Warum deutsche Unternehmen oft in Indien scheitern

Um in Indien nicht zu scheitern, sollte man sich unbedingt mit den Unterschieden der indischen und deutschen Business-Mentalität befassen. K.-J. Gadamer erklärt, wieso in Indien keine Probleme angesprochen werden und wie leicht ein deutscher Chef einen Wutanfall bekommen kann.
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Delhi, Indien – auf dem Chawri Bazar.Foto: iStock
Von 15. Dezember 2018

Wer in Indien Erfolg im Geschäftsleben haben will, braucht starke Nerven. Um nicht zu scheitern, sollte man sich unbedingt mit den kulturellen Unterschieden beschäftigen.
Auf meiner langen Reise durch Indien erforsche ich nicht nur die fremde Kultur, sondern ich werfe auch einen neuen Blick auf die westliche Welt. Auf Besuch bei einer Familie in Delhi sprechen wir über die indische und die deutsche Business-Mentalität.

Rajis Bruder ist Software Ingenieur und hat schon mit deutschen Firmen gearbeitet. Er war sogar schon längere Zeit bei Bosch in Gerlingen. Difficult, very difficult to work with germans, erzählt er. Sie sagen genau, was sie von uns erwarten.

Wenn wir das nicht können, geben wir das aber nicht direkt zu, sonst verlieren wir das Gesicht. Also sagen wir erstmal zu allem JA. Daraus ergeben sich oft Probleme, die die Deutschen immer wieder ansprechen. Wir haben dann den Eindruck, sie legen es geradezu darauf an, dass wir das Gesicht verlieren.

Wenn wir JA sagen, heißt das nur: Du bist der Chef, und wir versuchen deinen Lösungsweg umzusetzen …

Offene Kritik beschämt uns und wenn das vor Untergebenen passiert, ist auch unsere soziale Stellung angegriffen. Und dann machen wir lieber erstmal gar nichts mehr. Wer nichts macht, macht nichts falsch. Und die Deutschen fühlen sich dann erst recht in ihrer Kritik bestätigt. In Indien haben wir keine Fehlerkultur.

Viele Inder sind technisch eigentlich nicht schlecht ausgebildet, aber kritisches Denken ist nicht angesagt. Bei uns ist Harmonie das Wichtigste. Wenn uns ein Projekt übertragen wird, denken wir, das wird schon klappen. Probleme werden nicht wirklich zum Thema gemacht. Deshalb funktioniert auch vieles nicht richtig.

Und dann erzählt er eine Geschichte und krümmt sich vor Lachen. Der Chef einer deutschen Firma mit einer Niederlassung in Indien erklärte seine Ziele und sagte jedem unserer Gruppe, er solle seine Meinung dazu sagen. Natürlich stimmten wir alle zu, aber wir erzählten ihm doch nur, was er hören wollte. Viele sind gar nicht gewohnt, eine eigene Meinung zu haben.

Beim nächsten Meeting gab unser indischer Chef andere Ziele vor. Wir wussten, dass das so nicht geht, aber der Chef hat recht und wichtig ist, dass bei uns niemand sein Gesicht verliert. Also folgten wir ihm.

Der Deutsche bekam einen Wutanfall und machte sich so auch noch zum Outcast. Er hat einfach unsere Kultur nicht verstanden. Wir sind keine Gesellschaft, in der jeder ständig seine Meinung vertritt. In Asien gibt es nicht die Diskussionskultur des Westens. Für uns ist das Einvernehmen wichtig und das schaffen wir, indem wir der Führung folgen. Wenn wir JA sagen, heißt das nur: Du bist der Chef, und wir versuchen deinen Lösungsweg umzusetzen. Und wenn das nicht funktioniert, vertuschen wir die Probleme einfach.

Das Prinzip eines starken Anführers ist für uns wichtig, um die Entwicklung einer Gruppe oder eines Unternehmen in die richtige Richtung zu lenken. Wenn das fehlt, wird es hier schwierig.

… Und wenn das nicht funktioniert, vertuschen wir die Probleme einfach

Wir können genauso wenig aus unserer Haut wie die Deutschen, die ohne Rücksicht auf soziale Verluste ihr Ding durchsetzen. Wir versuchen die Gruppe zusammenzuhalten, reden auch am Arbeitsplatz viel über Persönliches und trinken zusammen Tee. Deshalb fühlen wir uns bei der Arbeit auch wohl. In Deutschland ist das eher verpönt. Da gilt das Persönliche bei der Arbeit als Zeitverschwendung. Aber Arbeit ist doch auch unser Leben.

Wenn wir vom Chef begeistert sind, schlafen wir auch im Büro. Wo ist das Problem? Die Deutschen sind effektiv, aber sie haben ständig Urlaub und Wochenende, weil sie sich von ihrer effektiven Art erholen müssen.

Dann wollen die Deutschen immer eine Deadline. Wie sich das schon anhört. Wenn wir den Abgabetermin nicht schaffen, sind wir tot? Spinnen die? Was ist schon Zeit in der Unendlichkeit des hinduistischen Denkens. Zeit ist Maya, ist Illusion. Wenn es heute nicht klappt, klappt es morgen.

Wir passen uns dem Karma an, die Deutschen versuchen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wenn es regnet, warten wir darauf, dass der Regen aufhört. Die Deutschen holen einen Regenschirm und nehmen ein Taxi, um pünktlich zu sein. Das machen sie, weil sie ihr westliches Schuldbewusstsein plagt. Das haben wir nicht. Solange wir uns sozial sicher fühlen, ist uns das egal.

Wir schämen uns, wenn wir in der Gruppe bloßgestellt werden. Der Deutsche fühlt sich schuldig, wenn er gegen eine Regel verstößt. Das ist was ganz anderes. Eigentlich leben wir leichter. So erzählt er voller Engagement und ich freue mich, dass er die Dinge so klar auf den Punkt bringt.

Der Ruf der deutschen Ingenieurskunst

Und dann erzählen mir meine Gastgeber, was ich in Asien schon oft gehört habe: Sie schwärmen vom grandiosen Ruf der deutschen Ingenieurskunst. Germany is good for studying in only 1 subject. They have the best engineers in the world. Gut zu wissen, was die Inder denken. Und was halten die Deutschen von ihren Ingenieurwissenschaften? Sexy ist deren Image nicht gerade.

Die jungen Deutschen entscheiden sich heute gerne für irgendwas mit Medien, die Mädels studieren Gender Mainstream und fordern dann die Frauenquote im Aufsichtsrat von BMW, damit die Welt endlich gerecht und gut werde. Prost Mahlzeit, die es in der nächsten Generation hoffentlich noch gibt, in Deutschland und in Indien.

Stolz richtet sich mein Gastgeber auf: India is a strong country. I am proud to be an Indian. In 20 Jahren wird Indien mit China darum kämpfen, die Weltmacht Nummer 1 zu sein. Germany will be anywhere behind. – Na ja, dann können wir unsere Eurythmielehrer nach Indien schicken, wie jetzt indische Yogalehrer zu uns kommen, denke ich mir, grinse und nippe an meinem Zimttee.

Raji, mein Wohltäter ist wirklich fürsorglich. Selbst zu so weit vorgerückter Stunde telefoniert er noch in der Stadt herum, um ein günstiges Hotel für mich aufzutreiben. Gesucht, gefunden und dann will Raji mich unbedingt hinfahren und dort nach dem Rechten sehen.

Sauberkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr, so denkt manch indisches Hotel. Als Raji das Zimmer besichtigt, staucht er also erst einmal das Personal zusammen, das dann den Dreck hektisch unterm Ecktisch wegwischt.

Als Europäer bin ich gewohnt, beim Gepäcktragen selbst Hand anzulegen. Aber das wäre hier ein Fauxpas und unsozial dazu. In den Augen der Angestellten wäre ich ihnen nicht behilflich, sondern ich würde den dienstbaren Geistern ihren Job wegnehmen. Aber es braucht aktive Zurückhaltung, meinen Rucksack nicht selbst die Treppe hinaufzutragen.

Ich bin es nicht gewohnt, mich bedienen zu lassen. Nachdem das Zimmer einigermaßen sauber ist und sich alles zu meinem und insbesondere zu Rajis Wohlgefallen entwickelt hat, verabschiedet sich mein Wohltäter wohlwollend von mir: You call me, if you have problems. Greetings to germany.

In seinem Buch „So fremd, so vertraut“ schildert K.-J. Gadamer unterhaltsam die Unterschiede zwischen westlicher und östlicher Kultur. Zum Multi-Media-Buch gibt es unter gadamers-reisen 19 Fotoshows und Filme.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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