türen ein. „Aktuell sehen wir eine – erwartete – verhaltene Zurückhaltung“, sagte ein Sprecher. Es bleibe abzuwarten, wie sich das Kaufverhalten der Kunden bis zum Ende des Tests entwickle.

Bei Lidl stammen zwar mittlerweile rund 50 Prozent der verkauften Frischfleischprodukte aus Betrieben, die den Tieren zumindest etwas mehr Platz und Beschäftigungsmaterial garantieren als gesetzlich vorgeschrieben. Doch einer der Gründe dafür dürfte sein, dass Lidl darauf verzichtet, die Mehrkosten an den Kunden weiterzugeben.

Für den Marketing-Experten Ulrich Enneking von der Hochschule Osnabrück ist die Diskrepanz zwischen Sagen und Tun beim Fleischeinkauf nicht verwunderlich. „Einkaufen ist oft eine Pflichtveranstaltung. Ein Großteil der Kunden – vielleicht zwei Drittel – ist in Hektik oder gedankenlos oder hat schlicht keine Lust, groß die verschiedenen Alternativen im Angebot zu prüfen“, meint er. Gewohnheitskäufe spielten beim täglichen Einkauf eine große Rolle. Da sei es kein Wunder, dass neue Tierwohlangebote erst einmal links liegen gelassen würden. „Oft überwiegt, bei den Verbrauchern am Ende auch die Skepsis, ob die Tiere wirklich etwas davon haben, wenn nur wenige Verbraucher zu Tierwohlprodukten greifen.“

Der Professor weiß, wovon er spricht. Erst kürzlich hat er in einem großangelegten Feldversuch die Einkaufsrealität untersucht. In insgesamt 18 Märkten der Edeka-Gruppe – neun Supermärkten und neun Discount-Läden – wurden den Kunden dabei mit Hilfe der Handelskette zwei Monate lang Bratwurst, Minutensteaks und Gulasch aus Schweinefleisch parallel in drei Versionen Angeboten: in der „Gut und Günstig“-Variante ohne Tierwohl-Anspruch, als teures Bio-Fleisch und als neu eingeführtes Tierwohl-Produkt im mittleren Preissegment.

Nur rund 16 Prozent greifen zu Tierwohl-Artikeln

Das Ergebnis des Tests überraschte die Forscher. Denn es entsprach so gar nicht den Aussagen der Bundesbürger in den Umfragen. Nur rund 16 Prozent der Kunden griff tatsächlich zu den Tierwohl-Artikeln. Elf Prozent kauften die Bio-Produkte. Doch fast drei Viertel der Kunden (73 Prozent) bevorzugten das Billigangebot. Daran änderten auch große Hinweisschilder, die auf das Tierwohlangebot hinwiesen, nichts.

Sind die Versuche, die Lebensbedingungen für Schlachttiere durch Haltungskennzeichnungen zu verbessern, also zum Scheitern verurteilt? Nicht unbedingt, glaubt Enneking. „Die Zahl der Verbraucher, die tatsächlich Tierwohl-Produkte kaufen, kann in den nächsten Jahren sicher noch deutlich gesteigert werden“, meint er. Heute entschieden sich rund 25 Prozent der Verbraucher für Tierwohl- oder Bio-Produkte. „Es ist wahrscheinlich möglich, diese Zahl auf 40 bis 50 Prozent zu steigern. Darüber hinauszukommen dürfte aber schwer werden. Vielen Leuten ist das Thema Tierwohl einfach nicht wichtig“, urteilt er.

Entscheidend seien dabei die Glaubwürdigkeit des Tierwohllabels und ein langer Atem. „Wenn tatsächlich ein staatliches Tierwohllabel eingeführt wird und mit einer Informationskampagne und TV-Spots über zwei oder drei Jahre bekannt gemacht wird, kann dies die Bereitschaft deutlich erhöhen, für Produkte tiefer in die Tasche zu greifen, die besser Haltungsbedingungen für Tiere garantieren“, sagt Enneking. (dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion