Biber, Eichhörnchen & Co.: Mehr „Öko-Ingenieure“ helfen dem Artenschutz

Tierische „Öko-Ingenieure“ wie Biber, Eichhörnchen und Elefanten tragen maßgeblich zum Schutz der Artenvielfalt bei. Zu diesem Ergebnis kommen kalifornische Forscher. Je mehr dieser Arten in einem Ökosystem vertreten sind, desto geringer ist das Artensterben.
Ein Biber in den Rocky Mountains.
Ein Biber in den Rocky Mountains.Foto: iStock
Von 6. Juli 2020

Nach tierischen Ingenieuren gefragt, denken viele Menschen an den Biber. In der Tat, die Baum fällenden, Staudamm bauenden Nagetiere können die Landschaft formen, indem sie Seen anlegen und den Verlauf von Flüssen verändern – und das mit großem Erfolg. Aber sie sind bei weitem nicht die einzigen tierischen „Öko-Ingenieure“.

Als Ökosystemingenieur gelten alle Organismen, deren Einfluss auf die Umwelt die eigene Lebenszeit überdauert. Angefangen vom Biber, dessen Staudämme einige Jahre halten, über Eichhörnchen, die aus Vergesslichkeit ganze Wälder pflanzen, oder Elefanten, deren Trampelpfade Generationen überdauern. Nach Justin Yeakel, Forscher der Universität von Kalifornien in Merced (UCM), ist der beste biologische Baumeister viel kleiner: Der Schiffsbohrwurm frisst sich in Bächen durch Felsen und schafft so Behausungen für künftige wirbellose Bewohner.

In einer neuen Studie untersuchte ein Forscherteam um Yeakel, welche Rolle die tierischen Wasserbauingenieure, Landschaftsarchitekten und Gärtner wirklich spielen. In den „Environmental Research Letters“ veröffentlichten sie ihre Ergebnisse.

„Mehr Ingenieure stabilisieren das System“

„Wir wollten verstehen, wie Nahrungsnetze und Interaktionen aufgebaut werden“, sagte Yeakel. Um die gegenseitige Beeinflussung der Arten, aber auch die zwischen der Umwelt und der Arten, zu berücksichtigen, griffen die Forscher auf die Technik zurück. Trotz einfacher Zusammenhänge – „A frisst B“ oder „C braucht D und E zum Leben“ – seien die resultierenden Modelle recht komplex.

Insbesondere beinhalten die Untersuchungen, wie Nahrungsnetze aufgebaut werden können, wie sich die Interaktionen der Arten im Laufe der Zeit ändern können und wann Arten aussterben. Ein bemerkenswertes Ergebnis: Wenige Ökosystemingenieure führten zu vielen Ausrottungen und Instabilität, während viele Ökosystemingenieure zu Stabilität und weniger Aussterben führten.

„Wenn man die Zahl der Ingenieure erhöht, erhöht das auch die Redundanz der Ingenieure, und das führt tendenziell zu einer Stabilisierung des Systems“, sagte Yeakel.

Keine Flüsse, keine Arten: Die Natur als Netzwerk von Interaktionen

Ihr endgültiges Modell ist stark abstrahiert. Es gibt keine spezifischen Arten wie Biber oder konkrete Umweltmerkmale wie Flüsse oder Wälder. Alles ist auf Interaktionen reduziert: Arten können fressen, etwas brauchen oder produzieren. Zum Beispiel fressen Bienen Nektar von Blumen; Blumen brauchen Bienen, um bestäubt zu werden; Bäume spenden Schatten, den Blumen brauchen. In diesem Sinne wird die Natur zu einem Netzwerk von Interaktionen.

Darüber hinaus gaben die Forscher dem Modell nach eigenen Angaben „eine kleine Anzahl von Regeln“. Die wichtigste lautet: Arten müssen nur eine Sache fressen, um zu überleben, aber sie müssen alle Dinge bekommen, die sie brauchen. Weniger abstrakt ausgedrückt: Selbst wenn eine Blütenart aussterben sollte, könnten die Bienen vom Nektar anderer Blüten überleben. Aber wenn entweder Bienen oder Bäume nicht für Bestäubung oder Schatten sorgen, dann sterben die Blumen aus.

Auf diesen Annahmen basierende ökologische Netzwerke ähneln denen der realen Welt, einschließlich der für die Artenvielfalt charakteristischen Sanduhrform. So gibt es auch in den Modellen mehr Vielfalt am oberen und unteren Ende des Netzes, weniger in der Mitte.

Für zukünftige Forschungen plante Yeakel zudem die Dynamik der Evolution einzubeziehen. Dann könnten Arten – nach Vorbild der echten Natur – im Laufe der Zeit ändern, was sie essen, brauchen und herstellen. Außerdem fragte der Forscher, ob der Mensch nicht zu schnell für die Natur ist. Im Gegensatz zu unseren photosynthetischen Vorgängern, jenen Bakterien, die die Erde vor 2,5 Milliarden Jahren mit Sauerstoff versorgten, „nehmen wir Veränderungen auf ökologischen Zeitskalen und nicht auf evolutionären Zeitskalen vor“, so Yeakel. Ein Ingenieur, der die Umwelt zu schnell verändert, könnte zum Aussterben verurteilt sein.

Biber knabbern am Permafrost

Zu schnell könnten auch die Biber arbeiten. Untersuchungen des Alfred-Wegener-Instituts, des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam zeigen, dass der Nordamerikanische Biber „äußerst effektiv“ vorgehe, so Dr. Ingmar Nitze. Oft bauen sie ihre Dämme genau an den Stellen, an denen sich mit wenig Aufwand ein großer Effekt erzielen lässt. Auf diese Weise setzen sie kleine Täler unter Wasser und schaffen neue Seen, die durchaus ein paar Hektar groß werden können.

Statt kleinen Bächen, in denen das wärmere Wasser über den Dauerfrostboden fließt, könnten riesige Wärmereservoirs entstehen, die langsam den Permafrost auftauen. Während die entstanden Seen so immer tiefer werden, setzten die schmelzenden Böden verschiedene Gase frei, die wiederum zu einer Erwärmung führen könnten.

Ebenfalls in „Environmental Research Letters“ berichten die Forscher über ihre Forschungen anhand von Satellitenbildern, die einen starken Anstieg der Biberaktivitäten belegen. So entstanden in einem etwa 18.000 Quadratkilometer großen Gebiet im Nordwesten Alaskas in nur fünf Jahren 56 neue Seen. In anderen Regionen stieg die Zahl deutlich und verdoppelt sich „ungefähr alle vier Jahre“.

Insgesamt habe sich die Wasserfläche in der Region Kotzebue (nordöstlich der Beringstraße) zwischen 2002 und 2019 um 8,3 Prozent vergrößert. Etwa zwei Drittel dieses Zuwachses gingen auf das Konto von Bibern. Nitze sagte daher: „Wer die Zukunft des Permafrost abschätzen will, sollte auch an Biber denken.“



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