VW unter Corona-Druck

Lieferanten fallen aus, Händler schließen - und Teile der Belegschaft arbeiten wieder kurz. Auch Volkswagen geht in ein unsicheres, zweites Corona-Jahr 2021. Bei den langfristig entscheidenden Themen ruft Betriebsratschef Osterloh die Führung zu engeren Absprachen auf.
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"Wir haben ein gravierendes Problem": VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Epoch Times29. Dezember 2020

Die Corona-Krise dürfte den weltgrößten Autokonzern Volkswagen nach Einschätzung von Betriebsratschef Bernd Osterloh auch 2021 noch länger beschäftigen.

Die derzeitigen Versorgungsengpässe bei Zulieferern und die anhaltende Absatzschwäche zeigten, wie heikel die Lage sei, sagte der oberste Belegschaftsvertreter in Wolfsburg der Deutschen Presse-Agentur.

Zudem muss VW die Zukunftsthemen der nächsten Jahre anpacken – die schwierige Balance zwischen Investitionen und Sparzielen löst immer wieder auch Konflikte mit Vorstandschef Herbert Diess aus. Osterloh verlangt vor allem in der Modellentwicklung eine bessere, gemeinsame Planung „von Anfang an“.

„Wir haben ein gravierendes Problem“, meinte er zu Lieferproblemen bei Halbleitern für Elektronik-Teile. „Wir können das Auto dann nicht bauen. Kurzfristige Lieferalternativen gibt es nicht.“ Coronabedingte Personalausfälle bei einem Sitzzulieferer seien ebenfalls kritisch – und „dass Händler in einigen EU-Ländern wieder geschlossen haben“.

Bei VW dürften sich solche Pandemie-Folgen wohl noch „mindestens im ersten Quartal, wenn nicht länger“ durchziehen, schätzt Osterloh. Die Tarifregelung zur Kurzarbeit erlaube eine flexible Reaktion. „Aber wie genau das aussieht fürs erste Halbjahr, dazu können wir aus heutiger Sicht keine Aussagen machen“, betonte der Betriebsratschef.

Ein zentrales Projekt der nächsten Jahre wird die Entwicklung und Fertigung eines neuen Elektro-Volumenmodells mit dem Arbeitstitel „Aeroliner“ im Stammwerk. „Bei dem Fahrzeug soll die neueste, von uns in Eigenleistung entwickelte Software-Generation eingesetzt werden, die ab 2025 anläuft“, erklärte Osterloh. „Und der Aeroliner könnte ein Mehrmarken-Modell werden in einer deutlich sechsstelligen Stückzahl pro Jahr – alle in Wolfsburg gebaut.“ Der Aufsichtsrat hatte jüngst den Weg für diese Standortentscheidung freigemacht.

Rund um eine mögliche frühzeitige Vertragsverlängerung für Diess war es dagegen zuletzt zu Irritationen in dem Kontrollgremium gekommen. „Der Aufsichtsrat sollte wohl als getrieben erscheinen. Das ist aber nicht gelungen – und das war der Aufsichtsrat auch nie“, sagte Osterloh dazu. „Ich hoffe, dass wir uns im neuen Jahr aufs operative Geschäft konzentrieren. Das ist sehr nötig. Der Konzernvorstand tritt dafür mit neuen Vorzeichen an – das ist gut so.“ Das Unternehmen habe in den vergangenen Wochen ein „teilweise sehr unruhiges“ Bild in der Öffentlichkeit abgegeben. Aber Diess habe seine Unterstützung.

Volkswagen nehme den US-Elektrorivalen Tesla, der inzwischen auch stärker auf günstigere Wagen setzt, „sehr ernst“, so Osterloh. Doch nicht jede von Tesla genutzte Produktionstechnik passe automatisch auch bei anderen Herstellern. „Bei all diesen Fertigungsthemen haben wir jahrzehntelange Erfahrung. Da müssen wir uns nicht verstecken.“ In der Vereinheitlichung von Batteriezell-Ausführungen etwa habe die Firma von Gründer Elon Musk derzeit aber Vorteile: „Aktuell haben wir noch rund zwei Dutzend mehr Zellvarianten als Tesla.“

Osterloh rief das Management zu mehr Beteiligung der Mitarbeiter und klarerer Kommunikation in der Modellplanung auf: „Da erwarte ich eine wesentlich stärkere Zusammenarbeit zwischen Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb, aber auch zwischen den Marken generell – mit entsprechenden Vorgaben auf Ebene des Vorstands.“ Im Frühjahr hatte es Streit wegen des Arbeitsdrucks an den Linien und Fehlfunktionen der neuen Golf-Ausgabe gegeben. „Je komplexer ein Modell wird, desto mehr muss man früh auf eine engere Abstimmung achten“, so Osterloh.

Beim E-Auto ID.3 gab es Software-Probleme, die mit Updates behoben werden. Das nächste Exemplar der Reihe geht ab Januar in den Verkauf: „Im ersten Quartal wird der ID.4 nach und nach unseren Handel erreichen, hierzulande und in weiteren wichtigen Märkten der EU.“ E-Modelle sind wichtig, um die schärferen Klimaziele zu erreichen – VW-intern ist die Rede von 300 000 Einheiten mehr pro Jahr in Europa. „Das wäre herausfordernd, aber machbar“, meinte Osterloh. „Die 300 000 Stück könnten wir in Wolfsburg bauen, wenn es sein muss.“

Mittelfristiger Engpass könnten die nötigen Batteriezell-Kapazitäten werden. Auch Autozulieferer müssten hier investieren, forderte Osterloh. „Man kann sich doch nicht immer nur beschweren“, sagte er zur Kritik daran, dass Autokonzerne Komponenten selbst fertigten. Und im Ladenetz-Ausbau müsse die Energiebranche ihren Beitrag leisten.

Bei der Verbesserung der Produktivität dürfe das VW-Management nicht nur Ziele formulieren, sondern müsse zunächst vorhandene Ressourcen durch schlankere Prozesse und weniger Doppelarbeit heben, erklärte Osterloh. Der Umbau in Richtung alternative Antriebe und Vernetzung lasse sich über noch bessere Weiterqualifikation anschieben: „Unsere Beschäftigten müssen stärker mitgenommen werden in die neuen Jobs.“

Digitalisierung in der Autoindustrie dürfe sich zudem nicht nur auf die Autos beschränken – das neue Vorstandsressort für IT und Software solle daher auch IT-Plattformen untereinander effizient verschränken. Es gebe schon Vorschläge zur Besetzung, sagte Osterloh: „Ich rechne fest mit einer Vorständin.“ Bei der Software in den Fahrzeugen soll der Anteil eigener Programmierung und Wertschöpfung stark steigen. (dpa)



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