Traktoren führen die Digitalisierung an

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Ob John Deere, Fendt oder Deutz-Fahr: Bei Landmaschinen sind heute Technologien Standard, die in normalen Autos noch lange nicht üblich sind.Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Epoch Times4. Oktober 2016
500 PS unter der Haube und 50 Stundenkilometer schnell: In Sachen Tempo wird es ein John Deere 9R nie mit einem BMW aufnehmen können. Traktoren sind nicht für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt, sondern zum Ziehen schwerer Lasten.

Doch in Sachen Automatisierung und Vernetzung ihrer Fahrzeuge ist die vermeintlich lahme Traktorbranche schneller und weiter als die Autoindustrie.

Laien fällt beim Anblick moderner Landmaschinen vor allem eines auf: die Größe. Allein die Räder der großen Modelle sind mehr als mannshoch. Der Trend zum Monster-Traktor hat einen praktischen Grund: Eine große Landmaschine kann ein Feld wesentlich schneller bearbeiten als eine kleine. Wer in der Kabine eines solchen Fahrzeugs sitzt, kann nur noch erahnen, was sich unmittelbar vor ihm auf der Straße befindet – die Motorhaube versperrt den Blick.

Doch das ist nur ein Aspekt der Entwicklung. „Was für den Stadtmenschen sein Büro, ist für den Landwirt seine Kabine“, sagt Stephan Blankenhagen, Verkaufsleiter Süd bei John Deere. Die moderne Traktorkabine sieht daher tatsächlich aus wie eine Mischung aus Auto und Büroarbeitsplatz: Neben dem Lenkrad befindet sich der Bildschirm mit Touch Display. Und der Traktorsitz hat inzwischen mehr Ähnlichkeit mit einem gepolsterten Chefsessel als mit einem Autositz. Mehrere hunderttausend Euro kostet so eine große Maschine.

Ob John Deere, der Allgäuer Landmaschinenhersteller Fendt oder das baden-württembergische Unternehmen Deutz-Fahr: Bei Landmaschinen sind heute Technologien Standard, die in normalen Autos noch lange nicht üblich sind.

Das betrifft sowohl das autonome Fahren als auch die Digitalisierung und Vernetzung der Fahrzeuge. Mit GPS ausgestattete Traktoren könnten heute schon ohne Bauern am Steuer alleine fahren – auch wenn Sicherheitssysteme dem vorbeugen. „Ganz autonomes Fahren ohne einen Menschen in der Kabine ist nicht möglich“, sagt Blankenhagen.

Das Zauberwort heißt „Parallelfahrsystem“. Ein Landwirt muss seine Felder mehrmals im Jahr befahren – beim Pflügen, der Aussaat, beim Düngen, bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und schließlich bei der Ernte.

Dabei sollte er jedes Mal möglichst in den gleichen Spuren fahren, um nicht einen Teil seiner Pflanzen platt zu walzen. „Früher brauchte man dafür einen guten Fahrer, sonst wurde die Linie auch mal krumm“, sagt Colin Buchhorn vom Landmaschinenhersteller Fendt.

Und heute? Die Größe des Felds, die Hangneigung, sämtliche Ackerdaten sind abgespeichert. Mit Hilfe eines GPS-Empfängers legt der Landwirt eine „Referenzspur“ auf dem Acker an. Der Bordcomputer rechnet aus, wie die übrigen Spuren liegen müssen, damit das Feld möglichst effizient bewirtschaftet wird.

Das Ergebnis: Der Bauer nimmt die Hände vom Lenkrad und der Traktor fährt wie von Geisterhand die Spuren ab. „Für den Profibauern bedeutet das eine erhebliche Ersparnis“, sagt Buchhorn. 

Auch bei der Vernetzung der Fahrzeuge mit der Außenwelt ist die Traktorbranche weit fortgeschritten. Ein moderner Schlepper übermittelt Daten aller Art an seinen Besitzer, die Service-Werkstatt und den Hersteller.

Auf vielen Feldern gibt es bessere und schlechtere Parzellen. Bodensenken etwa werden häufig überschwemmt – dort wächst dann wenig oder gar nichts. Die Digitalisierung ermöglicht die „teilflächenspezifische Bewirtschaftung“. Soll heißen: Der digitale Traktor weiß, auf welchem Teil des Feldes sinnvollerweise wie viel Saatgut oder Dünger ausgebracht wird. „Wo sowieso nicht viel wächst, muss man auch nicht düngen“, sagt Fendt-Mitarbeiter Buchhorn. Das Resultat: Der Landwirt spart Geld.

Autofahrern zu denken geben sollte vor allem ein dritter Aspekt der Digitalisierung: Ob Traktoren, Mähdrescher oder Feldhächsler – sie alle übertragen heutzutage ihre „vitalen Lebensdaten“, wie John Deere-Verkaufsleiter Blankenhagen erläutert. Ob Position des Fahrzeugs, Geschwindigkeit oder Treibstoffverbrauch – all das kann von außen überwacht werden. Der Betriebsleiter kann von seinem Büro aus kontrollieren, ob ein Fahrer zu viele Pausen macht oder zu viel Treibstoff verbraucht.

Ebenso wäre es technisch möglich, Autos automatisch Verkehrsverstöße jeder Art an die Behörden melden zu lassen – ob Geschwindigkeitsüberschreitung oder Parken im Halteverbot. Ebenso voll automatisiert könnte die Polizei dann Strafzettel verschicken. Die Autoindustrie hat daran naturgemäß kein Interesse: Ein Porsche, der seinen rasenden Fahrer bei der Polizei verpetzt, wäre mutmaßlich kein großer Verkaufsschlager.

(dpa)

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