„Synchronizität“ – Mysteriöse Zufälle im Blick der Forschung

Gestern dachte man an einen alten Freund, den man lange nicht mehr gesehen hat, und heute begegnet man ihm plötzlich auf der Straße. In der Psychologie werden solche Ereignisse, in denen es scheinbar keine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung gibt, als „Synchronizität“ bezeichnet. Was steckt dahinter?
Titelbild
Laut dem Biologen Dr. Rupert Sheldrake manifestiert sich ein mentales Feld, das über den Körper hinausgeht, in der physischen Welt.Foto: AntonioGuillem/iStock
Von 21. Juli 2022

Jeder kennt das: Man denkt aus heiterem Himmel an jemanden und plötzlich ruft diese Person an. Dieses Phänomen ist als „Synchronizität“ bekannt und wurde vom Psychiater und Psychoanalytiker Carl Jung geprägt. Dabei handelt es sich um ein inneres Ereignis (Gefühle, Ideen, Träume), das sich in der physischen Welt manifestiert. 

Jung erforschte dieses Phänomen aus psychologischer Sicht, doch auch Naturwissenschaftler befassen sich damit. Ein solcher Wissenschaftler ist der Biologe Dr. Rupert Sheldrake.

Sheldrake, der unter anderem in dem Bereich Entwicklungsbiologie an der Universität Cambridge forschte, verbrachte Jahrzehnte damit, Beweise für die physische Existenz eines mentalen Feldes zu sammeln, das über den Körper hinausgeht. Sein Spezialgebiet ist „der erweiterte Geist“.

Bei dem Webinar „Jung and Sheldrake: Synchronicity & the Extended Mind“ (auf Deutsch etwa: „Jung und Sheldrake: Synchronizität und der erweiterte Geist“) sprach Sheldrake mit dem Psychologen und Schriftsteller Gary Bobroff. Das Gespräch drehte sich um die Synchronizität aus einer Vielzahl von Perspektiven. Später sprach Bobroff mit der Epoch Times über das Thema.

Sheldrake: Menschen spüren, wenn jemand sie beobachtet

Ausgehend von Sheldrakes Forschungen über den „erweiterten Geist“, könne die Diskussion über Synchronizität in der Naturwissenschaft verankert werden, meinte Bobroff.

Dabei erwähnte er Sheldrakes Untersuchungen über das Gefühl, beobachtet zu werden. So wüssten Kaufhausdetektive, Zollfahnder an Flughäfen, Privatdetektive und Kampfsportler, dass Menschen spüren, wenn sie von anderen beobachtet werden. Sheldrake sprach im Jahr 2014 auf dem Symposium „Synchronicity: Matter & Psyche“ („Synchronizität: Materie und die Psyche“) über dieses Thema.

Ihm zufolge werden Auszubildende der britischen Streitkräfte angewiesen, Menschen nicht auf den Rücken zu schauen, wenn sie ihnen folgen, weil sie sich dann wahrscheinlich umdrehen würden. 

Laut Bobroff wurde sein Cousin, ein Reservist der kanadischen Streitkräfte, ebenfalls darauf trainiert, eine Person, an die er sich heranschleichen will, nicht direkt anzuschauen. Kampfsportler hingegen trainieren, um ihre Sensibilität für die Blicke anderer zu erhöhen, damit sie es wahrnehmen können, wenn ein Gegner sich ihnen nähert.

In diesem Zusammenhang zitierte Sheldrake eine Studie des Wissenschaftsmuseums NeMo in Amsterdam, in der Zehntausende Menschen prüfen sollten, ob sie richtig einschätzen können, ob jemand sie beobachtet.

In der Studie wurde einer Person nach dem Zufallsprinzip gesagt, ob sie die Versuchsperson anschauen oder wegschauen und an etwas anderes denken sollte. Die Versuchsperson musste innerhalb von 10 Sekunden entscheiden, ob sie angeschaut wurde oder nicht. Die Erfolgsquoten lagen deutlich über dem Zufall. Kinder unter neun Jahren waren besonders empfindlich.

„Lehrer nutzen die Macht des Blicks ständig“, sagte Sheldrake.

Er sprach auch über eine Studie der Anthropologin Dr. Marilyn Schlitz, der zufolge Versuchspersonen eine galvanische Hautreaktion (ein Maß für die Intensität des mentalen Zustands einer Person) zeigten, wenn sie über Überwachungskameras beobachtet wurden.

Diese und andere Studien, die Sheldrake begutachtete oder durchführte, deuten seiner Meinung nach darauf hin, dass der Geist über den Körper hinaus eine gewisse physische Wirkung zeigen könne. Bei der Synchronizität scheinen der Geist eines Menschen und die Welt um ihn herum auf mysteriöse Weise miteinander verbunden zu sein.

Emotionen und ihre Rolle bei der Synchronizität

Bobroff merkte an, dass Sheldrakes Arbeit auch die Rolle der Emotionen bei der Entstehung von Synchronizität hervorhebt.

Als Sheldrake sich wissenschaftliche Studien über Psi (Psi bezieht sich auf alle übersinnlichen Phänomene wie Telekinese, Telepathie oder Hellsehen) aus dem vergangenen Jahrhundert ansah, stellte er fest, dass die höchsten Erfolgsquoten bei Verwandten – und insbesondere bei Zwillingen – zu verzeichnen waren. 

Die schlechtesten Erfolgsquoten hatten diejenigen, die nicht an Psi glaubten. Diese Menschen schnitten unterdurchschnittlich ab. Sie zeigten ein statistisch signifikantes Ergebnis unterhalb des Zufalls, was darauf hindeutet, dass sich Unglaube negativ auf Psi auswirken kann – was ironischerweise die Hypothese unterstützt, dass Psi existiert.

Emotionale Bindungen und Einstellungen scheinen den Teil des Geistes, der über den Körper hinausgeht, zu beeinflussen (entweder zu stärken oder zu schwächen).

„Es gibt keine Synchronizität ohne Gefühle“, sagte Bobroff. „Irgendwie können Eltern wissen, ob ihr Sohn oder ihre Tochter am anderen Ende der Welt in Gefahr ist. Es ist möglich, dass diese erweiterten Bewusstseinsfelder nicht nur mentale Felder sind, sondern auch emotionale.“

Psychologie: Synchronizitäten als Hinweise, um nach innen zu schauen

Jung habe davor gewarnt, Synchronizitäten auf eine Weise zu analysieren, die auf dem Ego basiert, erklärte Bobroff. Ein Zufall im Zusammenhang mit einer romantischen Beziehung bedeutet zum Beispiel nicht unbedingt, dass diese Beziehung „vorbestimmt“ sei. Wir sollten Synchronizitäten keine Bedeutung nach unseren Vorstellungen geben.

Dazu gab Bobroff ein Beispiel aus seinem Leben. Einmal fuhr er auf dem Highway in Richtung der Stadt Calgary in der Provinz Alberta, Kanada. Er hielt an, um zu tanken, und begegnete seiner Ex-Freundin aus der Schulzeit. Sie war ebenfalls auf dem Weg nach Calgary. Sie stellten fest, dass es auf den Tag genau zehn Jahre her war, dass sie als Paar nach Calgary gereist waren.

„Ich glaube nicht, dass es unbedingt die Antwort des Egos auf die Frage war, ob wir wieder zusammenkommen sollten“, sagte er. Stattdessen gebe es einfach „etwas in unserer Welt, das Herzensverbindungen ehrt“.

Er besinnt sich auch auf die alten chinesischen Denkweisen, um Synchronizität zu verstehen, so der Psychologe. „Bin ich aufrichtig in meiner Beziehung zum Universum?“, frage er sich immer selbstkritisch. Er mache sich Gedanken darüber, zu welchen Veränderungen er in Zukunft aufgerufen sei. Auch Jung verstand Synchronizitäten als Hinweise, um nach innen zu schauen und sich zu besinnen.

Für Bobroff bringt die Synchronizität Geist und Materie wieder zusammen. Durch sie werde das Mysteriöse, die Magie, der Geist in eine Zeit gebracht, in der „wir so sehr von uns selbst eingenommen sind, dass wir denken, wir hätten die Welt erfunden“, schloss der Psychologe ab.

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel: ‘Extended Mind’ Researcher Explains the Science Behind Mystical-Seeming ‚Synchronicity’ (deutsche Bearbeitung von as)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion