Erdgas-Umstellung in Deutschland: Ältere Heizanlagen könnten ein Problem bekommen

Heizungen, Herde, Gasthermen: Rund sechs Millionen Geräte, die mit Erdgas betrieben werden, müssen in den Haushalten bis 2029 umgerüstet werden. Denn die Erdgasversorgung Deutschlands steigt auf H-Gas (high-caloric gas) um. Vor allem Eigentümer in sechs Bundesländern sind betroffen.
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Die Kosten für Erdgas steigen.Foto: iStock
Von 11. Dezember 2019

Deutschland importiert über 90 Prozent seines Erdgases und kauft zwei verschiedene Sorten ein: Das sogenannte L-Gas und das H-Gas. L-Gas (low-caloric gas) verfügt über einen geringeren Methangehalt, was zu einem geringeren Brennwert und einem niedrigeren Energiegehalt führt. H-Gas (high-caloric gas) hat einen vergleichsweise höheren Brennwert. Beide Gasarten werden über getrennte Gasnetze transportiert und unterschiedlich weiterverarbeitet.

Die Versorgung mit L-Gas wird künftig eingestellt. L-Gas wird vor allem aus den Niederlanden importiert. Nach zahlreichen Erdbeben als Folge der Erdgasförderung und knapper werdenden Ressourcen laufen die Importe zum 1. Oktober 2029 aus. Deutschlands eigene Erdgasförderung umfasst etwa 7 Prozent des Bedarfs und reicht nicht aus. H-Gas kommt vor allem aus Norwegen, Russland und Großbritannien.

Daher müssen alle Haushalte und Endversorger an die Versorgung mit H-Gas angeschlossen werden. Betroffen sind vor allem die Bundesländer Bremen sowie Niedersachsen, dazu Teile von NRW, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Hessen, die an das L-Gas-Netz angeschlossen sind. Dieser Schnelltest kann helfen, herauszufinden, ob man selbst davon betroffen ist.

Etwa ein Viertel aller Haushalte muss umsteigen

Nicht nur die Leitungen müssen in den betroffenen Gebieten aufwändig umgerüstet werden, sondern auch – geschätzt – sechs Millionen Endgeräte in den Haushalten. Die Arbeiten haben 2015 begonnen und sollen bis 2030 abgeschlossen sein.

Dabei müssen alle Haushalte zum einen an das H-Gas-Netz angeschlossen werden. Weiterhin sind alle Geräte, die direkt an eine Gasleitung angeschlossen sind, anzupassen. Das betrifft beispielsweise Gasherde, Gaskamine, Gasöfen und Gasthermen.

Verantwortlich ist der örtliche Netzbetreiber, der auf der Rechnung angegeben ist. Netzbetreiber müssen eine 13-stellige Codenummer angeben, die zur Identifizierung dient. Die Bundesnetzagentur schreibt: „Für die Anpassung der Gasgeräte ist der jeweilige Ausspeise- oder Verteil-Netzbetreiber verantwortlich. Dieser wird Sie über alle notwendigen Schritte informieren. Ihr Gaslieferant, der Sie als Haushaltskunde mit Gas versorgt, hat mit der Gasumstellung selbst nichts zu tun.“

Die Anpassung erfolgt in drei Schritten.

  1. Erfassung aller Gasgeräte im Haushalt. Fachleute, die durch den Netzbetreiber beauftragt wurden, erfassen Gasthermen, Heizkessel, gasbetriebene Herde und Kocher, Gasbrenner, Gasöfen, Gaskamine und alle anderen Geräte, die direkt mit Gas betrieben werden.
  2. Etwa ein Jahr später wird ein Termin zur Geräteumrüstung vereinbart. Ein Monteur wird dann je nach Geräte-Typ und -alter beispielsweise die Gasdüsen wechseln. Bei manchen Geräten sind zusätzliche Einstellungen in der Geräteregelung vorzunehmen. Mit einer Abgasmessung wird der korrekte Betrieb überprüft. Der Aufwand der Anpassung hängt vom Gerät ab.
    In der Regel muss bei jüngeren Heizungen nur die Gasdüse ausgetauscht und neu justiert werden. Bei Heizungen, die älter als 20 Jahre sind, muss geschaut werden, ob eine Umrüstung möglich ist oder diese nicht ganz ausgetauscht werden muss.
  3. Bei 10 Prozent der Geräte wird anschließend stichprobenartig untersucht, ob die Qualität stimmt und die Geräte mit H-Gas betrieben werden können. Geräte, die nicht umgestellt wurden, sollten nicht weiter genutzt werden.

Der Netzbetreiber kann den Anschluss sperren, wenn Geräte nicht umgestellt wurden und „Gefahr für Leib und Leben“ bestehen könnte. Die Kosten der Sperrung muss der Kunde tragen.

Wer zahlt? Alle.

Der Netzbetreiber und die beauftragte Firma dürfen dem Endverbraucher keine Rechnung stellen, auch nicht über Austauschteile wie Düsen oder Arbeitsstunden. Denn die Kosten der Umstellung tragen alle Verbraucher über die sogenannte MRU-Umlage. 

Seit 2018 wird diese Umlage bereits zusätzlich zum Netzentgelt erhoben. Im Jahr 2019 beträgt sie 0,31808 Euro/(kWh/h)/a, im Jahr 2020 werden es 0,5790 Euro/(kWh/h)/a sein. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 19a EnWG.

Die Umstellungskosten beliefen sich im Jahr 2018 auf rund 95.459.500 Euro. Für 2019 wird mit Kosten in Höhe von ca. 132.257.000 Euro gerechnet, 2020 sind dafür bereits rund 179.168.400 Euro vorgesehen.

Aber … was ist, wenn ein Gerät „nicht anpassungsfähig“ ist?

„Nicht anpassungsfähig“ meint, dass die Technik möglicherweise zu alt und ineffizient ist oder der Brennwertkessel nicht umrüstbar ist. Experten werden dann vermutlich dem Eigentürmer dazu raten, grundsätzlich darüber nachzudenken, alte Heizkessel durch neue zu ersetzen.

In einem solchen Fall muss der Eigentümer selbst tätig werden, einen Neueinbau veranlassen und bezahlen. Mieter sollten darauf achten, dass der Vermieter den Austausch übernimmt.

Die Bundesnetzagentur gibt unter bestimmten Bedingungen 100 Euro für ein Neugerät hinzu: „Wenn Sie als Eigentümer einer Kundenanlage oder eines Verbrauchsgeräts wegen der anstehenden Gasumstellung in Ihrem Netzgebiet ein Neugerät installieren, das im Rahmen der Umstellung nicht mehr angepasst werden muss, haben Sie gegenüber dem Netzbetreiber, an dessen Netz die Kundenanlage oder das Verbrauchsgerät angeschlossen ist, einen Kostenerstattungsanspruch. Der Erstattungsanspruch beträgt 100 Euro für jedes Neugerät.“

Dazu muss die Anschaffung des Neugerätes „NACH der Veröffentlichung des technischen Umstellungstermins durch den Netzbetreiber und VOR der Anpassung des vorhandenen Verbrauchsgeräts auf die neue Gasqualität im jeweiligen Netzgebiet erfolgen“ und „Der Eigentümer muss gegenüber dem Netzbetreiber die Anschaffung und die ordnungsgemäße Verwendung des Neugeräts nachweisen.“

Für Heizanlagen können bis zu 500 Euro erstattet werden. Für Anlagen, die älter als 25 Jahre sind, gibt es keine Unterstützung.

Wie oft ein Austausch nötig wird, ist ungewiss, es gibt keine verlässlichen Zahlen. Sollte allerdings ein Komplettaustausch notwendig werden, dann wirken 100 Euro oder auch 500 Euro eher wie Almosen, wie es der „Business Insider“ formulierte.

Gas- oder Ölheizkessel, die 1991 oder später eingebaut worden sind, dürfen lt. gesetzlichen Regelungen ab dem Einbau nur 30 Jahre lang betrieben werden. Heizkessel, die vor dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt wurden, dürfen nicht mehr betrieben werden. Neue Ölheizungen sind mit dem Klimapaket der Bundesregierung ab 2026 verboten – es gibt aber Ausnahmen, wenn etwa ein Haus weder mit Gas noch mit Fernwärme versorgt werden kann und die Heizung auch nicht aus erneuerbaren Energien betrieben werden kann.

Und das Auto?

CNG-Fahrzeuge, die mit Erdgas betrieben werden, sind in der Regel werksseitig für beide Gasarten ausgelegt. Eine Tankfüllung H-Gas hält normalerweise länger als eine Tankladung mit L-Gas, die Kosten pro Kilometer bleiben in etwa gleich. Anfang Dezember kostete H-Gas an der Tankstelle 1,115 €/kg und L-Gas 0,983 €/kg.

Auch Industrieanlagen und Gewerbebetriebe sind betroffen und müssen, sofern sie mit L-Gas betrieben werden, umgestellt werden.

H-Gas ist teurer als L-Gas. Durch den höheren Brennwert wird jedoch weniger Gas verbraucht, um die gleiche Menge Wärme zu erzeugen. Wie sich der Gaspreis zusammensetzt, kann hier nachgelesen werden. Hier können verschiedene Gaspreise je nach Region verglichen werden.

H-Gas hat einen Methan-Anteil zwischen 87 und 99,1 Volumenprozent, einen geringen Stickstoff- (N2) und Kohlendioxid-Anteil (CO2). Der Heizwert liegt in der Regel zwischen 10,0 und 11,1 kWh/m³. Der Energiegehalt von 1 kg H-Gas entspricht etwa 1,5 l Benzin oder 1,3 l Diesel. L-Gas hat einen Methangehalt zwischen 79,8 und 87 Volumenprozent, Stickstoff- (N2) und Kohlendioxid-Anteil (CO2) sind etwas höher als bei H-Gas. Der Heizwert liegt in der Regel zwischen 8,2 und 8,9 kWh/m³. Der Energiegehalt von 1 kg L-Gas entspricht etwa 1,2 l Benzin oder 1,1 l Diesel.



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