Was wiegen „Geisterteilchen“? Forscher gelingt Messung

Vor nicht einmal 100 Jahren erahnten Physiker die Existenz sogenannter Neutrinos. Doch diese Elementarteilchen sind kaum zu vermessen. Nun sind Forscher beim Gewicht einen Schritt weiter.
Ein Mitarbeiter des Karlsruher Tritium Neutrino Experiments (Katrin) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) blickt auf das Hauptspektrometer der Anlage. Mit dem Experiment soll die Masse von Neutrinos mit bis dato nicht möglicher Genauigkeit gemessen werden.
Ein Mitarbeiter des Karlsruher Tritium Neutrino Experiments (Katrin) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) blickt auf das Hauptspektrometer der Anlage. Mit dem Experiment soll die Masse von Neutrinos mit bis dato nicht möglicher Genauigkeit gemessen werden.Foto: Uli Deck/dpa
Epoch Times14. Februar 2022

Ein internationales Forscherteam hat mithilfe einer riesigen, tonnenschweren Waage am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen Erfolg in der Teilchenphysik erzielt.

Die Wissenschaftler haben das leichteste bekannte Teilchen des Universums gewogen, das Neutrino. Die Maßeinheit hierfür lautet nicht Gramm, sondern Elektronenvolt (eV). Mit ihren Experimenten konnten die Experten 0,8 eV als Obergrenze für die Neutrinomasse bestimmen, wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten. Damit wurde die sogenannte 1-eV-Barriere durchbrochen. Fachleute feiern das als großen Erfolg.

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen und könnten eine wichtige Funktion bei der Bildung des Universums gehabt haben. Sie werden unter anderem bei Kernfusionen in der Sonne freigesetzt und spielen bei radioaktiven Zerfällen von Atomkernen sowie Supernova-Explosionen im Weltall eine Rolle.

Zudem sind sie überall, sie sind die häufigsten Elementarteilchen im Universum: Allein durch einen Finger strömen jede Sekunde Milliarden von ihnen. Weil sie so gut wie nicht mit ihrer Umgebung wechselwirken, merkt man davon nichts. Auch Planeten wie die Erde stoppen Neutrinos nicht.

Bisher fehlten Geräte, um Neutrinos zu untersuchen

Das macht es schwer, sie zu erfassen. 1930 postulierte der österreichische Nobelpreisträger Wolfgang Pauli erstmals die Existenz der Teilchen. Hintergrund war, dass beim Zerfall von Atomkernen Messdaten für Neutronen und Elektronen nicht zum Grundsatz der Energieerhaltung in der Physik passten – ein bisschen was fehlte oft.

Erst mehr als zwei Jahrzehnte später wurden die Neutrinos dann nachgewiesen und galten lange sogar als masselos. Wegen ungenauer Messapparaturen konnte man bisher auch kaum mehr über Neutrinos sagen. Sie widersetzen sich gewissermaßen der wissenschaftlichen Beobachtung und werden daher auch „Geisterteilchen“ genannt.

Hier setzt das Karlsruhe-Tritium-Neutrino-Experiment, kurz „Katrin“, an: In der 70 Meter langen Anlage wird im Vakuum die Energieverteilung beim Zerfall von Tritium gemessen. Das ist ein instabiles Wasserstoff-Isotop.

Aus den Werten lässt sich die Masse der Neutrinos bestimmen. 2019 wurde „Katrin“ in Betrieb genommen. Im Laufe der Zeit machten die Forscher die Instrumente immer präziser. Das KIT spricht von der genauesten Waage der Welt. Zudem musste jeder Einfluss auf die Neutrinomasse detailliert untersucht werden, um störende Effekte auf das Resultat auszuschließen.

Bis 2025 sollen Messungen zur Neutrinomasse verfeinert werden

„Die Teilchenphysik-Gemeinschaft ist begeistert, dass die 1-eV-Barriere von Katrin durchbrochen wurde“, zitierte das KIT den beteiligten Neutrinoexperten John Wilkerson von der University of North Carolina in einer Mitteilung. Bis Ende 2024 sollen die Messungen zur Neutrinomasse am KIT noch verfeinert werden, hieß es weiter. Ein neues Detektorsystem soll dann ab 2025 bei der Suche nach sogenannten sterilen Neutrinos helfen. (dpa/red)



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