„Unbekannter als der Mars“ – Garten aus Weichkorallen in der grönländischen Tiefsee entdeckt

500 Meter unter der Meeresoberfläche und in völliger Dunkelheit „erblüht“ vor Grönland ein einzigartiger Garten. Forscher haben in bis zu 1.500 Metern Tiefe einen „abwechslungsreichen Lebensraum“ voller Steinkorallen, Seelilien sowie Haarsternen und Schwämmen entdeckt. Weltweit bewohnen über 2.000 Arten die größtenteils unerforschte Tiefsee.
Weichkorallen vor Grönland
Ein Bild vom Schlitten aus zeigt eine hohe Dichte von Anemonen.Foto: ZSL/GINR
Von 29. Juni 2020

Wissenschaftler des University College London (UCL), der Zoologischen Gesellschaft London (ZSL) und des Grönländischen Instituts für Naturressourcen haben vor der dänischen Insel einen Lebensraum für Tiefsee-Weichkorallen entdeckt. Behilflich war den Forschern dabei ihre selbstgebaute und innovative Videokamera, mit der sie ihre Entdeckungen dokumentierten.

Den Garten aus Weichkorallen stellen die Wissenschaftler in einer Studie der aktuellen Ausgabe von „Frontiers in Marine Science“ vor. Diese legt dar, dass die neueste Entdeckung der erste Lebensraum dieser Art ist, der in westgrönländischen Gewässern identifiziert wurde.

Erforschung der Weichkorallen vor Grönland

Eisberge um das GINR-Forschungsschiff „Paamiut“ vor Grönland. Foto: Stephen Long

Tiefsee weniger interessant als der Mars

Wie die Forscher mitteilen, hat die Studie direkte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Nutzung der Tiefsee, insbesondere der Schleppnetzfischerei, welche unmittelbar an diesen Lebensraum angrenzt. Aktuell hoffen die Wissenschaftler, dass das 486 Quadratkilometer große Gebiet nach den UN-Richtlinien als „empfindliches marines Ökosystem“ anerkannt und künftig geschützt wird.

„Die Tiefsee wird bei der Erforschung oft übersehen. Tatsächlich haben wir bessere Karten von der Marsoberfläche als von der Tiefsee“, sagte Stephen Long, Erstautor der Studie. „Die Entwicklung einer kostengünstigen Technik, die der Umwelt in der Tiefsee standhalten kann, eröffnet zudem neue Möglichkeiten für unser Verständnis der marinen Ökosysteme. Wir werden mit der grönländischen Regierung und der Fischereiindustrie zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass dieser zerbrechliche, komplexe und schöne Lebensraum geschützt wird“, ergänzte Long.

Erforschung der Weichkorallen

Die vom GINR-Forschungsschiff „Paamiut“ beobachteten Nordlichter. Foto: Mona Fuhrmann

Weichkorallen zwischen Seelilien, Haarsternen und Schlangensternen

Der Garten aus Weichkorallen befindet sich in nahezu völliger Dunkelheit 500 Meter unter der Meeresoberfläche. Hier herrscht ein Druck, der 50 Mal höher ist als an der Oberfläche. In diesem empfindlichen und abwechslungsreichen Lebensraum gibt es reichlich Steinkorallen, Seelilien und Haarsterne sowie Schwämme, Anemonen, Schlangensterne, Hydrozoen, Moostierchen und andere Organismen.

„Korallengärten zeichnen sich durch Sammlungen einer oder mehrerer Arten aus (typischerweise keine riffbildenden Korallen), die auf einer Vielzahl von Hart- und Weichbodenlebensräumen, von Felsen bis Sand, sitzen und eine vielfältige Fauna beherbergen. Es gibt eine beträchtliche Vielfalt unter den Korallengemeinschaften, die zuvor in Gebieten wie Island beobachtet wurden“, sagte Dr. Chris Yesson vom ZSL.

Die Entdeckung ist besonders bedeutsam, da die Tiefsee der am wenigsten bekannte Lebensraum der Erde ist, obwohl sie der größte ist und 65 Prozent des Planeten bedeckt. Bis vor kurzem wusste man sehr wenig über Grönlands Tiefseelebensräume; deren Beschaffenheit, Verbreitung und den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf sie.

Weichkorallen-Garten vor Grönland

Ein Bild vom Schlitten aus zeigt den Korallengarten-Lebensraum mit einer hohen Vielfalt an Tieren wie Schwämmen, Anemonen und Federsternen. Foto: ZSL/GINR

Als zu schwierig für Erforschung empfunden

Die Vermessung der Tiefsee hat sich in der Regel als schwierig und teuer erwiesen. Ein wichtiger Faktor ist, dass der Wasserdruck pro 10 Meter des Abstiegs um ein Bar steigt. Daher waren Tiefseevermessungen oft nur mit teuren, ferngesteuerten Fahrzeugen und bemannten Tauchbooten möglich.

Das britisch-grönländische Forschungsteam hat diese Herausforderung gemeistert, indem es einen stählernen Schlitten entwickelte. Auf diesem montierten sie anschließend eine Videokamera, Beleuchtung und Laser in speziellen Druckgehäusen.

Videoschlitten zur Erforschung der Weichkorallen

Der eingesetzte Tiefsee-Schlitten mit einer Videokamera in der Mitte. Foto: Stephen Long

Den Videoschlitten in der Größe eines VW Polo platzierten die Wissenschaftler danach für jeweils 15 Minuten auf dem Meeresboden. Diesen Vorgang wiederholten sie 17 Mal an unterschiedlichen Stationen. Aus dem Videomaterial suchten die Forscher anschließend 1.239 Bilder zur weiteren Analyse aus.

Insgesamt machten die Forscher 44.035 Aufnahmen von ausgewählten Faunen. Die häufigsten Arten waren Anemonen (15.531) und Steinkorallen (11.633).

„Ein Videoschlitten ist nicht einzigartig, jedoch ist er das erste Beispiel für die Erkundung von Tiefseelebensräumen in Grönlands 2,2 Millionen Quadratkilometer großer Meeresfläche. Das Team konnte eine beeindruckende Tiefe von 1.500 Metern erreichen. Außerdem hat er bemerkenswert gut gearbeitet und das Interesse von Forschern in anderen Teilen der Welt geweckt“, sagte Long.

Weichkorallen vor Grönland

Ein Bild vom Schlitten aus zeigt eine hohe Dichte von Anemonen. Foto: ZSL/GINR

Schutz der Weichkorallen und Wirtschaft miteinander vereinen

Dr. Yesson fügte hinzu: „Angesichts der Tatsache, dass der Ozean der größte Lebensraum der Erde ist und derjenige, über den wir am wenigsten wissen, halten wir es für äußerst wichtig, preiswerte, zugängliche Forschungsinstrumente zu entwickeln.“

„Der Meeresboden Grönlands ist praktisch unerforscht, obwohl wir wissen, dass mehr als 2.000 verschiedene Arten ihn bewohnen. Diese bilden zusammen komplexe und vielfältige Lebensräume und tragen zum Funktionieren des Meeresökosystems bei“, erklärte Dr. Martin Blicher vom Grönländischen Institut für natürliche Ressourcen.

„Obwohl wir so wenig über diese Lebensräume des Meeresbodens wissen, hängt die grönländische Wirtschaft von einer kleinen Anzahl von Fischereien ab, die den Meeresboden durchziehen. Wir hoffen, dass Studien wie diese unser Verständnis der ökologischen Zusammenhänge verbessern und zu einem nachhaltigen Fischereimanagement beitragen werden.“



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