Tödliches Autorennen – Richter: Am Kurfürstendamm sah es aus wie nach einem „Terroranschlag“

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Zerfetzt: Fahrzeugteile liegen nach dem illegalen Autorennen in der Berliner Tauentzienstraße.Foto: Britta Pedersen/dpa
Epoch Times26. März 2019

„Die Autos wurden zu Projektilen“, resümiert Richter Matthias Schertz das tödliche Autorennen vor mehr als drei Jahren auf dem Berliner Kurfürstendamm.

Unter seinem Vorsitz verurteilt das Landgericht Berlin die beiden Angeklagten am Dienstag erneut wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Die Männer rasten bei einem illegalen Rennen über mehrere rote Ampeln. Dabei erfasste einer der beiden den Wagen eines 69-Jährigen, der am Unfallort starb.

Dort habe es wie nach einem „Terroranschlag“ ausgesehen, sagt Schertz. Jeder Knochen des getöteten pensionierten Arztes, dessen Auto durch den Zusammenstoß mit 65 Kilometern pro Stunde durch die Luft flog, sei gebrochen gewesen.

Für die inzwischen 27 und 30 Jahre alten Angeklagten ist es nicht das erste Mordurteil in dem Fall: Bereits im Februar 2017 verurteilte das Berliner Landgericht sie wegen Mordes zu lebenslanger Haft – das bundesweit erste Mordurteil in einem derartigen Fall. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil allerdings im Frühjahr 2018 wieder auf. Der BGH betrachtete den bedingten Tötungsvorsatz, der Grundlage des Mordurteils war, als nicht ausreichend belegt.

Das Landgericht war bei dem Urteil vor mehr als zwei Jahren davon ausgegangen, dass erst eine Sekunde vor der Tat ein entsprechender Tötungsvorsatz gefasst wurde. Als die Männer in die Unfallkreuzung hineinfuhren, hatten sie nach Feststellung des Landgerichts keine Möglichkeit mehr, den Unfall zu verhindern. Diesen Zeitpunkt erachtete der BGH allerdings als zu spät, um noch aktiv einen Vorsatz zu fassen.

Im Urteil vom Dienstag geht die Kammer von einem früher gefassten Tötungsvorsatz aus: Einer der beiden, Marvin N., drückte laut einem Gutachten 90 Meter vor der Kreuzung kurz auf die Bremse, entschied sich dann aber anders und gab Gas. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich eindeutig dafür entschieden, dass die Leben von anderen sowie das eigene „egal“ seien, führt Schertz aus.

Beim zweiten Angeklagten, Hamdi H., sei der Vorsatz wohl schon früher gefasst worden, weil dieser konstant Gas gegeben hatte. „Das war Teil des Kicks, auf dieser Straße dieses Rennen mit dieser Gefährlichkeit durchzuführen“, sagt der Richter. Bei den Männern handle es sich um „Autonarren“, die sich flüchtig aus einer Shishabar kannten. N. habe nur kurz nach der tödlichen Tat auf seinem Handy zum Kauf eines neuen Mercedes recherchiert, bemerkt Schertz sichtlich verstört.

Mit dem Urteil folgen die Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung wies im Prozess den Mordvorwurf hingegen zurück und plädierte höchstens auf fahrlässige Tötung. „Mit Fahrlässigkeit hat das nichts mehr zu tun“, hält Schertz dem entgegen. Die Männer hätten „mit dem Leben anderer Menschen gespielt“.

Das Gericht sieht darüber hinaus die drei Mordmerkmale als erfüllt an: Als „gemeingefährliches Mittel“ dienten demnach die Autos, um „Heimtücke“ handle es sich ob der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. „Niedrige Beweggründe“ seien durch das Missverhältnis zwischen dem Anlass – dem Autorennen und eigenem Geltungsdrang – sowie der Tat gegeben.

Die Kammer ordnet an, beiden Männer ihre Fahrerlaubnis zu entziehen. Sie spricht außerdem eine fünfjährige Führerscheinsperre aus. Binnen einer Woche können die Männer Revision einlegen. Es ist damit zu rechnen, dass der Fall erneut vor dem BGH landet.

Eine erste Neuauflage des Prozesses wurde im vergangenen August nach einem erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen die Richter ausgesetzt. Seit November wurde der Fall neu verhandelt.

Inzwischen handelt es sich aber nicht mehr um das erste Mordurteil in einem Raserprozess: Seit Anfang März ist die Verurteilung eines Hamburger Rasers wegen Mordes zu lebenslanger Haft rechtskräftig, der mit einem gestohlenen Taxi einen tödlichen Unfall verursachte. (afp)



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