Zensierter Planet: „Extrem aggressive“ Zensur breitet sich weltweit aus

„Zensur findet nicht statt“? Forscher der Universität Michigan haben in einer Studie herausgefunden, dass es kein Land auf der Erde gibt, in dem nicht zensiert wird. So blockiert etwa Polen Webseiten für Menschenrechte, Indien Datingplattformen und Norwegen beides.
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Forscher der Universität Michigan haben in einer Studie herausgefunden, dass es kein Land auf der Erde gibt, in dem es keine Zensur gibt.Foto: iStock
Von 18. November 2020

Die größte Sammlung von Daten zur öffentlichen Internetzensur, die jemals zusammengestellt wurde, zeigt, dass selbst Bürger der freiesten Länder der Welt nicht vor Zensur sicher sind.

Über 20 Monate sammelte ein automatisches System Daten darüber, welche Internetseiten wo blockiert werden. Insgesamt kamen so mehr als 21 Milliarden Zugriffsversuche auf blockierte Inhalte aus 221 Ländern zusammen. Entwickelt hat das System mit dem Namen Censored Planet („zensierter Planet“) Roya Ensafi, Assistenzprofessorin für Elektrotechnik und Informatik an der Universität Michigan.

Gemeinsam mit ihren Kollegen stellte Ensafi die Ergebnisse am 10. November auf der ACM-Konferenz 2020 für Computer- und Kommunikationssicherheit vor. Alle Rohdaten können Sie hier finden und herunterladen.

Noble Absichten als Vorwand für eine weitreichende Zensur

Ensafis Team fand heraus, dass die Zensur in 103 der untersuchten Länder zunimmt, darunter auch in Ländern wie Norwegen, Japan, Italien, Indien, Israel und Polen. Sie alle werden von „Freedom House“, einer NGO in Washington, D.C., als einige der freiesten Staaten der Welt eingestuft.

Dennoch gehörten sie zu den neun Ländern, in denen Censored Planet bedeutende, bisher unentdeckte Zensurereignisse zwischen August 2018 und April 2020 feststellte. Zuvor unentdeckte Ereignisse wurden auch in Kamerun, Ecuador und Sudan festgestellt.

Diese interaktive Grafik zeigt, wie stark die Zensur rund um den Globus variiert. Die Top 50 der freiesten Länder führt die Niederlande an. Das Schlusslicht bildet Portugal. Grafik und Animation: Universität Michigan

„Was wir aus unserer Studie sehen, ist, dass kein Land völlig frei ist“, sagte Ram Sundara Raman, Doktorand der Informatik und Ingenieurswissenschaften. Weiter sagte er:

Wir sehen, dass viele Länder mit einer Gesetzgebung beginnen, Internetanbieter zu zwingen, etwas zu blockieren, das offensichtlich schlecht ist wie Kinderpornographie oder raubkopierte Inhalte. Aber sobald diese Sperrinfrastruktur vorhanden ist, können Regierungen jede beliebige Website blockieren und das ist ein sehr undurchsichtiger Prozess.“

Wenn Staaten die Netzneutralität aufheben, um einzelne Inhalte zu blockieren, „schaffen sie ein Umfeld, in dem es aus technischer Sicht für Internetdienstanbieter einfach wäre, den Internetverkehr zu stören oder zu blockieren“, fügte Ensafi hinzu.

Die Architektur für eine größere Zensur ist bereits vorhanden. [Deshalb] sollten wir alle besorgt sein, dass wir uns auf eine schiefe Bahn begeben.“

Polen blockierte Menschenrechte, Indien Datingplattformen, Norwegen beides

In diesem Zusammenhang weisen die Autoren auf einen beunruhigenden Trend hin, bei dem demokratische Regierungen mithilfe leicht verfügbarer Technologie und legislativer Deckung langsam die Internetzensur in die Regierungsinstrumente integrieren. Oft werden anlässlich von großen politischen Ereignissen, sozialen Unruhen oder neuen Gesetzen weitere Inhalte (zeitweise) blockiert.

So wurden etwa „The Washington Post“ und „The Wall Street Journal“ in Japan während der Ausrichtung des internationalen G20-Wirtschaftsgipfels in Osaka im Juni 2019 aggressiv blockiert.

In Polen erfuhren Nachrichten-, Menschenrechts- und Regierungswebseiten nach einer Reihe von Protesten im Juli 2019 einen Anstieg der Zensur. Und Indien blockierte Webseiten von Partnervermittlungen, nachdem das Land im September 2018 Gesetze gegen Homosexualität aufgehoben hatte.

Auch Norwegen – gehört laut Freedom House mit Schweden und Finnland zu den freiesten Ländern der Welt – hat eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die Internetanbieter dazu verpflichten, ab Anfang 2018 einige Glücksspiele und pornografische Inhalte zu blockieren. Die Messungen von Censored Planet zeigen jedoch, dass Internet-Service-Provider auch darüber hinaus „extrem aggressiv“ Inhalte blockieren. Einschließlich Menschenrechtswebseiten wie Human Rights Watch und Online-Dating-Seiten wie „Match.com“.

Die nächste Stufe zur Überwachung der Überwacher

Wir stellen uns das Internet als ein globales Medium vor, in dem jeder auf jede Ressource zugreifen kann. Es soll die Kommunikation erleichtern, insbesondere über internationale Grenzen hinweg“, sagte Raman. „Wir stellen fest, dass dies, wenn es so weitergeht, nicht mehr stimmen wird. [Es ist zu] befürchten, dass dies zu einer Zukunft führen könnte, in der jedes Land eine völlig andere Sichtweise auf das Internet hat.“

Nicht nur, dass Länder bestimmte Inhalte blockieren, es gibt auch Staaten, in denen die Zensur deutlich umfassender ist und auch die Recherchen und Berichterstattung über Zensur zensiert. Auch dabei kann die automatische Datenerfassung aus Michigan helfen.

Bisher stützte sich die Erfassung der Zensur oft auf Freiwillige, die Daten manuell in überwachten Ländern sammeln. Dies kann mitunter lebensgefährlich sein, da sie Repressalien seitens der Regierungen fürchten müssen. Ihr begrenzter Umfang bedeutet zudem, dass sich die Bemühungen oft auf Länder konzentrieren, die bereits für Zensur bekannt sind.

Nationen, die als freier wahrgenommen werden, werden dabei leicht übersehen. Doch alles hat einmal klein angefangen, auch die Zensur. In einer zunehmend auf das Internet angewiesenen Welt könne das jedoch große Auswirkungen haben, so Raman.

Censored Planet erfasst theoretisch jede Webseite, auf die der Zugriff verweigert wurde, automatisch. Dazu verwandelt es öffentliche Internetserver auf der ganzen Welt in Wachposten, die überwachen und melden können, wenn Webseiten blockiert werden. Mit einer Reihe von Werkzeugen und Filtern könne man die Daten schließlich analysieren und Trends herausfinden.

Zensur-Hack hilft Hackern, Zensur zu hacken

Neben den Rohdaten veröffentlichten die Forscher weitere technische Details über die Funktionsweise von Censored Planet. Diese sollen es anderen Forschern erleichtern, Erkenntnisse aus den Daten des Projekts zu gewinnen. Es kann auch Aktivisten helfen, fundiertere Entscheidungen darüber zu treffen, worauf sie ihre Bemühungen konzentrieren sollen.

„Es ist sehr wichtig für Leute, die an der Umgehung [der Zensur] arbeiten, genau zu wissen, was in welchem Netzwerk zensiert und welche Methode verwendet wird“, sagte Ensafi. „Das sind Daten, die Censored Planet zur Verfügung stellen kann. Und Tech-Experten können sie benutzen, um Umgehungen für Zensurbemühungen zu entwickeln.“

Letztendlich soll Censored Planet dazu beitragen, „den Einsatz von Technologien zur Netzinterferenz kontinuierlich zu überwachen, politische Veränderungen in den zensierenden Ländern zu verfolgen und die Ziele der Interferenz besser zu verstehen“, sagte Ensafi.

(Mit Material der Universität Michigan)



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