Tonvasen als Audiorekorder?

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Während eine Tonvase entsteht, könnten Schwingungen von Umgebungsgeräuschen im Ton eingefangen werden.Foto: Noah Seelam/GettyImages/AFP
Von 1. Februar 2011

Als der Franzose Édouard-Léon Scott de Martinville am 9. April 1860 seine ersten Versuche mit akustischen Aufzeichnungen unternahm, waren seine Ergebnisse weit davon entfernt, eine Tonspur zu hinterlassen, die von zukünftigen Generationen reproduziert werden konnte.

Zu jener Zeit konnte er in seinen Labors lediglich die Schallwellen der menschlichen Stimme erfassen und auf dickes, weiches Papier übertragen; er hätte sich niemals vorstellen können, dass die Schwingungen, die sein „Phonograph“ aufzeichnete, irgendwann wieder zu Gehör gebracht werden könnten.

Erst 148 Jahre später, im Jahr 2008, ertönten zum ersten Mal Scotts Aufnahmen mit Hilfe eines komplexen Computerprogramms, das von der Forschungsbibliothek des US-Kongresses der Vereinigten Staaten entwickelt worden war.

Eine alte französische Melodie „Au clair de la lune“, gesungen von einer weiblichen Stimme, und von Scott für immer in den Gefilden von Papierlagen verloren geglaubt, belebte wieder den Äther.

Das Ton-Fragment von gerade einmal xx Sekunden Länge wurde nach anderthalb Jahrhunderten wieder zum Leben erweckt. Seit dem theoretisieren viele Wissenschaftler über die Möglichkeit, Klänge zu reproduzieren – wie im Fall von Scotts Phonographen -, die unabsichtlich von unseren Vorfahren auf weichen Oberflächen hinterlassen wurden.

Vasen die sprechen

Unter Wissenschaftlern kursiert der weit verbreitete Mythos über die Möglichkeit, uralter Keramik Stimmen entlocken zu können, die aufgefangen wurden, als der Ton noch feucht war.

Um Vasen mit Mustern zu dekorieren, benutzten Handwerker vielleicht einen Strohhalm, um damit die Oberfläche der sich drehenden Keramik zu verzieren. Hierbei könnten unbeabsichtigt Schallschwingungen aus der Umgebung aufgezeichnet worden sein. Wie bei einer Schallplatte könnte der Strohhalm eine Art Tonrille auf dem weichen Lehm hinterlassen haben.

Die Reproduktion solcher Klänge mithilfe moderner Technologie ist ein Teil der Debatte, die unter Spezialisten geführt wird.

Kann eine Vase während ihrer Herstellung Klänge aus der Umgebung aufzeichnen, indem sie mit einem schwingenden Werkzeug geritzt wird? Und weiter: Ist die Wissenschaft in der Lage bzw. ist sie künftig dazu in der Lage, solche Aufzeichnungen hörbar zu machen?

Die Geschichte der Tonaufzeichnung durch das Einritzen von Tonspuren in Oberflächen geht zurück bis auf das Jahr 1888, als Thomas Edison Klänge auf Metalloberflächen und später auf Bienenwachs übertrug. Diese Ereignisse sind somit Teil der Geschichte der „absichtlichen“ Erzeugung von Tonaufnahmen, die der unbeabsichtigten Aufnahme durch Scott folgten. Was aber ist mit den unbeabsichtigten Aufzeichnungen die vielleicht von Uhrmachern und anderen Handwerkern und Künstlern zufällig auf bearbeiteten Oberflächen in der Vergangenheit hinterlassen wurden.

„Blau!“

Es wurden schon viele Versuche unternommen, um einer Keramik die auf einer Drehscheibe entstand Klänge zu entreißen, bisher aber ohne klare Resultate. Richard G. Woodbridge, ein Forscher, dessen Arbeit 1969 in den Tagungsbändern der IEEE erschien, bestätigte, den Klang seines 60-Hertz-Motors reproduziert zu haben, der zu hören war, während er eine Vase modellierte.

Bei einem weiteren Experiment behauptete Woodbridge, Musikspuren in Gewebe entdeckt zu haben, das Vibrationen ausgesetzt war, während er es mit blauer Farbe bemalte. Der Forscher sagte sogar, dass er das Wort „Blau“, das er ausrief als er den Pinsel bewegte, gefunden habe.

Als Wissenschaftler von „MythBusters“, einem beliebten amerikanischen Fernsehprogramm, im Jahr 2006 Tests an Tonvasen durchführten, konnten sie leider nicht viel mehr als nur akustischen Kauderwelsch hörbar machen, nichts, das einer menschlichen Stimme ähnelte. Jedoch wurden die Klänge mit einer Kristallnadel abgenommen, eine Methode die wahrscheinlich weniger geeignet ist, wenn eine authentische Klangreproduktion gewünscht wird.

Außerdem entdeckte der schwedische Akustiker Professor Mendel Kleiner, dass sich die Töpferscheibe mit hoher Geschwindigkeit drehen muss, um die Vibration exakt einfangen zu können.

Mythos oder defekte Technik?

Seit Beginn der Forschung im Bereich Akustik scheinen von den Metallwalzen bis zur CD große Fortschritte gemacht worden zu sein. Das „Lesen“ von Keramikvasen bleibt allerdings bis heute eine große Herausforderung.

Wie viele Experimente gezeigt haben, wird die Vibration eines Strohhalms, der die weiche Oberfläche einer Tonform ritzt, oft von stärkeren Schwingungen, wie etwa dem Puls des Künstlers, überdeckt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Reproduktion unmöglich wäre. Vielleicht bringt eine andere Technologie – wie zum Beispiel das optische Auslesen mit einem Laser – bessere Resultate.

Von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtet, könnte die ganze Welt voller akustischer Aufzeichnungen aus früheren Zeiten sein. Wir benötigen lediglich die Mittel, um diese wieder hörbar zu machen. Natürlich ist das rein hypothetisch, aber sollte es Wirklichkeit werden, könnten wir mit einer wesentlich fortschrittlicheren Technologie vielleicht die Klänge, die im Laufe der Geschichte in den Millionen Pinselstrichen auf Wänden, Gemälden, Geschirr und anderen Kreationen festgehalten wurden, wieder hörbar machen.

Artikel auf Englisch: Clay Vases As Sound Recorders?

 

 



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