König Charles III. von England – ein Ur… Enkel einer pfälzischen Pfarrerstochter

So wurde aus der pfälzischen, protestantischen Pfarrerstochter Marie Salomea Schweppenhäuser (1755-1833) die Ahnin des heutigen englischen Königs Charles III..
Titelbild
Charles III., der neue König von Großbritannien, spricht während eines Empfangs im Clarence House am 11. September 2013 in London, England.Foto: Dan Kitwood / Getty Images
Von 4. Oktober 2022

Kinder fühlen sich oft bei den Großeltern wohl. Das war in vergangenen Zeiten vielleicht noch üblicher als heute. Dass ein solcher Aufenthalt aber auch die Chance bietet, neue, andere Leute kennenzulernen und sie zu beeinflussen, sollte man nicht unterschätzen, zumal dann nicht, wenn Oma und Opa nicht unter einem Dach mit den Eltern wohnen.

Vor über 200 Jahren wurde für die Tochter eines südpfälzischen Pfarrers die Freundschaft zu gleichaltrigen Mädchen, die bei ihrer Großmutter weilten, zum Schicksal. Doch nicht nur ihr persönliches Leben wurde dadurch verändert. Ihre Kinder sollten in den nächsten Jahrzehnten die Throne Europas besetzen.

Um das alles zu verstehen, ist es vielleicht sinnvoll, eine kleine Anleihe bei Goethe zu nehmen. Eben jenem Goethe, den wir auch wegen seiner vielen Liebschaften kennen. Eine davon war Friederike Brion, die er in seinen Lebenserinnerungen Dichtung und Wahrheit so anmutig beschreibt. Friederike Elisabeth war die Tochter des protestantischen Pfarrers Johann Jakob Brion der elsässischen Gemeinde Sesenheim. Sie war befreundet mit der 1751 geborenen Marie Salomea Schweppenhäuser, einem gleichaltrigen Mädchen und ebenfalls Pfarrerstochter, die in der Nähe von Bergzabern, in dem Dorf Oberotterbach lebte. Ihr Vater war bis zu seinem frühen Tode von 1757 bis 1760 Pfarrer in Sesenheim gewesen.

Im benachbarten, 1723 wieder aufgebauten Schloss von Bergzabern weilten oft die Töchter von Karoline-Henriette, Frau des in Pirmasens residierenden Landgrafen Ludwig IX. von Hessen. Auf dem Altersruhesitz ihrer Großmutter fühlten sich die Enkelinnen Friederike, Caroline, Luise, Amalie und Wilhelmine wohl. Zusammen mit den befreundeten Pfarrerstöchtern durchstreiften sie Felder und Wälder.

Besonders zwischen Wilhelmine und Marie Salomea entstand eine herzliche Freundschaft, die noch intensiviert wurde, als Marie Salomeas Vater Pfarrer im nahe Bergzabern gelegenen Oberotterbach wurde. Mitten in dem sorglosen Treiben der Mädchen schlug im Sommer 1772 das Schicksal zu. Friedrich der Große, König in Preußen, hatte an Landgräfin Karoline Henriette geschrieben: „… es handelt sich um keine Kleinigkeit, Madame, sondern darum, ob eine Ihrer Töchter den Thron von Russland besteigt oder nicht.“ Madame antwortete: „… ich fühle den ganzen Wert der Güte, mit der Ew. Majestät mich beehren …“

Glücklich ist die Landgräfin, zeigten doch endlich ihre Bemühungen, ihre Töchter vorteilhaft zu verheiraten, Früchte. Sie selbst hatte ihre Töchter malen lassen und ihre Portraits auch an den Zarenhof geschickt. Nach langer Beratung wurde Tochter Wilhelmine auserwählt, die Frau des russischen Thronerben Paul zu werden.

Marie Salomea heiratet sächsischen Artillerieoffizier

Trotz einiger Widrigkeiten, bei denen der preußische König mit Hilfe des späteren Generals des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges Friedrich Wilhelm Steuben bei Zarin Katharina der Großen intervenierte, wurde endlich am 10. Oktober 1773 in Petersburg die Hochzeit zwischen der Prinzessin aus hessischem Hause und dem Thronfolger Paul gefeiert.

Wilhelmine hatte auf ihrer Reise nach Russland auch ihre Freundin Marie Salomea Schweppenhäuser aus Oberotterbach mitgenommen. Sie blieb in ihrer Gesellschaft und begleitete sie auch auf manchen Reisen.

Bei einem Besuch Warschaus lernte sie Friedrich Wilhelm Hauke, einen sächsischen Artillerieoffizier und Sekretär des im Dienste des Wettiner August III. stehenden Gouverneurs Graf Brühl kennen. Marie Salomea verliebte sich unsterblich in Friedrich. Beide heirateten sofort und ein Jahr später, nämlich 1775, konnte die zwanzigjährige Pfarrerstochter aus der Südpfalz die Geburt des Sohnes Johann Moritz nach Hause melden.

Es war die Zeit des Kampfes von Preußen, Österreich und Russland um die Aufteilung Polens, die für den jungen Moritz zum Schicksal wurde. Mit 14 Jahren trat er als Kadett der polnischen Armee in die Fußstapfen seines Vaters und kämpfte unter dem polnischen General Kosciuszko. Mit 21 Jahren war er bereits Oberst. Polen wurde von den umliegenden Großmächten 1795 endgültig zerstückelt und aufgeteilt, dann wenige Jahre später von den Truppen Napoleons I. besetzt.

Unter dem General der französischen kaiserlichen Armee Jan Hendryk Dombrowski (Vater des Dombrowski-Marsches „Noch ist Polen nicht verloren“, der heute noch als Nationalhymne gesungen wird) setzte Moritz seine militärische Karriere fort. Von nun an nannte sich der Sohn der Pfälzerin Marie Salomea Schweppenhäuser Maurice Hauke.

Er erwarb sich große Verdienste bei der Verteidigung der Feste Zamocs gegen anstürmende Russen. Dennoch, Napoleon I. verlor 1812 und musste sich geächtet als Feind der Menschheit ins Exil begeben. Die europäischen Karten wurden neu gemischt. Maurice Haukes militärische Qualitäten wurden auch beim Zaren von Russland geschätzt, sodass er zum Oberbefehlshaber der in Kongress-Polen stationierten russischen Truppen ernannt und dann zum General und Kriegsminister befördert wurde. Schließlich erhob ihn Zar Nikolaus I. 1826 in den Adelsstand.

Enkelin wird Gräfin von Battenberg

1811 hatte Sohn Maurice Sophie Lafontaine, die Tochter einer Ungarin und eines französischen Arztes geheiratet. Als zehntes Kind wurde ihnen 1825 Julia Therese Salomea geboren. Sie musste als Fünfjährige mit ansehen, wie ihr Vater 1830 von polnischen Aufständischen als Verräter gegenüber der polnischen Sache ermordet wurde.

Sophie brach das Herz. Ihre verwaisten Kinder wurden von Zar Nikolaus I. am Hof in St. Petersburg aufgenommen. Dort sollte Julia Therese Hauke wieder – wie ihre Großmutter – in eine schicksalhafte Begegnung mit dem Haus Hessen kommen. Im Jahr 1841 war nämlich die künftige Braut des Zarewitsch, die hessische Prinzessin Marie, nach Petersburg gekommen, um ihren späteren Ehemann Alexander näher kennenzulernen. Die sechzehnjährige Julia Therese, bestens erzogen und ausgebildet, wurde ihre Hofdame.

Als Maries Bruder Alexander von Hessen-Darmstadt seine Schwester in Petersburg besuchte und dort als Garde-Kürassier Kommandeur auch eine Anstellung fand, lernte er die kleine Polin mit den pfälzisch-ungarischen Wurzeln, Julia Therese, kennen und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Er war bekannt wegen seiner amourösen Abenteuer, sodass man zunächst den Flirt nicht allzu ernst nahm. Doch man sollte sich täuschen. Die beiden Verliebten waren unzertrennlich. Einer Heirat stand aber der Zar als Vormund Julias im Wege.

Alexander I. wurde mit diplomatischen Aufträgen überhäuft, die ihn im Auftrag des Zaren drei Jahre lang durch ganz Europa schicken sollten. Man hoffte am Petersburger Hof, dass er darüber seine Julia vergessen würde. Doch bekannte sich Alexander I. auch nach seiner Rückkehr zu ihr und hielt offiziell beim Zar um ihre Hand an. Dieser war so empört – sein Schwager als Mann einer Hofdame! –, dass er Alexander aus seinen Diensten entließ und vom Hof jagte. Julia Therese und Alexander flüchteten und heirateten am 28. Oktober 1851 in aller Stille in Breslau. Wenig später wird im Exil in Genf die Tochter Marie geboren.

Wie reagierte der Großherzog von Hessen, der Bruder Alexanders und nun Schwager der ehemaligen Hofdame Fräulein von Hauke?  „Sie und ihre Brut sollen einen anständigen Namen erhalten“, so die Order Ludwigs III. Julia musste hoffähig werden. Der Name eines 1314 ausgestorbenen Adelsgeschlechtes wurde reaktiviert und auf Julia übertragen. Von nun an war sie Gräfin von Battenberg! Ein Name, den viele ihrer Kinder und Nachkommen in Zukunft führen sollten.

Prinzessin Victoria Alice Elisabeth Julie Marie von Battenberg, die Großmutter väterlicherseits von Charles III. Foto: wikimedia commons

Aus Battenberg wird Mountbatten

Julia und Alexander waren auf die Unterstützung des Bruders in Darmstadt und der Schwester in St. Petersburg angewiesen. Nur allmählich wurde Alexander bei europäischen Fürstenhöfen wieder geduldet. Seine diplomatischen, vermittelnden Fähigkeiten, die ihn schon früher im Auftrag des Zaren drei Jahre lang durch Europa reisen ließen, wurden in der Zeit der europäischen Krisen – Krimkrieg, preußisch-französischer Krieg, Auseinandersetzung zwischen Russland und Österreich, Frankreich und Italien und so weiter – genutzt und verschafften ihm im Laufe der Jahre wieder Anerkennung. Er vermittelte auch Heiraten der europäischen Fürstenhäuser.

So verheiratete er Albert, den Sohn der englischen Königin Victoria, mit der Zarentochter Marie; sein Sohn Sandro wurde König von Bulgarien. Ein anderer Sohn, Ludwig, vermählte sich mit seiner Cousine Viktoria von Hessen und Rhein.

Der vierte Sohn Heinrich von Battenberg wiederum heiratete Prinzessin Beatrice von England. Deren Tochter Viktoria Eugenie wurde als Gemahlin Alfonsos VIII. Königin von Spanien und damit Großmutter des heutigen Königs Juan Carlos.

Der dritte Sohn von Julia und Alexander Ludwig von Battenberg wurde 1868 englischer Staatsbürger. Als Admiral und 1. Seelord war er zusammen mit Winston Churchill verantwortlich für die Aufrüstung der britischen Seestreitkräfte vor dem 1. Weltkrieg. 1917 erhob ihn der englische König Georg V. zum Marques von Milford Haven. Er selbst nannte sich nun Prinz Louis und veränderte seinen Namen Battenberg in Mountbatten.

Seine Kinder machten auch Karriere: Sein Sohn Ludwig wurde Vizekönig von Indien, eine Tochter wurde Königin von Schweden und die Tochter Alice heiratete den Prinzen Andreas von Griechenland und Dänemark. Damit sind die Eltern des ehemaligen Gemahls der englischen Königin Elisabeth II. genannt: Prinz Philipp war der Sohn von Andreas und Alice von Battenberg beziehungsweise Mountbatten, geborene Hauke-Schweppenhäuser.

Über den Autor:

Der 1947 in Bad Dürkheim geborene Hans-Jürgen Wünschel ist seit mehr als 20 Jahren akademischer Direktor des historischen Seminars der Universität Landau. Seit 2002 ist der Historiker außerdem Honorarprofessor der polnischen Universität Tschenstochau.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 64, vom 01. Oktober 2022.



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