Teleskop „IceCube“ sucht mit Neutrinos nach Super-Beschleunigern

Teilchen mit extrem hohen Energien wurden entdeckt, stellen aber gleichzeitig die Frage nach deren Quelle. Infrage kommen eigentlich nur die gewaltigen Gamma-Strahlen-Ausbrüche.
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Illustration der empfindlichen optischen Sensoren von IceCube, von denen mehr als 5000 bis zu 2,5 Kilometer tief im ewigen Eis der Antarktis eingelassen sind. (Bild: IceCube)
Epoch Times21. Mai 2012

Aus dem Kosmos prasseln Teilchen auf die Erdatmosphäre, die millionenfach höhere Energie enthalten als die im stärksten Beschleuniger der Erde. Wie die sogenannte kosmische Teilchenstrahlung so stark beschleunigt wird, ist allerdings noch weitgehend rätselhaft. Mit dem weltgrößten Neutrinoteleskop IceCube in der Antarktis haben Forscher festgestellt, dass eine der vermuteten Arten kosmischer Super-Beschleunigung möglicherweise doch nicht für die energiereichsten Teilchen verantwortlich ist. Damit wird eine der beiden führenden Hypothesen zum Ursprung der höchstenergetischen kosmischen Teilchen infrage gestellt, wie das internationale Forscherteam im britischen Fachjournal „Nature“ berichtet.

Die vor hundert Jahren entdeckte kosmische Strahlung bewirkt einen beständigen Teilchenhagel aus dem All. Manche Wasserstoff-Atomkerne (Protonen) darin haben so viel Energie wie ein schnell geschlagener Tennisball – dabei ist der Durchmesser eines Tennisballs 40 Billionen Mal größer. „Wir wissen, dass es diese hochenergetische kosmische Strahlung gibt, aber wir wissen nicht, woher sie kommt“, betont DESY-Forscher Prof. Alexander Kappes, der mit dem Neutrinoteleskop dem Ursprung der kosmischen Strahlung auf der Spur ist. Die Teilchen der kosmischen Strahlung sind elektrisch geladen und werden auf ihrem Weg durchs All von zahlreichen Magnetfeldern abgelenkt. Daher lässt sich aus der Richtung, aus der sie die Erde treffen, nicht mehr auf ihre Quelle schließen.

Aussichtsreiche Kandidaten für die Quellen der höchstenergetischen Teilchen sind supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum aktiver Galaxien und sogenannte Gamma Ray Bursts (GRB). „Gamma Ray Bursts sind – nach dem Urknall – die gewaltigsten Explosionen, die wir im Kosmos kennen“, erklärt Kappes, der auch Gastprofessor an der Berliner Humboldt-Universität ist. Sie überstrahlen für einige Sekunden das gesamte restliche Universum im Bereich der Gammastrahlung. Man nimmt an, dass es sich bei langen Gamma Ray Bursts, die länger als zwei Sekunden lang aufflackern, um den Kernkollaps eines massereichen Sterns in einer fernen Galaxie handelt, wobei ein Schwarzes Loch entsteht.

Dieser Prozess setzt genug Energie frei, um die subatomaren Teilchen der kosmischen Strahlung auf die beobachteten Energien zu beschleunigen. Allerdings müssten neben den energiereichen Atomkernen auch Neutrinos entstehen. Diese geisterhaften Elementarteilchen sind ultraleichte Cousins des Elektrons, die durch fast alles ungehindert hindurchfliegen. Um sie nachzuweisen, muss man riesige Detektoren einsetzen. Das Neutrinoteleskop IceCube benutzt das ewige Eis des Südpols als Teil des Detektors. IceCube späht unter der Eisdecke mit mehr als 5000 einzelnen optischen Sensoren (Photomultipliern) in rund einem Kubikkilometer antarktischem Eis nach den extrem seltenen Zusammenstößen eines Neutrinos mit einem Atomkern.

Mit diesem weltweit empfindlichsten Neutrinoteleskop hat das internationale IceCube-Forscherteam rund 300 Gamma Ray Bursts in den Jahren 2008 bis 2010 untersucht. Wenn Gamma Ray Bursts die Quelle der höchsten energetischen kosmischen Teilchenstrahlung sind, müssten nach den Ausbrüchen nicht nur Gammastrahlen, sondern auch Neutrinos auf direktem Weg die Erde erreichen. Denn Neutrinos sind elektrisch neutral und werden daher nicht von Magnetfeldern abgelenkt. „Für unsere Forschungen steht uns erstmals ein ausreichend empfindliches Instrument zur Verfügung, das einen neuen Blick auf die Erzeugung der kosmischen Strahlung und auf die inneren Prozesse von Gamma Ray Bursts eröffnet“, unterstreicht IceCube-Sprecher Prof. Greg Sullivan von der amerikanischen Universität Maryland.

Doch IceCube fand in den zwei Jahren Untersuchungszeit überraschenderweise kein einziges Neutrino, das zu einem der untersuchten rund 300 Ausbrüche passt. „Aus dieser Beobachtung ergeben sich zwei Möglichkeiten“, betont Kappes. „Entweder ist unsere Vorstellung, dass Gamma Ray Bursts eine Hauptquelle der extrem energiereichen kosmischen Strahlung sind, falsch. Oder unsere Rechenmodelle von den Vorgängen in einem Gamma Ray Burst beruhen auf falschen oder zu stark vereinfachten Annahmen.“ In jedem Fall müssen die gegenwärtigen Modelle über die Entstehung von kosmischer Strahlung und Neutrinos in Gamma Ray Bursts überarbeitet werden.

„Obwohl wir nicht herausgefunden haben, woher die kosmische Strahlung kommt, haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, um eine der bevorzugten Vorhersagen ausschließen zu können“, präzisiert IceCube-Projektleiter Prof. Francis Halzen von der amerikanischen Universität Wisconsin. Mit der vollen Ausbaustufe und mit zunehmender Messzeit wird IceCube in den kommenden Jahren sicherlich wichtige Informationen zur Klärung dieser Frage liefern. (Dr. Thomas Zoufal)

(idw)

 



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